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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Aus dem Briefwechsel des Grafen Athansius Raczynski mit Wilhelm von Schadow
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Aus dem Briefwechsel des Grafen Athanasius Raczynski mit Wilhelm von Schadow

86

Raczynski an Schadow.

Berlin 28. Okt. 1838.
. . . Wenn Ihr Bild im Sommer in Ihre Hände geräth
und Sie es mit frischen Augen betrachten, werden Sie
vielleicht an dem rechten Arm der Herodias etwas aus-
zusetzen finden. Sie werden vielleicht finden daß dieser
Arm etwas steif ist. Ich bestehe aber auf meiner Meinung
gar nicht. Meine Eindrücke sind keine Orakelsprüche. Finden
Sie daß ich Recht habe, so verbessern Sie den Arm.
Finden Sie es nicht, so lassen Sie ihn wie er ist. Jeden-
falls werde ich das Bild mit Firniß nicht überziehen.

Schadow an Raczynski.

Düsseldorf 3. Nov. 1838.
Die Bemerkung, welche Ew. Hochgeboren über den
rechten Arm der Herodias äußern, wage ich auf folgende
Weise zu erwidern. Es schien mir nehmlich in der Natur
des beabsichtigten Affektes, nehmlich des Zurückschauderns
zu liegen, daß die Arme ganz gestreckt seyn mußten.
Sollte daher nicht vielleicht das Unverständliche und Un-
befriedigende mehr in der Bewegung der Finger liegen?
— Versuchen Sie einmal selbst zum Spaß die Bewegung.
Es kommt hier doch noch mehr auf das Charakteristische
als auf das absolut Graciöse an, und ich bin zu sehr da-
von durchdrungen, daß wenn ersteres völlig befriedigend
gelöst wäre, der Beschauer garnicht an das graciöse denken
würde.

Raczynski an Schadow.

Berlin 25. Nov. 1838.
Mein verehrter Herr Director!
Diese Zeilen haben keinen andern Zweck, nur Ihnen
zu sagen, daß seit dem die Herodias ihren Platz in meiner
Gallerie eingenommen hat, mir nichts mehr zu wünschen
übrig blieb und ich an den Armen ebenso wenig als an
allem übrigen auszusetzen habe. Ich dachte mir, daß
Ihnen diese Erklärung von mir angenehm sein wird, daher
ich auch nicht säume solche abzulegen. Von allen neuen
Öhlbildern, die ich besitze, ist mir Ihre Herodias das liebste.

In bezug auf die Schilderung, die der Graf in
seinem Werke von dem Münchener Kunstleben ent-
wirft, schreibt Schadow (29. Nov. 1840):

Eigentlich ergänzen sich die Schule von München1 und
die von Düsseldorf. Was die eine für das öffentliche
Leben leistet, leistet die andre für das Privatleben. - Doch
stehn wir jetzt an der Grenze, auch etwas für das öffent-
liche Leben zu schaffen indem die Arbeiten für die Apol-
Imariskirche und für den Aachner Saal von hier ausgehn
werden.

Hiezu kommt die Wahrscheinlichkeit, daß Steinte von
Frankfurt hierherkommen wird, um in der Franciskaner-
kirche eine große Wand hinter dem Hauptaltar, welcher
in einen einfachen Tisch verwandelt ist, auszumalen. —

Man liest in den Zeitungen viel von den immensen
Bestellungen des Königs im Gebiete der Plastik auch
weiß ich aus guter Quelle, daß Cornelius nach Berlin be-
rufen, woran Se. Majestät sehr wohl gethan. Wenn der
König im nächsten Frühjahr an den Rhein kommt, so
hoffe ich, daß diese Frühlingssonne uns auch einige De-
lebende und erwärmende Strahlen bringen wird.

Als ich nach so langer Abwesenheit und nach so
vielen Betrachtungen alter und neuer Kunstwerke hierher
zurückkehrte, war ich eigentlich nur durch eine bacne
frappiert und das waren die wirklich trefflichen Gern

mit Fug und Recht Roberts Moissonneurs zur Seite und
wenn Robert vielleicht durch die Schönheit seines Vor-
wurfs noch mehr reizt, so darf man wohl behaupten, daß
Becker noch tiefer charakterisiert. — Dies ist ein voll-
kommnes Bild.

Außerdem sind jetzt mehrere schöne Genrebilder in
Arbeit. — Selbst solche, von denen ich früher nichts grade
Außerordentliches erwartete, wie Meyer von Bremen1) und
Körner von Braunschweig2) machen Sachen, die vielleicht
dem Wilckie gleichkommen könnten.--

Die letzten Briefe beziehen sich auf die Berliner
Kunstausstellung von 1840, bei der ein scheinbar
ostentatives, fast gänzliches Fernbleiben der Düssel-
dorfer Künstler allgemein aufgefallen war. Schnaase
unternahm es, in einem Aufsatz der Staatszeitung die
Düsseldorfer zu rechtfertigen; aber der Aufsatz er-
scheint dem Grafen »ermüdend und unklar«, und er
will nicht entscheiden, auf wessen Seite das Recht
ist. Eifrig aber bemüht er sich, die Mißverständnisse
zwischen beiden Parteien zu beseitigen und redet
einer ausreichenden Vertretung der Düsseldorfer Kunst
in Berlin das Wort:

Es ist wahr daß Düsseldorf mehr, Wichtigeres und
Schöneres im Gebiete der Malerei leistet als Berlin; aber
Berlin ist nun einmal das Centrum alles preußischen Wir-
kens, der Sitz der Regierung und die königl. Residenz. Der
König will das Gedeihen der Kunst. Er hat wohl das
Recht zu hoffen, daß man sich aus seinem Beifall etwas
mache . . . Man muß ihm und dem Ministerium schon die
Bilder hierher schicken. Es ist, glaube ich, Sache des
Anstandes, des Nutzens und auch, monarchisch verstanden,
eine Gerechtigkeit und Pflicht. — Es wäre vielleicht wün-
schenswerth, wenn ein besonderer Saal in der Berliner
Ausstellung den Düsseldorfern angewiesen wäre, und die
Gemälde von jemand placiert werden möchten, der das
Zutrauen der Düsseldorfer besitzt. Wenn das nicht ge-
schieht, so wird der Streit und Hader nie aufhören, und es
wird schwer hier zu entscheiden, ob die Prätensionen
oder der Neid mehr zu tadeln und zu bekämpfen sind.

Ich bitte, sagen Sie niemand, daß ich Ihnen diese
Meinung mitgetheilt habe, und vernichten Sie gegenwärtiges
Schreiben. Ich habe kein Recht, mich in Sachen zu mischen,
die mich gar nichts angehen. Ich thue es, weil ich sehr
wünsche, daß der Friede hergestellt werde. Auch bitte
ich Sie, sich nicht erst die Mühe zu geben, mir zu ant-
worten. Sie werden schon wissen, ob und inwiefern von
meiner Meinung Nutzen zu ziehen ist: ich weiß es wahr-
lich nicht; denn wer in der ganzen Welt hat wohl das
Recht, sich für unfehlbar zu halten? . . .

Vom 23. März 1841 ist der letzte Brief Schadows
datiert, in dem er die Absendung einiger Bilder an-
zeigt, die Raczynski in seiner Galerie ausstellen wollte,
und zugleich den Wunsch ausspricht, daß sie der
König sähe, dem »man sie nötigenfalls auf das Schloß
schicken« könne. Mit der Notiz des Grafen: »Am
8ten gemeldet, daß der König die Bilder gesehen«
schließt der Briefwechsel.

bilder.

Das Bild von Becker: Die Erndte stellt sich

1) Johann Georg Meyer (von Bremen), * 1813, f 1886.

2) Friedrich Alexander Körner, * 1815, t um l85°-
 
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