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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Kunstlitteratur.

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217

allen geistreichen Launen derselben, ist die damalige
^unst, als mit der Revolution ein neuer Geist über
^ französische Gesellschast lam oder eigentlich daher-
^vauste, von der sogenannten klassischen, im Grunde
^vchst langweiligen, im hohlen Pathos auf dem Kothurn
^Oiher stolzirenden Schule eines David zu Grabe ge-
^agen worden. Die Gegenwart sitzt zu Gericht über
^eide. Die Heroen Davids haben längst ihre Rollen
ausgespielt; ihre Opfer, die Künstler Ludwigs XIV.,
^er Regentschaft und Ludwigs XV. seiern in Frank-
^eich und über dessen Grenzen hinaus ihr Auferstehungs-
^est. Nicht als ob man immer und überall dem da-
nialigen französischen Sittendrama Beifall schenken
^uürde, sondern eben darum, weil die Künstler es ver-
standen, die Sitte — und Unsitte — ihres Volkes,
chres Landes, ihrer Zeit ebenso originell wie treffend
Zu schildern.

Damit ist das Unternehmen, das wir hier ein-
sühren, erklärt und gerechtfertigt. Die Künstler dieser
Epoche und ihre Werke schildern, heißt zugleich
^austeine zur Charakteristik der Sitten und Gebräuche
stefern. Sehr sörderlich zum Studium dieser Zeit wirkt
dabei der Umstand, daß fast alle besseren Kompositionen
^er Maler durch vortreffliche Stecher reproducirt wurden,
bie uns dadurch auch außerhalb Frankreichs die günstige
Gelegenheit bieten, an ihrer Hand die Studien fort-
Zusetzen und auszudehnen. Wenn A. v. Wurzbach die
Anzahl der Stiche, welche diesem Genre angehören,
uuf ivooo anschlägt, so glauben wir aus eigener Er-
sahrung versichern zu können, daß diese Ziffer viel
Zu niedrig gegriffen ist. Wir nehmen dabei natürlich
auch alle Stiche hinzu, die als Jllustrationen von
Prachtwerken dienen und von den besten Zeichnern
und Stechern ausgeführt wurden. Denn auch in diesen
liegt ein reiches Material zur französischeu Kunst- und
Sittengeschichte der erwähnten Zeit aufgespeichert.

Daß ein Werk, wie das vor uns liegende, vollends
in unserer Zeit der Forschung vollkommen berechtigt
erscheint, ist nicht zu leugnen, um so weniger, als es
in seiner ganzen Anlage und Durchführung dokumentirt,
l>aß sein Herausgeber vollkommen weiß, was er will,
und daß er es auch in der entsprechenden Form zu
luetcn versteht.

Einleitend giebt der Verfafser eine übersichtliche
Teschichte der französischen Kunst, wie sie sich in der
Sonne des Hofcs entwickelte. Unter Ludwig XIV.
stnd es meist die vorzüglichen Porträtmaler und Por-
lrätstechcr, welche die Kunst und iu ihr den Thron
berherrlichen. Mit der Rcgentschaft tritt ein Wende-
pnnkt ein; die Künstler gehen allmählich vom Mhthus
Mm Alltagsleben über und ebnen den Malern galanter
Feste und Zeitbilder den Boden. Jn diese Entwicke-
lung werden die besten Künstler jeder Periode einge-

flochten, und neben biographischen Notizen wird auch die
Charakteristik jedes Einzelnen geboten. Die Wechsel-
wirkung zwischen Hof und Kunst wird überall betont,
so namentlich, wie die frömmelnde Maintenon hem-
mend, die Pompadour dagegen fördernd einwirkte.
Heutzutage ist es wohl Uberflüssig, beweisen zu wollen,
daß zu solchen historischen Erörterungen auch die Jllu-
stration, gleichsam als urAnmontum aä Iiominsm,
hinzugehört. Der Verfasser hat diese Notwendigkeit
erkannt nnd dcm Bedürfnis, sreilich nur bcispielwcise,
Genüge gethan. Die Wahl mag schwer genug gc-
wesen sein — wo hätte man auch aufhören sollen?
Vieles, sehr vieles, von Sammlern wie kostbares Edel-
gestein in Mappen gehütet, konnte gar nicht gebracht
werden, obgleich es die historischen Deduktionen am
prägnantesten unterstützt hätte. Was aber in Reprv-
duktion geboten wurde, wird gewiß allerorten mit
Freude begrüßt werden. Es ist nicht möglich, die einzelncn
Darstellungen specicll anzuführen; die Porträtisten, von
Rigaud bis aüf die Vigöe le Brun, die Sittenmaler
Watteau, Lancret, Boucher, Chardin, Baudouin, Greuze,
Fragonard, Moreau u. a. m. sind meist mit mehreren
ihrer Kompositionen vertreten; die graziöse Jägerin
auf dem Blatte von Rönard „IIspos äs oüusss"
stcllt die du Barry dar.

Die Lichtdrucke aller 60 Blätter sind vorzüglich.
Die auf diesem Gebiete äußerst rührige Verlagshand-
lung hat es sich angelegen sein lassen, dem gediegenen
Jnhalte auch ein entsprechendes vornehmes Gewand
zu leihen, und so ist ein Prachtwerk entstanden, das
seinem Besitzer eben sv große Freude wie geistige An-
regung bieten wird. Die in Heliotypie ausgeführten,
dem Text einverleibten Bordüren, Titel- und Schluß-
vignetten, ebenfalls zeitgenössischen Künstlern entlehnt,
vervollständigen den reichen und geschmackvollen Ein-
druck des Ganzen.

I. E. W.

PlirlliiiicntlirischcS nber Kilnst nnd Kunsthanvwerk, nebst
Glvssen dazu. Von I)r. Angust Neichensperger.
Köln, I. P. Bachcm. 1880. 96 S. 8°.

Mit derselbenFreude, mit welcher alle fein fühlenden
Menschen seiner Zeit den „falschen Baurat", jene rei-
zende kleine Künstlernovelle, begrüßten, habe ich das
genannte Buch von August Reichensperger in die Hand
genommen. Beide Bücher haben das gemeinsam, daß
sich hinter ihrer unscheinbaren Hülle ein Schatz von
Erfahrungen auf dcm Gcbiete des Lebcns nud der Kunst
verbirgt und daß sie aus der nämlichen Grundstimmung
hcrvvrgewachsen sind. Die letztere könnte man viel-
lcicht kurz mit folgeuden Sätzeu bezeichnen: die echtc
Knnst verdanken wir nicht der Laune eines oder einiger
nvch so geistreicher Köpfe, vielmehr ist der Künstlcr —
 
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