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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Frimmel, Theodor v.: Internationale photographische Ausstellung im Österreichischen Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0196

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Jnternationale photographische Ausstellung im Österreichischen Museum.

Thätigkeit gegeben hat.

Unfern dieser Gruppe fesseln unsere Aufmerksam,
keit die Momentaufnahmen von Anton Maier
(München). Die gesteigerte Achtempfindlichkeit, welche
man hente den photographischen Platten zu geben ver-
steht (Maier benutzte Chromsilbergelatinplatten zu seinen
Vcrsuchen), erlaubt es, den Apparat bei der Aufnahme
schvn nach kleinen Bruchtcilcn eincr Sekunde zu schließen,
so daß eine Bewegung in einer beliebigen Phase im
Lichtbild sestgehalten werden kann, ohne daß die Bilder
in stvrender Weise verschwommen wären. Maier
stelite Photogramme aus (Münchener Ansichten) mit
fahrenden Wagen, schreitenden und laufenden Menschen
(letzterc allerdings verschwommen). Es liegt sehr nahe,
bei Beträchtung dieser „Jnstantanphotographien" an
die Darstellung von Bewegung durch die bildenden
Künste zu denken und an die größere oder geringere
Wichtigkeit, welche die, zwar schon mehrere Jahre im
engen Kreise, aber erst in letzter Zeit weiterhin be-
kannten, Momentaufnahmen fllr den Künstler haben
können. Besonders drängt sich diese Frage auf bei den
vortrefflichen, von Marsh Brothers ausgestellten, in
vergrößertem Pigmentdruck wiedergegebenen Moment-
aufnahmen von schwimmenden Schwänen. (Marsh
Brothers haben außerdem noch eine Regatta und einen
Eilzug in Momentaufnahmen hier ausgestellt.) Die
durch die mannigfachen Bewegungen der Tiere ver-
ursachten Wellen bilden hier Formen und Gestalten
von einer Klarheit, welche jeden in der Überzeugung
bestärken müssen, alle bisherige Wellenmalerei, die beste
mit eingeschlossen, sei eine stilisirte Wiedergabe der
Natur, und ein eigentlicher Naturalismus, wie wir
ihn seit Jahrhunderten bei der Wiedergabe unbewegter
Gegenstände kennen, sei bei der Darstellung von Wellen
flüssiger Körper erst nach dem Gebrauch von Moment-
aufnahmen denkbar. Um einen so extremen Natura-
lismus aber bei der Darstellung von Bewegung han-
delt es sich gar nicht für den bildenden Künstler. Der
berühmte Physiologe Ernst Brücke, auch als Kunstkenner
bekannt, hat in einem jüngst erschienenen Essay („Die
Darstellung der Bewegung durch die bildenden Künste".
Rodenbergs Deutsche Rundschau, Januar 188l) nach-
gewiesen, daß der Künstler in seiner Darstellung nie-
mals so sehr an den Vorgang der Bewegung selbst
anknüpfe, wie an die Erinnerungsbilder, welche der
Beobachter von der Bewegung hat, daß diese Erinne-
rungsbilder mit denen der Ausgangs- und Endpunkte
der Bewegung, niemals aber ganz mit den Mo-
mentaufnahmen übereinstimmen, weshalb er sich
auch für die Anwendung der letzteren in den bildenden
Künsten nur bedingt ausspricht. (An dem Beispiele
bes Pendels wsist Brücke nach, daß es die Ansgangs-

und Endpunkte der Schwingung seien, welche am
festesten in unserer Erinnerung haften und daß ein
Maler das schwingende Pendel niemals darstellen wird,
wie es eben dnrch die Ruhelage schwingt, sondern
immer nur, wie es am Punkte der größten Ausweichung
einen Moment ruht, um wieder umzukehren. Das
hier gewonnene Verständnis benützt Brücke dann zur
Beurteilung der Wiedergabe aller erdenklichen Be-
wegungen.)

Betrachten wir nun die ausgestellten Moment-
aufnahmen noch einmal, so fällt uns alsbald auf, daß
wir von den Figuren, die sich bewegend dargestellt sein
sollen, in den seltensten Fällen den Eindruck der Be-
wegung empfangen (gar nicht geschieht dies bei den
Gegenständen, welche bewegt werden, z. B. bei dcm
Dampfboot am Starnbergersee oder bei dem Eilzug,
dem es gewiß niemand ansieht, daß er während einer
Fahrt von der Geschwindigkeit: 60 engl. Meilen per
Stunde aufgenommen ist; im Gegenteil, er erscheint
uns ruhend und muß dies desto mehr, je kürzer die
Aufnahme gedauert hat). Wir finden einige Figuren
in Stellungen wiedergegeben, von welchen wir auch
nicht die geringsten Erinnerungsbilder in unserem
Seeleninhalt aufsinden können, in Stellungen, die
zwischen Ausgangs- und Endpunkt der darzustellen-
den Bewegung liegen und die, durch das Lichtbild fest-
gehalten, uns nur einen höchst lahmen, unkünstlerischen,
unmalerischen Eindruck machen. Am besten konnnen
die gemessenen Bewegungen der Schwäne zum Aus-
druck. Die so schwierige Beobachtung komplizirter
Welleninterferenzen wird durch die Momentaufnahmen
gewiß und besonders für den Physiker in erfreulicher
Weise gefördert; der bildende Künstler wird aber nach
wie vor nur mit Erinnerungsbildern beini Befchauer
den Eindruck der Bewegung hervorbringen können; die
Momentausnahmen aber benutze er vorsichtig und mit
Auswahl!

Einen der Kunst näherliegenden Wert scheinen
jene Aufnahmen zu haben, welche Or. Heid nach
lebenden Modellen in solchen Stellungen genommen
hat, die ihrer Natur nach in frischer Unmittelbar-
keit nicht länger ertragen werden können, als höchstens
für die Zeit einer gewöhnlichen photographischen Anf-
nahme. Die Ausstellung giebt einige solche Beispiele,
neben denen sich Photographien von drapirten Mo-
dellen und kleinen Akten finden. Eine gewisse Unmittel-
barkeit läßt sich ihnen nicht absprechen.

Für den Chemiker von großem Jnteresse sind die
transparenten Bilder in verschiedenen Farben von
Itr. Eder und Hauptmann Pizzighelli. Näheres
Eingehen auf das neue Verfahren der beiden Herren
niuß einer der Fachschriften für Photographie überlassen
bleiben, mit denen die Ausstellung durch mehrere Firmen
 
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