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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Aus dem Briefwechsel des Grafen Athansius Raczynski mit Wilhelm von Schadow
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Aus dem Briefwechsel des Grafen Athanasius Raczynski mit Wilhelm von Schadow

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Tat etwas Großartiges hat, in Deutschland in wissen-
schaftlichen Dingen etwas Seltenes« (Schadow an
Raczynski). Für die in Umrissen beizugebenden Ab-
bildungen wünscht Raczynski den Stich einer Schadow-
schen Zeichnung mit den klugen und törichten
Jungfrauen1), das er selbst als Gemälde von dem
Künstler für 500 Rthlr. bestellt. Von einer Warnung
glaubt Schadow nicht ganz absehen zu sollen.
(9. April 1839):

. . . Sehr viel schöne und große Unternehmungen,
wie mir die Ihrige in der That erscheint, habe ich nur
halb gelingen sehen, weil die Unternehmer zu feurigen
Geistes waren; ich glaube, daß dies, bei Kunstunter-
nehmungen, der einzige Fehler des Königs von Bayern ist.

Raczynski an Schadow.

Berlin »6 April 1835.
Sie mögen vollkommen recht haben, mein verehrtester
Herr Director: es gehen mir sehr viele Eigenschaften ab
um ein ganz gelungenes Werk zu liefern; aber wissen Sie
wohl, daß wenn Sie bei der Geringfügigkeit meines Talents
und bei den unzähligen Wiederwärtigkeiten, mit denen
ich zu kämpfen habe, mir dennoch die Hoffnung lassen,
halb zu gelingen, Sie mir ein Zugeständniß machen,
welches ich mit Dank annehme, und welches ich nur
Ihrer gewohnten Nachsicht zuschreibe. . . .

Den ersten Band seines Werkes widmete der
Graf Schadow; in einem Briefe vom 13. Februar 1837
bittet er ihn deswegen gewissermaßen um Entschul-
digung, weil er nicht vorher angefragt:

. . . »Lassen Sie mir durch Nachsicht und wohlwollende
Aufnahme die lebhafte Bewunderung, welche ich für das
Große und Schöne, was in Düsseldorf unter Ihrem Einfluß
so herrlich sich entfaltet, empfinde . , .

Schadows Dank datiert vom 11. März 1837:

». . . Die ganze hiesige Künstlerwelt stimmt darin
überein, daß bisher in deutscher Sprache kein so reich
ausgestattetes Werk erschienen, alles ist höchlich erfreut
und verspricht sich den günstigsten Erfolg für die vater-
ländische Kunst.

Bisher habe ich nur Zeit gefunden, die Einleitung und
einen Theil der Charakteristik der hiesigen Maler zu lesen.
Erstere zeugt von vielen filosofischem Talente und letztere
ist interessant, wenngleich für mich nicht immer durchaus
wahr. Eine nähere Beurtheilung des Ganzen muß ich
mir jedoch noch vorbehalten, wenn ich mit Muße alles
gelesen haben werde.

. . . »Habe ich etwas Förderndes in meiner Sache
geleistet, so finde ich meine schönste Genugthuung darin,
daß es von so kunstbegeisterten Männern, als Ew. Hoch-
geboren sich durch die Herausgabe dieses Werkes zeigen,
anerkannt wird . . .

Es ist unser allgemeiner Wunsch, daß Ihr Werk so
viel gekauft werde, daß nicht finanzielle Rücksichten Ew.
Hochgeboren von der Vollendung desselben abhalten
möchten. Bis jetzt ist leider von den höchsten und vor-
nehmsten Klassen Deutschlands (wenn man den König
von Bayern ausnimmt) für deutsche Malerei fast nichts
geschehn. Mein herzlichster Wunsch ist, daß Ihr Beispiel
Nachahmer finden möchte und daß die Opfer, welche Ew.
Hochgeboren der deutschen Kunst bringen, nicht als zu
hoch angesehn werden möchten.«

1) Nach dem Karton 1838 vom Städelschen Kunst-
institut bestellt, 1842 vom Künstler selbst gekauft.

Englische Eindrücke schildert ein Brief des Grafen
vom 6. August 1838:

». . . Von der englischen Malerei bin ich nicht er-
baut, doch lebt dort ein Historienmaler Eastlake, dessen
künstlerische Natur dem Paris Bordone in Farbe und in
Anordnung dem Giorgione verwandt ist: eine liebens-
würdige künstlerische Natur. Landseer als Thiermaler hat
seines gleichen nie und nirgends gehabt. Wilkie war als
Genre-Maler unübertrefflich, leider schmiert und sudelt er
jetzt Historie. Staufield ist mir als Landschafter der liebste:
seine Verdienste sind nicht nur in Beziehung auf seine
Mitbewerber beachtungswerth, sondern sie haben einen
positiven Verdienst. Turner, malt, als wenn er betrunken
wäre1) . . .

Schadow an Raczynski.

2g. Sept. 1838.
Ew. Hochgeboren sehr freundliches Schreiben vom
io*en Sept. fand ich bei meiner Rückkehr aus Belgien,
woselbst ich mit Hildebrandt, Köhler und Ebers gereist
war. In siebzehn Tagen haben wir uns bemüht, das Be-
deutendste alter und neuer Kunst durchzusehen und in
der That viel Genuß davon gehabt. — Das edlere, tiefere
und in jeder Beziehung solidere gehört der alten Schule
von Eyck, Hemelinck (jetzt Memelinck), Quinten Meßis an.
Das Genie des Rubens, des Vandyck ließen die vielfachen
Mängel ihrer Richtung weniger bemerken, in ihren Nach-
folgern tritt das Falsche derselben kraß hervor. Unter
den gegenwärtigen Künstlern scheinen mir die talentvollsten
Wappers u. Kaiser zu Antwerpen, Historienmaler, und
Verboeckhofen zu Brüssel, hauptsächlich Thiermaler. Beide
ersteren Wappers 34 Jahr, Kaiser 24 Jahr, sind große
Talente, beide müssen jedoch ihrer Richtung nach immer
mehr sinken. (Da sie dem Rubens in ihren meisten Sachen
doch nur abgesehn zu haben scheinen, wie er sich räuspert
und wie er spuckt.) Beide weisen die ganze sie umgebende
Malerwelt, wie deutlich aus ihren Ausstellungen zu sehn,
in's Verderben. Es ist interessant genug, daß Sie, Herr
Graf, es mit eigenen Augen sehn möchten, da eigentlich
ein Appercu in Ihrem Werke nicht fehlen dürfte. Verboeck-
hofen hingegen macht eine merkwürdige Ausnahme, er
ist einer der solidesten Künstler, welchen ich überhaupt
kennen gelernt, bedauert und erkennt das Verderben seiner
(historienmalenden) Kunstgenossen, wie Sie selbst wohl
jetzt aus eins seiner größten Bilder, welches auf der Ber-
liner Ausstellung ist, erkennen werden. Außerdem sind
einige Kleinmaler (Genre und Landschaft) da, denen man
ein talentvolles und redliches Streben nicht absprechen kann.

Auf eine Anfrage des Grafen, wie hoch er seine
»Caritas« und die »Herodias« schätze, erwidert Scha-
dow, daß er ihm zur Caritas als einer künstlerisch
wenig bedeutsamen selbst nicht raten könne; bei
der Herodias wolle er sich zu einem Preise von
130 Friedrichsd'or verstehen. »Ich würde inbezug
auf Geldangelegenheiten nicht so gründlich zu Werke
gehen, wenn mich das neugebaute Haus, dessen Un-
kosten sehr weit über meine ursprüngliche Absicht
gehen, nicht zur größten Aufmerksamkeit in den
Finanzen bewegten. Wenn ich mein Vermögen nicht
anreißen will, muß ich sehen etwas zu erwerben.«

Raczynski akzeptiert den Preis und bittet, das
Bild gleich in seiner Galerie aufstellen zu dürfen.
»Es wird nicht versteckt.«

1) Vgl. Goethe: Das Antike ist nüchtern, modest, ge-
mäßigt, das Moderne ganz zügellos, betrunken. (D. H.)
 
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