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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Brun, Carl: Die schweizerische Kunstausstellung von 1880, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0055

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Die schweizerische Kunstausstellung von 1880.

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^auer in blauem Kittel auf einem Schimmel, der im
^chritt geht; er blickt zurück auf die Kiihe, welche hiuter

hergetrieben werden. Ganz hinten, auf dem sich
^urch den Wald schlängelnden Wege, kommen Frauen
Mm Vorschein, von denen die eine einen Korb auf
^ni Haupte trägt. Das Bild wirkt besonders an-
^lehond durch den Lichteffekt, trotzdem aber geben wir
eineni andern Gemälde Kollers, den „Kühen ani Fluß-
ufcr", entschieden den Vorzug. Am rechten Ufer
fchreiten zwei Kühe, sich effektvoll im Wasser wieder-
fpiegelnd, eine dritte steht schon bis an die Kniee im
Wasser. Am Ufer links ein Mann mit dcr Peitsche,
in blauer Bluse, auf dem Kopfe einen Filzhut. Das
iandschaftliche Motiv ist vom Zürichersee. Ein drittes
Bild Kollers, „Pferdeschwemmen", war uns bereits von
ber Wiener Weltausstellung her bekannt. Rühmlich
erwähnt seien schließlich noch zwei Stücke von Mali,
Schafe und Kühe, die zur Tränke geführt werden,
eigentlich Varianten ein und desselben Motivs.

Auch einige gute Stillleben dürfen nicht über-
gangen werden. Besonders geschmackvoll komponirt ist
dasjenige von Frl. Justine Zeller in München. Kein
geringes Lob spenden wir der Künstlerin, indem wir
erklären, daß ihr Bild nicht den Eindruck des Über-
füllten macht, obgleich es ein Konglomerat ist von
allem möglichen: von Orangen, Rosinen, Mandeln und
Käse, von Perlmuttermuscheln, Blumenvasen, Arm-
leuchtern,ChamPagnerflaschen,Rheinweingläsern, Geigen
und Noten von Sebastian Bach. Es seien ferner hier
die Namen Heimerdinger nnd Rvstel achtungsvoll
ausgesprochen.

Wie immer, so war auch dieses Jahr die Zahl
der Landschaften Legion. Einer von den wenigen, die
nvch gelegentlich den Traditionen der national schwei-
zerischen Landschaftsmalerei eines Diday und Calame
folgen, ist Castan in Genf. Er versteht es großartig
aufzufassen, wie ein Unwetter über den reißenden Berg-
bach und seine romantisch kahlen Felsenufer dahinziehb
und daß er, keineswegs einseitig, auch über andere
Töne gebietet, zeigt sein „Schloß Chillon" am Genfer-
see. Auf ganz anderem Pfade bewegt sich Arthur
Calame, der dem großen Namen, welchen er trägt,
alle Ehre macht. Seine beiden Gemälde sind See-
bilder. Auf dem einen ist das Element in Aufruhr
dargestellt: es hat sich auf offnem Meere ein Unfall
ereignet. Das Volk ist zum Leuchtturm hinausgelaufen
uud starrt in banger Erwartung in die Ferne, hier die
Hände ringend, dort mit Fernrohren das Schiff suchend,
welches mit bloßem Auge nicht zu sehen ist. Das
Zweite Bild führt den Beschauer an den Genfersee.
Reisende erwarten das Dampfschisf, welches direkt auf
den Hafen von Vernex zusteuert. Zwei andere tüchtige
Schweizer Landschafter sind Fröhlicher und Stäbli,

beide in München; sie haben in den letzten Jahren
einen großen Schritt vorwärtsgethan. Fröhlichers
Bilder zeichnen sich durch die feine Farbengebung und
vortreffliche Luftperspektive aus, speciell gefällt uns von
ihm die Landschaft mit einer Schafherde am Waldes-
rande. An Stäbli's Bildern ist vor allem die Schön-
heit der Linie lobenswert, auch sein „Ufer der Reuß"
läßt darin nichts zu wünschen übrig. Ein nicht un-
bedeutendes Farbentalent besitzt Preiswerk in Basel,
ein Schüler Stückelbergs. Es wird einem ordentlich
warm und faul zu Mute an seinem Strande von
Sorrent, an dem nackte Buben mit einem kleinen
Schiffe spielen und Männer sich dem lungernden Fischer-
leben hingeben. Holzhalb in Zürich weiß sich male-
rische Motive auszusuchen, wie Schloß Majorie und
Tourbillon in Sitten und eine Partie aus dem Rhein-
gau, und Poschinger läßt uns erkennen, wie dankbar
für den Maler der noch lange nicht ausgebeutete Chiem-
see ist. Wir würden nicht enden, wollten wir alle
Landschaften und Architekturbilder eingehend besprechen;
es möge deshalb genügen, auf die bedeutenderen noch
flüchtig hingewiesen zu haben. Verdienstvoll sind die
Architekturstücke aus Venedig und ein Fischerkahn an
der Küste von Bordighera von Marc Dunant, ver-
Lienstvoll auch die Landschaften von Zimmermann
und Zelger, aus denen Nuhe und Frieden spricht.
Eine Ehrenmeldung muß serner den Geißerschen
Landschaften und denjenigen Dumonts zuerkannt
werden; unter den letztern ist uns besonders eine
Straßenperspektive zu Schaffhausen mit hübschen Re-
naissance-Erkern aufgefallen. Wir dürsen auch ein
wirkungsvolles Bild vvn Jules Laurens nicht ver-
gessen, ein altes Kloster, hoch oben auf steilem Felsen
gelegen, mit der Fernsicht in das schöne Land der Pro-
vence, sowie die Namen Rüdisühli, Steffan und
Girardet nicht unausgesprochen lassen, von welch'
letzterem charakteristische Wüstenbilder zu sehen waren.
Unter den Aquarellisten seien endlich Jules Hsbert
und Salomon Corrodi genannt; der eine vermittelt
uns Aghpten und Jerusalem, der andere die Schön-
heit und Farbenpracht des Golfes von Neapel.

Ehe wir unsere Besprechung schließen, muß noch
aus die vielverheißenden Radirnngen deSaussure's und
die charaktervollen Gips- und Broncebüsten Carl
Töpfer's hingewiesen werden. Töpfer, der Sohn des
berühmten Verfassers der Genfer Novellen, ist in Paris
längst ein gesuchter und anerkannter Meister auf dcm
Gebiete des Porträts. Lust, not lemst! rnfen wir
aus, indeni wir dieser beiden Künstler erst jetzt ge-
denken.

Zürich, den 10. Oktober 1880. Carl Brun.
 
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