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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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709

Korrespondenz,

800

und wenn das Bild auch in einem Saale voll alter
Italiener nicht befremdlich auffallen würde, so ist es
doch eine selbständige, durchaus eigenartige Arbeit. Jn
Jtalien entstanden, ist es auch insosern biographisch
interessant, als der Beichtvater Noirlieu den Künstler
zum Katholicismus veranlaßt haben soll.

7) Von Handzeichnungen wurde eine aquarellirte
Zeichnung von Ostade angekauft. Sie ist reich an
Figuren, aber trocken in der Behandlung, namentlich den
geistvollen Blättern gegenüber, welche das hiesige Kabinet
besitzt.

Auch bei diesen neuesten Ankäufen sind leider wieder
die „Metzgerbeikagen" nicht vermieden. Diese Mittel-
waare alter Kunst ist gottlob durch eine erkleckliche An-
zahl moderner Meister überflüssig gemacht worden. sSolche
Bilder aber, welche den Meister nicht prägnant vertreten,
mögen einer großen, reich dotirten Galerie als Vervoll-
stänoigung des Bildungsganges eines Künstlers will-
kommen sein. Für eine junge Galerie, die mit ihren
Mitteln haushälterisch umzugehen allen Grund hat, ist
das Aufsparen größerer Summen, bis sie vorzügliche, alte
Bilver sindet, allein richtig. Das Theuerste ist das
Billigste. Es würde erfreulich sein, wenn sich gegen
das kühle Jgnoriren der modernen Kunst bald eine
Gegenströmung Bahn bräche. Als erste Regung der-
selben ist der Ankaus des Veit'schen Bildes freudig zu
begrüßen mit einem vivut 86^u6N8!

Jn der wechselnden Ausstellnng der Galerie war
wohl die Schlacht bei Sedan von Franz Adam die
bedeutendste Erscheinung. Der Verein für historische
Kunst ist der beneidenswerthe Besitzer dieser von Geist
übersprudelnden Skizze. Jn der photographischen Re-
produktion, welche Schatten und Licht hart wiedergiebt,
ist die Gruppirung klarer als im Original, welches ^
nach dieser Secke hin manches zu wünschen läßt. Auch
Peter Becker machch in dieser Ausstellung seine vor-
jährigen „Sommerfrischlinge" vem weiteren Kreise der
Kunstsreunde zugänglich. Außerdem sind in der Kunst-
handlung F. A. C. Prestel zwei größere Aquarelle von
ihm, Dietkirchen und Limburg an der Lahn, ausgestellt.
Jm duftigen Silberton gehalten, können sie sich mit den
besten früheren Arbeiten messen, wenn sie dieselben nicht
übertrefsen. Es wäre zu wünschen, daß die Arbeiten
Becker's in den jetzt grassirenden Ausstellungen einem
größeren Kreise einmal vorgeführt würden. Diese deutsche
Gründlichkeit, die sinnige, auch das Detail achtende
Pietät vor der Natur wird ja leider immer seltener.
Die romantische Schule, zu der wir Peter Becker rechnen,
trotzdem daß er in Jacob Becker's Atelier zuerst den Pinsel
in die Hand nahm, ist für die deutsche Kunst viel zu
früh in den Hintergrund getreten. Wenn sie auch nicht
zu malen verstand, so hatte sie doch viel gelernt und
zwar gründlich gelernt. Jn der Schule eines Coruelius

konnte selbst der Letzte korrekt zeichnen, wenn er auch
sein Lebelang wie der Erste mit den Oelfarben auf ge-
spanntem Fuße lebte. Anstatt auf dieser soliden Grund-
lage der neudeutschen Schule weiterzubauen, führte man
wahre Farbenorgien aus und verfiel in die andere Ein-
seitigkeit, man malte, ohne zeichnen zu können. Täuschen
wir uns nicht, so ist eine Ernüchterung vom Farben-
rausch eingetreten. So eine recht harte, aber verzweifelt
gut verstandene Kontour dürfte in diesem Zustande am
Platze sein. Ein wenig ,8piritu8 Ooru6liunu8 könnte
gleichfalls nicht schaden, und den Farben thäte es weiter
. auch keinen Eintrag.

Mit besonderer Freude haben wir die neueren
Radirungen Münchener Künstler begrüßt. Seitdem
Unger, bei den Niederlänvern des 17. Jahrhunderts in
die Schule gehend, die malerische Radirung wieder zu
Ansehen gebracht hat, —- und wir kennen alte Herren,
die dem Stichel Valet sagten und an Unger's Hand
Unger'sche Weisen lernten, daß man schier seine Freude
daran hat — war es eigentlich zu verwundern, daß
die malerische Münchener Schule sich nicht im Radiren
versuchte. Die Geschästshast mag die Schulv daran
tragen, und wir hoffen also, daß die jetzige Geschäfts-
stille noch manches Blatt zeitigen wird. Von den
„Münchener Künstlerporträts nach der Natur auf die
Platte radirt von L. Raab" sind bis jetzt 8 Blätter
erschienen. Für die solgenden wäre eine größere Selb-
stänvigkeit zu wünschen. Namentlich gilt dies von den
Handkoketterien, uou iurituucku 86ä svituucku, und nur
bei einem hübschen Mädchen mit hübschen Händen ver-
zeihlich. Wie urgesund nimmt sich dagegen eine Hals'sche
Hanv aus! Vortrefflich ist ein Seestück von Tylander,
wenn auch die Segel und das Schiff links im Hinter-
grunde noch etwas schwerfällig gerathen sind. Mit
Decken oder Nacharbeiten mit der Schneidnadel lassen
sich solche Schwierigkeiten, die nun einmal die Aetzkunst
darbietet, leicht überwinden. Das eigentliche Aetzen, die
mechanische Arbeit, ist keine Hexerei, wie manche Künst-
ler wohl meinen und braucht niemand kopfscheu zu machen.
MitgutemBeispiele istLudwigHartmann vorangegangen.
Es liegen uns drei Blätter vor, zwei Jnterieurs, Ställe
mit Pserden, und ein Halt vor dem Wirthshause. Das
letztere Blatt ist in Zeichnung und Behandlung der
Technik gleich meisterhaft. Wir wüßten ihm keine moderne
Malerradirung an die Seite zu stellen. Die leichte erste
Anätzung — wir besitzen nur einen Abdruck vor der
Schrist — wie eine Untertuschung wirkend, die Stadt
in nebliger Ferne, die kräftig in den Bordergrund ge-
drängten Pferde vor dem Holzwagen, unter dem Schatten
eines Baumes vor der Schenke Karten spielende Fuhr-
leute, es nieverländert uns an, und doch sind, Gott sei
Dank, Stadt, Land und Lust, Mensch und Vieh eigen-
artige Münchener Kunst, nicht rembrandisirt noch ostadisirt,
 
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