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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Göthe, Georg: Das National-Museum in Stockholm
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0412

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811

Das National-Museum in Stockholm.

81,2

ist er z. B. mit einem großen Bilde von Giorgione
sehr zufrieden, das, wie er sagt, so unbernhrt aussieht,
als wäre es gestern von einer Wand des Wiener Belvedere
herabgenommen. Nnn verhält es sich damit aber nicht
besser, als daß dieses Bild — übrigens kein beglaubigter
Giorgione — eben zu jenen unglücklichen gehört, die im
unteren Muscum auf neue Leinwand transferirt, gereinigt
nnd gefirnißt worden sind.

Die Hindeutungcn anf das Belvedere verdienen
auch eine Bemerkung. Herr A. v. Wch. gedenkt der
Plünderung, wodurch im 30sährigen Kriege die Schweden
sich der in Prag aufbewahrten Kunstschätze des Kaisers
Rudolf II. bemächtigten. Diese Plünderung ist eine
Thatsache, und ebenso gewiß ist es, daß ein großer
Theil dieser Schätze sich einmal in Schweden befunden
hat. Aber das ist auch gewiß, daß die Königin Christina,
welche dieselben besaß, sie zum größten Theil mit sich
nach dem Auslande nahm, als sie ihr Reich und ihre
Krone verließ. Wahrscheinlich sind jedoch einige schon
vorher in den Besitz ihrer ausländischen Günstlinge
übergegangen, und was möglicherweise zurückblieb, ging
ohne Zweifel bei dem großen Schloßbrande i. I. 1697
verloren — kurz die jetzige Sammlung in Stockholm
stammt, laut der gewissenhaften archivalischen Forschungen
über unsere Galerie, die von einem früheren Beamten
des Museums, Herrn F. Sander, in den letzten Jahren
verösfeutlicht worden sind*), nachweislich aus ganz anderen
fürstlichen Kabineten her, als demjenigen des Kaisers
Rudolf auf dem Hradschin; und von leinem Bilde unserer
Galerie ist es erwiesen, daß es je m Prag gewesen ist.
Am wenigsten ist dieses mit dem oben erwähnten Gior-
gione der Fall, wie es Herr A. v. Wch. vermuthet.
Jn der That wurde nämlich dieses Bild erst vor einigen
Jahrzehnten von unserm Landsmann, dem Bilohauer
Byström, nach Schweden gebracht. Von den Malereien,
die dagegen seit dem vorigenJahrhundert dem schwedischen
Staate gehören, stammt die durchaus große Mehrzahl
aus den Sammlungen her, die damals vom Grafen
C. G. Tessin, der Königin Lovisa Ulrika, dem König
Gustav III. u. a. zusammengebracht wurden. Möglich,
obwohl nicht erwiesen und aus den angesührten Gründen
wenig wahrscheinlich, bleibt es immer, daß dieses oder
jenes Bild ursprünglich der Prager Sammlung gehört
haben kann; aber gewiß ift es nichts desto weniger,
daß der „Merkur", von dem Herr A. v. Wch. dieses
mit Bestimmtheit behauptet, erst vor acht Jahren aus
dem Privatbesitz einer schwedischen Familie in Staats-
besitz übergegangen ist. Aus dem obeu Erwähnten ziehen
wir, im Gegensatze zu dem geehrten Wiener Touristen,
die Schlußfolgerung, daß kein „guter Oesterreicher"

Natioualnnlseum. Liäi'uZ' tin l'allo^alloriots Hi8toria.
I-1II. Stockholm, 1872—74.

Grund habe „melancholisch" zu werdeu, wenn er die
Kunstschätze unseres Museums bewundert.

Herr A. v. Wch. hebt als einen Fchler nnseres
Galeriekataloges hervor, daß derselbe den Gegenstand
unseres größten Rembrandt als einen historischen, eine
Scene aus der Geschichte der Hussiten, bezeichnet. Es
würde nns zu weit führen, wenn wir die Berechtigung
dieser Benennung vertheidigen wollten. Wenn jedoch
Herr A. v. Wch. behauptet, daß Rembrandt nie aus
„dem Rahmen der biblischen Geschichte" herausgetreten
sei,Zo vergißt er, daß der Maler bisweilen wenigstens
Gegenstände aus der römischen -Geschichte behandelt hat
(Vosmaer, 1868, S. 473, 510). Natürlich hat er Recht,
wenn er die Behauptung bestreitet, „daß Rembrandt
dieses Bild in Stockholm selbst gemalt hätte". Dazu
wollen wir nur bemerken, daß diese Behauptung auch .
nicht in dem schwedischen, vom Museum herausgebenen
Kataloge zu lesen ist, sondern in einem sranzösischen,
von einem Privatmanne besorgten. Herr A. v. Wch.
findet es endlich „befremdend, daß die gesammte Literatur
über die im Museum aufgehäuften Kunstschätze sich bis
auf den heutigen Tag auf einige dürftige Kataloge be-
schränkt", obgleich er selbst ganz richtig den Grnnd da-
für angiebt: die Jugend des Museums. Wir hätten
geglaubt, daß dieser Grund den erwähnten Fehler hin-
reichend entschuldige. Wir können versichern, daß man
auch hier das Bedürsniß besserer und aussührlicherer
Kataloge lebhaft sühlt; wir fügen hinzu, daß man darauf
bedacht ist, dem Mangel baldmöglichst abzuhelsen. Uebri-
gens ist die Behauptung des Herrn A. v. Wch. insofern
auch nicht ganz richtig, als das umfassende, oben bereits
erwähnte Werk von N. F. Sander doch auch zu dieser
Literatur gehört; der letzte (4.) Theil dieses Werkes
wird in der nächsten Zeit erscheinen. Daß die Kata-
logisirung hier nicht so geschwind von der Hand geht,
dars nicht besremden, wenn man bedenkt, wie laug-
sam solche Arbeiten in anderen Ländern sortschritten,
wo die wissenschastlichen Kräfte und die pekuniären
Mittel in weit reicherem Maße vorhanden sind, als
bei uns, und wenn man dazu erwägt, daß hier, aus
Mangel an Vorarbeiten, Alles von Grund aus nen an-
gefangen werden muß. Was die jetzt vorhandenenKataloge
betrisft, so hat man in ihnen den (wie wir glauben)
richtigen Grundsatz beobachtet, die traditionellen Be-
nennungen der Kunstwerke beizubehalten, bis es wissen-
schastlich dargethan ist, daß sie unrichtig sind. Ein
solcher Beweis fordert jedoch umfassende Untersuchungen.
Lebhast erkennen wir endlich das Wünschenswerthe und
Nothwendige der Veranstaltung von Katalogen in fremden
Sprachen an; aber es darf nicht auffallen, wenn wir
erst für uns selbst fertig sein wollen, ehe wir etwas für
die Fremden thun.

Wir Schweden sind ost deswegen getadelt worden,
 
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