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Die neueren Erwerbungen der Dresdener Galerie.
652
Betrachtung zugänglich gemacht werde. Bergl. a. a. O.
S. 192—197. Ob er sich freilich für diese von ihm
vorgeschlagene Restauration noch ferner erwärmen würde,
wenn derselben Hand, welche über den bewußten Palma
vecchio gegangen, auch dieses Meisterwerk überantwortet
werden müßte, möchte ich allerdings bezweifeln.
FUr beinahe ebenso bedenklich wie obengenannten
Lionardo halte ich den ebensalls dem glücklichen Händler
Hirsch um 9000 Mark abgenommenen Thomas de
Keyser, welcher in seiner befremdendcn Glätte mit den
so körnig vorgetragenen Bildern dieses Meisters, wie
man sie aus Frankfurt aM., dem Haag, Berlin und
London kennt, keinen Vergleich aushält. Auf das un-
geschickt gefälschte Monogramm am Sattel sei nur
nebenbei hingewiesen, nachdem es Herr Hübner selbst
wohlweislich unterlassen, dasselbe in seinem Kataloge
zu erwähnen, geschweige denn zu facfimiliren.
Das „einstweilen" unter deni Namen Velazgucz
gehende Gemälde endlich giebt der Dresdener Anony-
mus in dieser Bezeichnung selbst preis, rühmt dagegen
an ihm, daß es „mit seinen sieben lebensgroßen
Fignren" nicht mehr als 12 000 Mark gekostet habe!
Ein recht erbaulicher Maßstab, welcher kiinstlerische
Dinge mit der Elle mißt! Wie viel müßten danach
erst Bilder mit sieben überlebensgroßen Figuren
kosten? Übrigens ist es für eine Galerie von dem
Range der Dresdener keineswegs gleichgiltig, ob sie
einem Gemälde den Namen Velazguez anheftet oder
nicht mit der Entschuldigung: — „wenn es nur gut ist".
Eine öffentliche Sammlung hat zwar vor allem daranf
zu achten, gute Bilder zu erwerben, aber sie darf der
historischen Forschung und der in unserer Zeit so viel-
fach verbreiteten Kennerschast nicht geradezu ins Ge-
sicht schlagen, indem sie ein Bild, welches nach Ant-
werpen gehört, nach Madrid versetzt. Doch was die
Güte anlangt, sind nicht nur Kunstforscher sondern
auch Künstler, welche ich darüber sprechen hörte, der
Ansicht, daß der „einstweilige" Velazguez zwar Farben-
reiz besitze, in der Komposition aber zerstreut und in
der Zeichnung schwach sei. Darum scheint es unstatt-
haft, mit Ausbürdung eines solchen Werkes (bei welchem
man allenfalls an Th. v. Thulden denken kann) den
Namen des größten spanischen Porträtmalers herab-
zuwürdigen.
Soweit die ausführlichere Begründung der von
mir in der Kölnischen Ztg. speziell benannten Miß-
griffe der Dresdener Galerie. Da ich indes noch weiter
ging und auf einen förmlichen Notstand hinwies, was
meinen Gegner veranlaßte, einen ganzen Reigen an-
geblich mustergiltiger Erwerbungen den Lesern der
Augsb. Allg. Ztg. blendend vorzufiihren, so setze ich
ihm meinerseits eine Zusammenstcllnng niinder ninstcr-
giltiger Bilder cntgegen, welche die aus Malern bc-
! stehende Komniission erworben hat. Dazu muß ich
I mir freilich aus seiner Liste wieder einige Nummern
j zurückborgen, wodurch sich die Zahl der einigermaßen
I präsentablen Ankäufe auf 13 herunterdrückt (eigentlich
! tadellos, d. h. der Dresdener Galerie vollig würdig,
^ sind uur der Andrea Mantegna und das Frauen-
! porträt von B. v. d. Helst), gegcnüber von 30 falschen,
> schwachen und zu teuern Bildern, welche ich hiermit
aufzähle:
Falsch sind, Katalog von 1876:
I Nr. 21: Heil. Familie, kein Siguorelli, sondern
wie Lermolieff a. a. O., S. 232 nachge-
wiesen und auch andere, wie Bode und
Frizzoni, schon ausgesprochen, ein Pier di
Cosimo. Preis 11 000 Mark.
Nr. 264n: Die heil. Jungsrau, eine geistlosc Kopie nach
Moretto, für die gleichwohl 6000 Mark
erlegt wurden. Vergl. Lermolieff a. a. O.,
S. 197—200.
Nr. 1815: Tod der Virginia. Angeblich Vvn Hol-
bein, in der That Nachahmung ohne Wert.
Preis 1020 Mark.
Nr. 2355: Herr und Dame zu Pferd. Mäßigc Kopie
nach A. Cuyp, Original bei Mr. Adrian
Hope in London. Preis 10 000 Frcs.
Nr. 2363: Anbetung der Könige. Kopie nach Brue-
ghel. Originalim BelvederezuWien. Preis
2100 Mark.
Nr. 2365: „Sandweg an einem heitern Sommertage".
Angeblich Jacob van Ruisdael, leider
aber nur R. Vries, der mit 13500 Mark,
welche das Bild gekostet hat, denn doch
etwas zu teuer erworben ist.
Nr. 2368: Hille Bobbe hinter ihrem Fischkram. Nicht
vom alten Frans Hals, sondern Höchstens
von FransFranszoon. Jn den Figuren
fast bis znr Roheit derb nnd outrirt. Preis
2090 Fl. holl.
Nr. 2372: Zwei Frauen in einer Küche, mit der ge-
fälschten Bezeichnung N. Maes, ist ein
verdorbener Breklenkam und einer Ga-
lerie wie der Dresdener unwürdig. Preis
462 Fl. holl.
Nr. 2381: Madonna mit Kind und Heiligen, angeb-
lich ein Andrea del Castagno ist eine
Croute, kostete aber 1200 Mark. Lermolieff
a. a. O., S. 239 nennt es „langweilig und
schwach", indem er sich dabei eines Senesen
erinnert, dessen Namen er aber seinem Ge-
dächtnis nicht eingeprägt, da ihm der Mann
zu unbedcutend erschien.
illr. 2383: Madonua in Trono, svll ein Gentile da
Fabriano sein, was aber eine starkeSelbst-
Die neueren Erwerbungen der Dresdener Galerie.
652
Betrachtung zugänglich gemacht werde. Bergl. a. a. O.
S. 192—197. Ob er sich freilich für diese von ihm
vorgeschlagene Restauration noch ferner erwärmen würde,
wenn derselben Hand, welche über den bewußten Palma
vecchio gegangen, auch dieses Meisterwerk überantwortet
werden müßte, möchte ich allerdings bezweifeln.
FUr beinahe ebenso bedenklich wie obengenannten
Lionardo halte ich den ebensalls dem glücklichen Händler
Hirsch um 9000 Mark abgenommenen Thomas de
Keyser, welcher in seiner befremdendcn Glätte mit den
so körnig vorgetragenen Bildern dieses Meisters, wie
man sie aus Frankfurt aM., dem Haag, Berlin und
London kennt, keinen Vergleich aushält. Auf das un-
geschickt gefälschte Monogramm am Sattel sei nur
nebenbei hingewiesen, nachdem es Herr Hübner selbst
wohlweislich unterlassen, dasselbe in seinem Kataloge
zu erwähnen, geschweige denn zu facfimiliren.
Das „einstweilen" unter deni Namen Velazgucz
gehende Gemälde endlich giebt der Dresdener Anony-
mus in dieser Bezeichnung selbst preis, rühmt dagegen
an ihm, daß es „mit seinen sieben lebensgroßen
Fignren" nicht mehr als 12 000 Mark gekostet habe!
Ein recht erbaulicher Maßstab, welcher kiinstlerische
Dinge mit der Elle mißt! Wie viel müßten danach
erst Bilder mit sieben überlebensgroßen Figuren
kosten? Übrigens ist es für eine Galerie von dem
Range der Dresdener keineswegs gleichgiltig, ob sie
einem Gemälde den Namen Velazguez anheftet oder
nicht mit der Entschuldigung: — „wenn es nur gut ist".
Eine öffentliche Sammlung hat zwar vor allem daranf
zu achten, gute Bilder zu erwerben, aber sie darf der
historischen Forschung und der in unserer Zeit so viel-
fach verbreiteten Kennerschast nicht geradezu ins Ge-
sicht schlagen, indem sie ein Bild, welches nach Ant-
werpen gehört, nach Madrid versetzt. Doch was die
Güte anlangt, sind nicht nur Kunstforscher sondern
auch Künstler, welche ich darüber sprechen hörte, der
Ansicht, daß der „einstweilige" Velazguez zwar Farben-
reiz besitze, in der Komposition aber zerstreut und in
der Zeichnung schwach sei. Darum scheint es unstatt-
haft, mit Ausbürdung eines solchen Werkes (bei welchem
man allenfalls an Th. v. Thulden denken kann) den
Namen des größten spanischen Porträtmalers herab-
zuwürdigen.
Soweit die ausführlichere Begründung der von
mir in der Kölnischen Ztg. speziell benannten Miß-
griffe der Dresdener Galerie. Da ich indes noch weiter
ging und auf einen förmlichen Notstand hinwies, was
meinen Gegner veranlaßte, einen ganzen Reigen an-
geblich mustergiltiger Erwerbungen den Lesern der
Augsb. Allg. Ztg. blendend vorzufiihren, so setze ich
ihm meinerseits eine Zusammenstcllnng niinder ninstcr-
giltiger Bilder cntgegen, welche die aus Malern bc-
! stehende Komniission erworben hat. Dazu muß ich
I mir freilich aus seiner Liste wieder einige Nummern
j zurückborgen, wodurch sich die Zahl der einigermaßen
I präsentablen Ankäufe auf 13 herunterdrückt (eigentlich
! tadellos, d. h. der Dresdener Galerie vollig würdig,
^ sind uur der Andrea Mantegna und das Frauen-
! porträt von B. v. d. Helst), gegcnüber von 30 falschen,
> schwachen und zu teuern Bildern, welche ich hiermit
aufzähle:
Falsch sind, Katalog von 1876:
I Nr. 21: Heil. Familie, kein Siguorelli, sondern
wie Lermolieff a. a. O., S. 232 nachge-
wiesen und auch andere, wie Bode und
Frizzoni, schon ausgesprochen, ein Pier di
Cosimo. Preis 11 000 Mark.
Nr. 264n: Die heil. Jungsrau, eine geistlosc Kopie nach
Moretto, für die gleichwohl 6000 Mark
erlegt wurden. Vergl. Lermolieff a. a. O.,
S. 197—200.
Nr. 1815: Tod der Virginia. Angeblich Vvn Hol-
bein, in der That Nachahmung ohne Wert.
Preis 1020 Mark.
Nr. 2355: Herr und Dame zu Pferd. Mäßigc Kopie
nach A. Cuyp, Original bei Mr. Adrian
Hope in London. Preis 10 000 Frcs.
Nr. 2363: Anbetung der Könige. Kopie nach Brue-
ghel. Originalim BelvederezuWien. Preis
2100 Mark.
Nr. 2365: „Sandweg an einem heitern Sommertage".
Angeblich Jacob van Ruisdael, leider
aber nur R. Vries, der mit 13500 Mark,
welche das Bild gekostet hat, denn doch
etwas zu teuer erworben ist.
Nr. 2368: Hille Bobbe hinter ihrem Fischkram. Nicht
vom alten Frans Hals, sondern Höchstens
von FransFranszoon. Jn den Figuren
fast bis znr Roheit derb nnd outrirt. Preis
2090 Fl. holl.
Nr. 2372: Zwei Frauen in einer Küche, mit der ge-
fälschten Bezeichnung N. Maes, ist ein
verdorbener Breklenkam und einer Ga-
lerie wie der Dresdener unwürdig. Preis
462 Fl. holl.
Nr. 2381: Madonna mit Kind und Heiligen, angeb-
lich ein Andrea del Castagno ist eine
Croute, kostete aber 1200 Mark. Lermolieff
a. a. O., S. 239 nennt es „langweilig und
schwach", indem er sich dabei eines Senesen
erinnert, dessen Namen er aber seinem Ge-
dächtnis nicht eingeprägt, da ihm der Mann
zu unbedcutend erschien.
illr. 2383: Madonua in Trono, svll ein Gentile da
Fabriano sein, was aber eine starkeSelbst-