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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Die Dresdener Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0344

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Die Dresdener Kunstausstellung,

Sage und Dichtung anknüpfen. Eine gewandte Tech-
nik, überhaupt Talent, bekundet ein Dornröschen von
Harald Friedrich; nur erweist sich die realistische,
mit der vollen Kraft. der Farbe wirkende Behandlung
des Künstlers zu derb für den zarten Märchenstoff.
Von Oskar Begas in Berlin sinden wir ein Gretchen
am Brunnen, das bei mancherlei sonstigen Vorzügen
im Ausdruck doch nicht glücklich ist und nicht ganz
deni Bilde entsprechen will, welches der Beschauer in
seinem Jnnern von dieser holdseligsten Frauengestalt
Goethe's mitbringt. Ebenso ist die Jphigenie.auf Tauris
von Ed. Hübner (Berlin) zu modern empfunden und
zu weit von der einfachen Größe entfernt, in welcher
Feuerbach die griechische Königstochter auf das Meer
hinausblicken läßt.

Die Berührung des antiken Stoffgebietes giebt
uns Anlaß, hier von einem distinguirten Gaste Akt zu
nehmen, der mit Vorliebe die Motive zu seinen
Bildern dem antikcn Leben entnimmt. Dieser Gast,
der zum erstenmal unsern Salon beschickt, ist Laurens
Alma-Tadema in London. Das kleine Bild, durch
welches er sich den hiesigen Kunstfrennden vorführt,
stellt, in der Vorhalle eines rvmischen Hauses, zwei
voneinander abschiednehmende und sich küssende weibliche
Gestalten dar, von welchen die eine noch im mädchen-
hasten Alter steht, die andere eine reifere Franener-
scheinung ist. Ein Gespann hält vor der Thür, und
im Hintergrnnde blaut das Meer. Die Situation
kommt klar und farbenfrisch zum Ausdruck, auch kann
man im allgemeinen die Arbeit als bezeichnend sür
Tadema's Ausfassungsweise derartiger Gegenstände gel-
ten lassen; eine intimere Bekanntschaft mit des Künst-
lers originellem Talente jedoch, einen tieferen Einblick
insbesondere in seine pikante Behandlungsweise, in die
feine Durchbildung seiner Gestalten, vermochte das aus-
gestellte Bildchen nicht zu bieten.

Die Schilderung des antiken Kleinlebens, wie sich
dieselbe unter den Händen Tadema's und namentlich
derfranzösischen „Neugriechen" entwickelte,hat inDeutsch-
land auffallend wenig Anklang und Nachfolge gefunden;
dafür wächst hier mit jedem Tage die Künstlerschar,
welche das Sittenbild der Gegenwart und der maleri-
schen Renaissancezeit kultivirt. Viele ansprechende Bil-
der dieser Art sind eingegangen. Durch gute Beobach-
tung, lebendige Charakteristik und koloristischen Reiz
zeichnen sich darunter die Arbeiten der Münchener
Hugo Kauffman, W. Roegge, Adolf Eberle nnd
Jos. Weiser aus; durch ein haltungsvolles Verschmel-
zen des figürlichen Motivs mit der Landschaft glänzen
die Bilder von B. Braun, A. Kappis und Jul.
Noerr. Jm grcllen Gcgensatze zu diefen frischen, an-
mntigen Darstellungen steht in seinem unerquicklichen,
wahllosenNaturalismus ein Bild von M. v. Sch mädel,

„Die Klostersuppe" betitelt. "Gleichgiltig, wie an so
mancher anderen verfehlten Produktion, würde man an
einer inGedanken versunkenen DamevonA.Holmberg
vorübergehen, wenn nicht die Weder durch den Gegen-
stand, nock durch die Auffassung gerechtfertigten an-
spruchsvollen Bilddimensionen die Kritik herausforder-
ten und die Jnhaltslosigkeit und Schwäche der Arbeit
um so fühlbarer machten. Zu den gelungeneren Leistungen
der Münchener Genremalerei gehört noch ein Bild von
Gustav Jgler, das unter dem etwas gesuchten Titel „Die
erste Konkurrenz" eine Wochenstube darstellt, in welcher
einem kleinen Buben das neuangekommene Brüderchen
präsentirt wird. Das hübsche Bild ist vom Dresdener
Albert-Verein angekauft worden, welcher noch ver-
schiedene andere Ankäufe zu der von ihm projektirten
Kunstlotterie gemacht hat. Unter letzteren befindet sich
ein lanniges Bild von E. Freiesleben in Weimar, auch
eine Darstellung ausderKinderwelt vonW.Hasemann
in Karlsruhe, die ein wenig flau in der Farbe, aber
lebendig und glücklich im Ausdruck ist. Die Düssel-
dorfer Genremalerei wird auf der Ausstellung am
vorteilhaftesten durchH. Oeh'migen und H. Plathner,
die Wiener dnrch Fr. Friedländer und R. Haus-
leithner vertreten. Unter den Berliner Zusendungen
erfrenen hauptsächlich Paul Thumanns reizende Kom-
positionen zu Chamisso's „Lebensliedern und Bildern".
Jn ähnlicher Ausführung, Grau in Grau, giebt Erwin
Oehme vier Jllustrationen zu Tsgners „Abendmahls-
kindern". Durch letzteren Künstler zu unseren einheimi-
schen Genremalern geführt, heben wir unter denselben
noch A. Stichart hervor, der in seinem „Trio" ein
gefälliges Bildchen lieferte; ferner W. Claudius,
dessen „Jnquisition am Stadtthor" wenigstens mit
Humor aufgefaßt ist; ebenso mögen einige Atelierbilder
von A. Schröder, L. v. Haase und A. Leonhard
genannt sein, die ihre Motive in die malerische Tracht
früherer Jahrhunderte gekleidet haben und, wenn auch
noch etwas bunt in der Farbe, nicht ohne Verdienste
sind. Letztere Bilder lassen den Einfluß von Pauwels
nicht verkennen, während ein paar ebenfalls noch er-
wähnenswerte Arbeiten von G. M. P eixotto von der
Lehrthätigkeit Große's Kunde geben.

Anch von der Vorliebe unserer Zeit für die Land-
schaftsmalerei zeugt die Ausstellung. Viel Talent und
ein tüchtiges Können tritt uns in den Leistungen dieses
Faches entgegen. Wie durch Genrebilder, so hat sich
München auch durch Landschaften lebhaft an der Aus-
stellung beteiligt. Sehr schätzbare Arbeiten darunter
sind Jos. Wengleins Jsarthallandschaft, L. Will-
roiders Waldbrand und I. G. Stesfans Partie
aus dem Berner Oberlande, ein Bild, welches die sorg-
samste Durchbildung des Details zeigt, ohne daß die
Wahrheit des Gesamteindrucks darunter zu leiden
 
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