Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

DOI Artikel:
Wolf, August: Die Wiedereröffnung des Museo Correr in Venedig
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0022

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
39

Die Wiedereröffnung des Museo Correr in Benedig,

40

mit dem Palazzo Vendramin-Calergi gegenüber erhöht
noch die festliche Wirkung des Raumes, der an den
Wänden und an dem offenen Dachstuhl in geschmack-
vollster Weise malerisch dekorirt ist. Mit den ge-
wählten reichen Tvnen stimmen sehr schön die Farben
des Stoffes für Stühle und Ruhebänke, die in
Menge vorhanden sind, wie es denn überhaupt ein großer
Vorzug des Museums ist, daß der Besucher sich's
überall bequem machen kann.

Äm sechsten Saale sind die Elfenbeinschnitzereien
aufgestellt, und über den Schränken an der Wand, leider
zu hoch für eine genauere Besichtigung, sind die alten
Gemälde aufgehängt. Herr Paul Schönfeld hat in
dem oben erwähnten Aufsatze das bedeutendste davon auf-
gezählt. Jm siebenten Saale gelangt man zu den
Handschriften mit und ohne Miniaturen; einige Schränke
bieten dem Publikum eine Auswahl aus diesen litte-
rarischen Schätzen des Museums. Unter den religiösen
Handschriften befindet sich u. a. eine deutsche Bibel
mit schönen Miniaturen aus" dem 15. Jahrhundert.
Jnteressant sind auch eine große Anzahl prachtvoller
Bucheinbände. Hier, wie in allen folgenden Sälen,
setzt sich zugleich die Bildergalerie fort.

Seit der Eröffnung des neuen Museums sind eine
Menge Dinge zur Aufstellung gelangt, welche in den
alten beschränkten Räumlichkeiten keinen Platz finden
konnten, u. a. auch die prachtvoll geschnitzten Schränke
des achten Saales, in welchen eine überaus reiche
Majolikensammlung untergebracht ist. Die Schränke,
Welche aus einem aufgehobenen Kloster stammen und
schon vor langer Zeit vom Museum erworben wurden,
gehören dem 16. Jahrhundert an. Der neunte und
größte Saal des Museums (mit Oberlicht) ist noch
nicht in der beabsichtigten Verfassung. Zwei umfäng-
liche Ceremonienbilder, an deren Restauration gear-
beitet wird, werden später einander gegenüber die
Langwände des Saales einnehmen. Das eine stellt
den Einzug der neuen Dogaressa Morosini in den
Dogenpalast, das andere Catarina Cornaro's Ankunft
in Venedig dar. Sie rühren von den Schülern des
Palma giovine her und haben mehr geschichtliches als
künstlerisches Jnteresse. Die vier Restauratoren haben
insofern keine leichte Arbeit, als sie einige lebensgroße
Figuren neu erstnden und hinzu malen müssen. Das
Restauriren wird hier übrigens im großen betrieben.
Jn den letzten Wochen vor Eröffnung des Museums
waren nicht Weniger als siebzehn Restauratoren be-
schäftigt, alle alten Bilder auf den „Glanz" zu bringen.
Das ist hier von jeher so getrieben worden. (Man sehe
Goethe's Jtalienische Reise.) Der Kummer des Zu-
schauenden ändert an der Sache nichts. Das Handwerk
des Auffrischens wird floriren, so lange es irgendwo
noch alte Bilder giebt. Jn dem letzterwähnten Saale

befinden sich kostbare geschnittene Steine, Wertgegen^
stände aller Art, Miniaturen auf Elfenbein ausgelegt,
außerdem sind hier einige wertvollere Gemälde auf-
gehängt. Ein anstoßendes Gemach bewahrt altes
Silbergeräte neben modernen Gemälden, die sich iu
dieser Nachbarschaft gar wunderlich ausnehmen. Eine
ganze Wand dieses Raumes nehmen alte Glaswaren
aus Murano und Nachahmungen derselben ein; auch
findet man hier einige vortreffliche Emailarbeiten aus
dem 14. Jahrhundert, besonders eine Ooxpu nuLiuis
aus dieser Zeit, sowie allerlei interessante Porzellan-
gegenstände verschiedensten Ursprungs.

Das vorletzte Zimmer ist den Gegenständen des
täglichen Gebrauches gewidmet. Da die frühern Jahr-
hunderte hiervon wenige Spuren hinterlaffen, so über-
wiegen natürlich die Erzeugniffe der zwei letzten. Die
hier ausgestellten Bilder haben ebenfalls Bezug auf
Venedigs Privatleben. Besonders hervorzuheben ist
das Parlatojo des Frauenklosters S. Zaccharia. Wer
sich, nebenbei bemerkt, näher unterrichten will über
Venedigs Leben in Haus und Familie, dem wird das
vor kurzem erschienene Buch von P. Molmenti:
„VsnsLiu noila vita privutu" willkommen sein.
Jn einem besondern Kasten sieht man die Überreste
einiger Gegenstände aus der niedergebrannten Cappella
del Rosario bei S. Giovanni e Paolo, darunter ver-
kohlte Leinwandstücke von Tizians dort untergegangenem
unvergeßlichen Bilde. Auch eine Anzahl Bücher kunst-
und kulturhistorischen Jnhalts, Abbildungen Vvn nicht
mehr in Venedig vorhandenen Merkwürdigkeiten, eine
Sammlung schöner Thürklopfer von dem Niederländer
G ravenbroch gezeichnet, zweiBände mitAbbildungen
von Kultus- und Gebrauchsgegenständen, ebenfalls von
Gravenbroch gezeichnet, sind hier zu finden. Als
Kuriosität eigner Art erwähnen wir noch eine in einem
Glascylinder aufbewahrte Skizze Sansovino's. Jn
dem letzten Zimmer sind die wertvollsten Stücke der
Mllnzsammlung ausgelegt, und an den Wänden einige
der interessantesten Bilder aufgehängt.

Jndem wir, die reiche Sammlung verlaffend, die
Treppe wieder herabkommen, bemerken wir, daß im
mittlern Geschosse sich die Bibliothek nnd das Münz-
kabinet sowie die Beamtenzimmer befinden, im ganzen
weitere zehn Rämnlichkeiten.

Man Leabsichtigt, im Laufe der Zeit den nie aus-
gebauten rechten Flügel des Gebäudes nach dem Hofe
zu herzustellen, um noch Raum zu gewinnen zur Unter-
bringung von Gipsabgüffen, Architekturfragmenten und
verschiedenen andern Dingen, die vorläufig in dem
alten Lokale verbleiben mußten. Die naturhistorische
Sammlung wird überhaupt wohl nicht übersiedelt
werden, sondern nach wie vor in den bisherigen Räumen
ihre Unterkunft finden. Hiermit sei denn allen Lesern
 
Annotationen