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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0063

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Bücherschau

110

formen und Draperien, trotz der feineren Behandlung der
Dürerschen Zeichnung, miteinander übereinstimmen, sowohl
die Gesichtsbildung des Orpheus, als auch die Muskulatur
seines Rumpfes betreffend, zu Dürers Gunsten ein gründ-
licher Unterschied wahrzunehmen ist. Begreiflich würde
es erscheinen, diese Abweichung für die Einspielung ein-
facher Naturstudien einzurechnen, wie es auch bisher ge-
schehen ist. Die Sache steht jedoch anders. Wir wissen,
daß Dürer in seinem »Herkules« genannten, großen Kupfer-
stiche (B. 73), wo Figuren und Komposition größtenteils
auf die Zeichnung von 1494 zurückzuführen sind, auch
o'lajuolostudien verwertete. Ein ähnliches erfahren wir
ffhon aus der Hamburger Zeichnung. Einer der besiegten
Kampfer auf dem großen Kupferstiche, der nach Pollajuolos
Zeichnung ausgeführt wurde und Herkules' Sieg über die
Giganten darstellt (B.XIII, p. 203,3), entspricht, mit einigen Ab-
weichungen, dem Orpheus des anonymen oberitalienischen
Stiches. Ich möchte darin überhaupt das Urbild des letz-
teren betrachten. Dürer benutzte diese fast schematisch
gezeichnete Figur als Korrektur seiner eigentlichen Vorlage.
Unverändert kopierte er die Bewegung des Orpheus nach
dem anonymen Meister. Bei der Wiedergabe der einzelnen
Körperteile verfuhr er schon bedeutend kritischer. Er bildete
die Muskulatur kräftiger aus und brachte in die Formen
eine strengere Symmetrie hinein. Pollajuolos derber Muskel-
mensch mag ihm dazu als anatomisches Hilfsmittel gedient
haben. In Bewegung und Grundformen des Kopfes und
des Halses wählte er sich dann ausschließlich den Floren-
tiner als Muster. Die Nase, das Kinn und hauptsächlich
der Mund stimmen an beiden Orten so unleugbar überein,
daß in diesem Falle gar nicht von einer allgemeinen Er-
innerung an italienische Studien gesprochen werden kann.
Dürer mußte das berühmte Blatt selbst vor Augen gehabt
haben. Wir betrachten dieses Moment als einen weiteren Be-
weis dafür, daß Dürer, neben Mantegna und anderen, auch
nach dem größten der florentinischen Naturalisten sorg-
same Studien gemacht hat. z- Takäcs.

Die Nachricht vom Einsturz des Klosters Iwiron
auf dem Athos, eine Folge des vor etlichen Tagen erfolgten
großen Erdbebens in dieser Gegend, erregt die Befürchtung,
daß die reichen Handschriftenschätze des Klosters stark ge-
litten haben. Von allen Athosklöstern war Iwiron das-
jenige, das so ziemlich die wertvollsten Handschriften be-
saß, deren wissenschaftliche Verwertung erst gerade be-
gonnen hatte. Von unschätzbarem Werte sind sie z. B.
für das byzantinische Mittelalter gewesen, aber auch spät-
klassische Literatur und Patristik war reich vertreten. Hof-
fentlich erhält man bald über das Schicksal der Sammlung
beruhigende Nachrichten.

Der Sohn Segantinis, Gottardo Segantini, hat der
»N. Fr. Pr.« eine Zuschrift gesandt, in der er gegen die an-
gebliche Verwahrlosung des Grabmals seines Vaters pro-
testiert unter der Begründung, daß der Zustand des Grabes
absichtlich von der Familie, die es sorgfältig und liebevoll
pflege, so gewollt sei, und daß das wilde, naturfreudige
Grab des Meisters durch die Erhabenheit der es umgebenden,
machtvollen Natur, die zu dem künstlerischen Wesen Se-
gantinis stimme, seine tiefste Weihe erhalte. Der Brief
schließt mit folgenden Worten, die wir in der ursprüng-
lichen Schriftweise wiedergeben: »Das wirkliche Denkmal
für meines Vaters Grab ist sein Bild »Glaubens Trost im
Schmerz«, das in Hamburg hängt; denn es wurde an diesem
gleichen Platze gemalt, wo Segantini jetzt ruht. Wer so
eine Symphonie von Farben schaffen konnte, braucht fürwahr
keinen Stein, um die Erinnerung an ihn wach zu erhalten.
Aber wenn wirklich dem Großen gehuldigt werden soll,
so soll man nur in einem gerecht werden, wo man stets
ungerecht war zu seiner Lebenszeit. Ich meine, man sollte

schätzen und würdigen, was noch zu haben ist, und mit
der Tat beweisen, daß er geliebt wird und unter den Aller-
ersten gilt. Die Familie ist zum Glück insofern geborgen,
als sie von der Güte wirklicher Freunde und Kunstmäzene
lebt. Als Sohn des großen Segantini frage ich aber weiter
die Kunstfreunde an, ob es wirklich nicht möglich wäre,
zugunsten der Familie Segantini sich zusammenzustellen
und durch eine Subskription das große Triptychon, woran
sich sein Leben knüpft, für Deutschland oder Österreich zu
kaufen. Es wäre dies eine größere Wohltat für Segantini
und wohl auch eine höhere Genugtuung für diese Kunst-
freunde, als die Errichtung eines Denkmals auf dem Grabe,
das übrigens bereits von Bistolisi in Turin zu Ende ge-
bracht wurde. Chur, den 28. Oktober. Gottardo Segantini.«

BÜCHERSCHAU
Eine neue Zeitschrift. Der Freiburger Münsterbau-
verein hat in diesem Jahre mit der Herausgabe einer Zeit-
schrift unter dem Titel»Freiburger Münsterbläiter« begonnen,
die jährlich zwei Hefte bringen wird und es als ihre Auf-
gabe ansieht, die Erforschung der historischen Vergangen-
heit des Münsters und die Untersuchung seiner Kunstformen
und Kuristschätze zu behandeln. Auf Grund des archiva-
lischen, literarischen und illustrativen Materials über das
Freiburger Münster, das zur Geschichte des Baues reiche,
bis heute noch wenig erschlossene Quellen darstellt, hofft
man mit der Zeit auch die zahlreichen, noch nicht gelösten
Rätsel, die der Bau als architektonisches Werk in seinen
Einzelheiten, dann aber auch durch seine reiche innere
künstlerische Ausstattung bietet, zu klären. So soll neben
dem Sammeln aller Daten über den Bau und seine Erbauer
im engeren und weiteren Sinn speziell Bestimmung und
Wert der künstlerischen Qualitäten erörtert werden, wobei
dem Kunsthistoriker ein weites Gebiet reicher Tätigkeit
eröffnet wird. Bisher erschienen zwei Hefte dieser verdienst-
vollen Zeitschrift, aus deren Inhalt folgende Aufsätze an
dieser Stelle erwähnt zu werden verdienen, weil aus ihnen
am deutlichsten das Programm dieser neuen Zeitschrift
hervorgeht: Der Freiburger Münsterturm. Ästhetisch ge-
würdigt von Bischof Dr. Paul Wilhelm von Keppler. —
Ein »Barmherzigkeits«-Bild Lukas Cranachs d. Ä. im Frei-
burger Münster. Von Münsterarchitekt Friedrich Kempf.
Mit einer Kunstbeilage. — Maria mit dem Schutzmantel
am Freiburger Münster. Von Dr. Engelbert Krebs. —
Der ehemalige Lettner im Freiburger Münster. Von Kunst-
maler Karl Schuster. — Der Freiburger Münsterschatz. Von
Hofrat Professor Dr. Marc Rosenberg. — Ordnungen und
Satzungen der Freiburger Münstergeistlichkeit. Von Stadt-
archivar Dr. Peter P. Albert und Dr. Hermann Flamm. —
Urkunden und Regesten zur Bau- und Kunstgeschichte des
Freiburger Münsters. Von Stadtarchivar Dr. Peter P. Albert.

G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bd. 1.
Mitteldeutschland, 360 S. kl. 8°. Berlin, E. Wasmuth, igoi,
geb. M. 4.—.

Das Buch, dessen Zweck und Entstehungsgeschichte
in dieser Zeitschrift öfter berührt wurde, bereitet in seinem
ersten Bande gewiß allen Beteiligten eine angenehme Über-
raschung: Es ist möglich geworden, alle entgegenstehenden
Schwierigkeiten zu überwinden, und der Bearbeiter hat es
verstanden, die Fülle des Stoffs in ein handliches Reisebuch
zu bannen, das, aus hundert Quellen gespeist, doch ein per-
sönliches, farbiges, charaktervolles Gepräge trägt. Denn
die Grundlagen, die Inventare, sind gerade für Mitteldeutsch-
land so buntscheckig, urteilslos, manchmal rein kindlich,
daß ein bloßes Exzerpt, wie es ja schon Ebe in dem un-
glücklich angelegten »Deutschen Cicerone« gab, zum Er-
barmen langweilig und irrig geworden wäre. Hier aber
 
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