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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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675

Vermischte Nachrichtsn. — Zur Abwshr.

676

dritte Jahrtausend hinaufreicheuden Vorstufen der Gewölbe-
baukunst in Luft- und Brandziegeln, welche Ägypten und
Westasien überliefert habeu, ging es zu dem Nachweise über,
daß weder Etrurien noch das alte Rom einen begründeten
Anspruch hcitten, den für die weitere Entwickelung der Monu-
mentalbaukunst so folgenreichen Schritt gethan zu haben, da
die als Beweismittel gebrauchten bekannten Baureste zu Rom
und Volaterrä erst den beiden letzten vorchristlichen Jahr-
hunderten angehören. Der Ruhm, bahnbrechend vorange-
gangen zu sein, gebühre Griechenland. Vom Schlusse des
5. Jahrhunderts sei der Erfinder oder richtiger der wissen-
schaftliche Behandler des neuen Prinzips bekannt, seit dsr
Mitte des 4. Jahrhunderts treten die ersten Denkmäler her-
vor. Eines der wichtigsten sei der geheime Stadioneingang
zu Olympia; ihm folgen als weitere Beispiele wertvolle und
teilweis sehr wohl erhaltene Baureste in Stratos, Sardes,
Knidos, Samothrake, Pergamon, Sikyon u. a. Hiernach sei
man berechtigt, die erstei, Anfänge deS Werksteingewölbe-
baues in den Beginn des 4., die weitere Entwickelung in
das 3. Jahrhundert zu stellen, bei welcher die kunstpflegenden
Höfe der Ptolemäer und Attaliden eine besondere Rolle
gespielt haben. — Herr Schliemann, der als Gast an-
wesend war, trug 5ie Resultate seiner Ausgrabungen in
Orchomenos vor und erläuterte dieselben durch Vorlage von
Zeichnungen. — Zum Schluß besprach Herr Dörpfeld,
welcher, von Olympia zurückgekehrt, als Gast der Sitzung
beiwohnte, das von den Geloern in Olympia erbaute Schatz-
haus, das erste bisher bekannte altgriechische Bauwerk, dessen
steinerne Geisa mit bemalten Terrakotten verkleidet war.
An eine genauere Beschreibung dieser kastensörmigen, mit
eisernen Nägeln befestigten Thonstücke knüpfts er die Mit-
teilung, daß ähnliche Verkleidungen alter dorischer Stein-
bauten mit Terrakotten in fast allen griechischen Städten
Siciliens und Großgriechenlands vorkommen. Als Beispiele
dieser bisher unbekannten Jnkrustationstechnik hob er unter
Vorlegung von Zeichnungen den alten Tempei 6 in Selinus
hervor, dessen Geison und Sima ganz anders, als man bis-
her angenommen, restaurirt werden muß.

Dem Kunstverlage von Nud. Schuster (stüher C. G.
Lüderitz) in Berlin, ist vom Senat der königlichen Akademie
der Künste auch für die diesjährige Kunstausstellung die
Herausgabe des illustrirten Kataloges übertragen worden.
Der vorjährige Katalog hat in allen Kreisen, namentlich
auch in denen der Künstler, solche Anerkennung gefunden.
daß der Wunsch der Verlagshandlung, durch rechtzeitige Zu
sendung von Zeichnungeu der auszustellenden Kunstwerke
von seiten der Künstler unterstützt zu werdeu, jede Em-
pfehlung verdient.

Zur Abwehr.

Herr Direktor v. Werner in Berlin hat die Aufmerk-
samkeit gehabt, mir Nr. 29 der „Gegenwart" mit einem
„Offenen Briefe" an mich zuzuschicken, welcher, au nieinen in
der „Kunstchronik" vom 23. Juni abgedruckten Aufsatz an-
knüpfend, mich u. a. darüber belehren soll, „daßSchmähungen
kein Crsatz für Beweise oder Gründe sind"; und in der
That, hätte ich an der Wahrheit dieses Lehrsatzes bisher ge-
zweifelt, so würde ich mich vor der Beweiskraft der schrift-
stellerischen Leistungen des Herrn v. Werner beugen müssen.
Da ich jedoch in diesem Punkte stets seiner Ansicht gewesen
bin, und er den Strsitpunkt zwischen uns, seine vor längerer
Zeit an derselben Stelle kundgegebenen Ansichten über den
Zweck öffentlicher Kunstsammlungen, stillschweigend aufrecht
erhält, könnte ich mich auf disse einfache Empfangsbestäti-
gung beschränken, wenn nicht einige Mißverständnisse, zum
Teil auf meines Hsrrn Gsgners, zum Teil auf meiner Seite,
zu berichtigen wären. Jch habe nämlich durchaus nicht die
Absicht gehabt oder zu erkennen gegeben, mit ihm in eins
„Polemik" einzutreten; ich habe mich mit seiner „Person"
nur so weit beschäftigt, als er selbst diese und seine amtliche
Stellung ins Spiel gezogen hatte; gänzlich fern lag es mir,
Herrn vr. Bode „unterstützen" zu wollen, denn hätte dieser
eine Antwort auf Herrn v. Werners Angriff für nötig ge-
halten, so würde er selbst eine völlig genügende gegeben
haben, davon scheint auch Herr v. Werner überzeugt zu sein;

am allerwenigsten aber konnte nach Jnhalt und Form des
beregten Artikels „Kunstgelehrte oovtra Künstler" mir der
Versuch einfallen, den Verfasser „zu widerlegen und zu
überzeugen". Daß er den Ton meines Aufsatzes „vielleicht
für Schmähschriften niedrigen Ranges geeignet" (nicht ein-
mal mittleren Ranges, es ist niederdrückend!), meine Ver-
gleiche „unpassend" findet u. s. w, finde ich meinerseits ja
ganz natürlich. Jch habe lediglich über die merkwürdige Er-
scheinung gesprochen, daß gerade in der Zeit, in welcher die
Verwaltung der Berliner Museen sich so hervorragende, welt-
berühmte Verdienste um diese Jnstitute und um die Kunst
überhaupt erworben hat, sie Gegenstand fortgesetzter gehässi-
ger Angriffe geworden ist, in welchen mehr oder weniger
unverhüllt der Ersatz der gegenwärtigen Galeriedirektoren
durch Künstler gefordert würde, weil diese als solche und
zwar sie allein zu einem Urteil auch über ältere Kunstwerke
berechtigt seien. Und an dieser merkwürdigen Erscheinung
mußte als das Merkwürdigste und Bedauerlichste hervorge-
hoben werden, daß der Direktor der Akademie der Künste
in Berlin sich an dem Zeitungssturm zu beteiligen für an-
gemessen gefunden hatte.

DieZusammenstellung des Genannten mit einemBerliner
Korrespondenten der Augsburger „AllgemeinenZeitung" hatte
ihren Grund in der allgemein aufgefallenen Übereinstimmung in
den AuslassungenBeider. (Wären mirdieverschiedenenBläiter
zur Hand, so würde ich diese Übereinstimmung durch wörtliche
Citate belegen können.) Daß speziell Herr v. Werner in seiner
so leidenschaftlichen Erörterung sich auch auf Erlasse seiner
Behörde bezog, verleitete mich und zahlreiche Leser zu der An-
nahme, er wolle noch andere Personen als den vr. Bode
treffen. Das nun war mein Jrrtum, und ich konstatire mit
Genugthuung die ausdrückliche Erklärungdes Herrn v.Werner,
er habe überhaupt gar keine Person treffen wollen, sondern
einzig und allein „übsr ein Kunstwerk seine persönliche
Meinung ausgesprochen und an einem kunstwissenschastlichen
Artikel Kritik geübt". Weshalb hat er das nur nicht gleich
gesagt, damit man gewußt hätte, daß die Feder mit ihm
durchgegangen ist. Das begegnet auch Leuten, welche ge-
wohnt sind, dieselbe zu gebrauchen, und so wäre allen „un-
würdigen Jnsinuationen" vorgebeugt gewesen. Allein damit
nicht genug, er fragt mit ergötzlicher Emphase, „welche Künst-
lerbekanntschasten" ich haben müsse, um die Behauptung zu
„wagen", daß ein aller Wissenschaft, ja aller höheren Bil-
duag feindseliger Geist unter den Künstlern immer mehr um
sich greise. Dieies Pathos ist so erschütternd, daß man sich
zu der Gegenfrage versucht fühlen könnte, welche Schau-
spielerbekanntschaften Herr v. Werner habe? Und daran
wird die Aufforderung geknüpft, Namen zu nennen! Auf
diesen Einfall darf sich Herr v. Werner wirklich etwas zu
gute thun, obwohl das Genre nicht neu ist, vielmehr schon in
den „Piccolomini" (II, 7) seine Klassifikation erhalten hat.
Sollte übrigens Herr v. Werner nicht die heitere Anekdote
von einem Maler kennen, welcher das Ansinnen, die Galerien
Doria und Borghese zu besuchen, mit den Worten ablehnte,
er habe für die alten Schwarten keine Zeit übrig, sei auch
in der Heimat schon vor denselben gewarnt worden! Die
Geschichte ist freilich schon et«a zehn Jahre alt, aber in Rom
und an anderen Orten noch unvergessen. War sie Herrn
v. Werner noch fremd, so wird er mir für die Mittsilung
gewiß dankbar sein, und in dieser Hosfnung freue ich mich,
beim Abschiede wieder auf einem Punkt angelangt zu sein,
wo wir uns verstehen.

Der Vollständigkeit halber mutz noch erwähnt werden,
daß im „Deutschen Montagsblatt" ein Herr Willibald
König um derselben Sache willen mir und der „Zeitschrift
sür bildende Kunst" eine Strafpredigt gehaltsn hat, — ver-
mutlich die Arbeit eines jener Zulitage, deren außergewöhn-
liche Temperatur sich auch in Berlin fühlbar gemacht hat.

B. Bucher
 
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