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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Die Festbauten in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0404

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Die Festbauten in Leipzig,

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die im Aufbau und in der Höhe zwischen den Thor-
thürmen der Kolonnaden und der korinthischen Säulen-
halle des Theaters die Vermittelnng herstellten. Die gleich
hohen mächtigen Nunvbogen zwischen schlanken korinthi-
schen Sänlen tragen das kräftig ausladende Gesims, über
dem eine Attika, slankirt von oier sitzenden Kranzspende-
rinnen, sich erhebt. Sie dient mit ihren Stirnslächen zur
Ausnahme von Jnschriften, außerdem als Podest für
ein aus einem sitzenden Adler und gekreuzten Fahnen
gebildetes Tropäon.

Die Wirkung des Ganzen erwies sich als wohl-
erwogen, die Verhältnisse waren mit feinem Gefühl ab-
gemessen. Freilich mußten dabei die Fa^aden der nach
der Stadtseite anliegenden Häuserzeile aus der Nechnnng
gestrichen werden.

Das einzig Störende war vielleicht der schon ziem-
lich ln's Bnnte gehende Anstrich, den unser Festajuolo
anzuordnen für gut fand: vergoldete Kapitäle, ein tiefes
Blau in den Zwickelfeldern der Bogen mit übergeleglem
goldenem Palmzweig, hier marmorirte, dort zur Hälste
braunroth, zurHälftemattgelbgefärbteSäulenschäfteu.s.w.
Dieser Wechsel und Kontrast von Farben bot einen für
nordische Augen ganz ungewohnten Anblick dar; und voch
kann man nicht sagen, daß die Wirkung grell uud schreiend
gewesen wäre. Nur die graue Steinarchilektur des
Museums stach, wie es nicht anders sein konnte, gegen
das Festgewand des anstehenden Hallenbaues gar zu
lebhaft ab. Das kann aber nicht als ein Fehler gelten,
wo es sich im Wesentlichen darum handelte, die Fest-
bauten auch als solche, als ephemere Sonntagskinder
sroher Festlaune, zu charakterisiren. Dazu kommt noch
der Umstand, daß der Künstler deni Tage und auch der
Nacht gerecht werden mußte. Der Glanzpunkt der
ganzen Festlichkeit, das Feuerwerk uud die Beleuchtung
der Sceuerie mit bengalischem Licht, bedingte eine kräftige
Farbenstimmung, um den vollen Eindruck eines märchen-
hasten Zaubers hervorzurufen.

Am gewagtesten schienen anfangs die bkauen Sieges-
säulen, die als Dekoralionsstücke sich auf dem Halbrund
zwischen den Säulenhallen, mit ihreu Laub-Kapitälen
das Museum überragend, erhoben. Aber als die goldene
Kranzspirale herumgeführt war und das nun als blauer
Streis sich herumwindende Feld seine goldenen Jnschristen
erhalten hatte, lag kein Grund mehr vor, das Blau zu
perhorresciren. Glücklicherweise k'onnte es auch die Kon-
kurrenz des Himmels ertragen, der keineswegs im reinsten
Aether strahlte.

Aus seder der beiden Säulen schwebte, von Prof.
Zurstraßen ausgeführt, die Kolossalfigur einer vergoldeten
Viktoria mit Palmzweig und Siegeskranz in den Händen.
Beive nach demselben Modell gefertigten Figuren erinner-
ten in der Haltung an die schwebende Victoria Rauch's,
waren aber nicht so frei und anmuthig bewegt, und

schienen mit einer gewissen Aengstlichkeit auf ihrem hohen
Posten zu steheu. Daß dieseAengstlichkeit nicht nnbegründet
war, bewies der Sturmwind, der am Nachmittag des
Hauptfefttages die eine der geslügelten Niken erbarmuugs-
los herunterwarf. Gut getrosfen war das Verhältniß
zwischen Figur und Säule, ebenso wie zwischen der
Säule und dem kubischen Unterbau, dessen Seitenflächen
als Jnschrifttaseln dienten. Auch an diesem Dekorations-
stück war die krästig ansladende Gliederung, der abgestufte
Ausbau und die durch vier sitzende Adler bewirkte Krönung
von guter Wirkung.

Was die Malerei zur Festdekoration beigetragen,
kam fast gar nicht zur Geltung. Ueber dem Balkon des
Museums war ein Transparentgemälde von Lorenz
Clasen ausgespannt, dessen Formen nur in der Nähe
erk'ennbar waren. Zwei akademisch drapirte Frauen-
gestalten spielten darin die Rolle der Saponia und
Borussia. Jn einiger Entfernung hinter den beideu sich
begegnenden Damen sieht man eine dritte, die Germania
vorstellend, auf einem Throne sitzen mit einer Krone aus
dem Kopse, die in der Eile zu groß gerathen war. Sie
breitet die zum Segnen erhobenen Arme mit einer ge-
wissen Anstrengung aus, doch scheineu die beiden Geseg-
neten von diesem Akte gerade keine allzu lebhafte Notiz
zu nehmen. Hosfentlich ist der Segen der Germania
für beide Länder iu Wirklichkeit wirksamer als er hier
im Bilde erschien. Professor Nieper hatte es über-
nommen, vor dem Rathhause die Gestalten der Weisheit
und Gerechtigk'eit in kolossalen Oelgemälden aufzurichten.
Aber ein böses Ungefähr wollte, daß der erste Rahmen
beim Aufwinden herabstürzte. Bei der Nähe der S-tunde
des Einzugs war an eine Reparatur des Schadens nicht
zu denk'en. So blieben denn die Bilder, angelehnt an den
Kreuzesstamm, aus dem Pflaster stehen, wo sie bei ihren
kolossalen Dimensionen allerdings sick sonderbar genug
ausnahmen.

Jch kann diesen Bericht nicht schließen, ohne des
herben Verlustes zu gedenken, den unsere Stadt durch
deu kürzlich erfolgten Tod des Bürgermeisters Ernst
Koch erlitten hat, eines Mannes, der in seiner fast
28jährigen Amtsführung für die Pflege der schönen
Künste geleistet hat, was zu Leisten war. Es ist bekannt,
daß Leipzig in seinen künstlerischen Bestrebungen bei der
Staatsregierung von jeher nur wenig Entgegenkommen
fand. Daß für ösfentliche Denkmäler von Staatswegen
so gut.wie nichts geschieht, ja daß die Staatsbauten
selbst, namentlich die der Universitär dienenden neuen
Gebäude der Anatomie, des physiologischen Jnstituts,
des chemischen Laboratiums rc. den Bettlermantel eines
armseligen Putzbaues tragen, wird um so mehr wie eine
Zurücksetzung empfunden, als für Dresdens Verschöuerung
die Mittek stets reichlich, ja überreichlich fließen. Wenn
gleichwohl in neuerer Zeit viel geschehen ist, um das
 
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