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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0075

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133

Nekrologe

'34

und Quentin Matsys in eine Reihe stellen darf. Die
beiden trefflichsten Meister jener Zeit Enguerand
Charonton und Nicolas Froment sind in Avignon
und in dem auf dem anderen Rhoneufer gelegenen
Villeneuve mit herrlichen Arbeiten vertreten, die ur-
sprünglich für die zur päpstlichen Zeit allüberall er-
richteten Kirchen und Klöster gemalt worden waren
und die dann in ihrer Abgeschiedenheit da unten in
der Provence unbeachtet geblieben waren. Eines der
schönsten dieser Werke, die ebenfalls im vorigen
Jahre im Louvre gezeigte »Beweinung Christi«, von
einem Schüler des Nicolas Froment, wenn nicht von
dem Meister selbst, ist nun von den »Freunden des
Louvre« erworben worden. Das Gemälde gehörte
einer Spitalbruderschaft in Villeneuve, die es zu der
vorjährigen Ausstellung hergeliehen hatte. Es stellt
die Mutter Jesu dar, die den nackten Leichnam des
Sohnes auf den Knieen hält, während zu Häupten
des Meisters Johannes kniet, zu seinen Füßen Magda-
lena sich niederbeugt. In der linken Ecke des Bildes
kniet der Stifter, der mit überaus realistischer Treue
wiedergegeben ist. Abgesehen davon, daß das Ge-
mälde auf Goldgrund gemalt ist und somit etwas
Byzantinisches hat, könnte man es ohne weiteres
irgend einem Niederländer zuschreiben. Bouchot, der
Leiter des Pariser Kupferstichkabinetts und mit dem
Avignoner Abbe Requin, der beste Kenner dieser
Schule, schreibt das Gemälde dem Nicolas Froment
zu. Für die Avignoner bedeutet die Überführung
des Gemäldes nach Paris einen großen Verlust, die
übrige Welt aber wird darüber nicht ungehalten sein.
Wenn man in Avignon verstanden hätte oder ver-
stehen wollte, die Soldaten aus dem päpstlichen
Schlosse zu vertreiben, wo man die hohen Räume
zu Kasernenstuben hergerichtet und die von Simone
Memmi und anderen italienischen Künstlern ausge-
führten Wandmalereien gänzlich zerstört hat, so wäre
dieser mächtige Palast eigentlich der Ort, wo die
große Vergangenheit der Stadt und der Umgebung
durch die Aufstellung ihrer Kunstwerke festgehalten
werden müßte. Nun sich aber Avignon damit ab-
gefunden hat, in Kunstsachen wie in allen anderen
Dingen die Rolle der bescheidenen Provinzstadt zu
spielen, kann man gegen die Entführung seiner Kunst-
werke kaum etwas einwenden.

Bei Georges Petit haben die Pariser Radierer ihre
alljährliche Ausstellung eröffnet,- das heißt nicht die
Radierer schlechthin, sondern nur diejenigen von
ihnen, die farbige Arbeiten schaffen. Hier wie bei
allen ähnlichen Ausstellungen kann man wieder be-
obachten, wie wenig vertraut die meisten Künstler
mit einer besonderen Technik sind. Wenn eine
Lithographie weiter nichts ist als eine vervielfältigte
Zeichnung, mag diese Zeichnung auch noch so gut
sein, so kann ich die Lithographie kaum gut nennen.
Ebenso ist es mit der Radierung. Es handelt sich
nicht darum, die Wirkung des Ölgemäldes oder des
Aquarells nachzuahmen, sondern eine gute farbige
Radierung muß Wirkungen erreichen, die man eben
nur mit der farbigen Radierung und mit keiner
anderen Technik erzielen kann. Geht man von diesem

Gesichtspunkte aus, so findet man in dieser Ausstellung
nicht gerade übertrieben viele gute Radierungen, so
wenig es auch an guten Arbeiten fehlt. Bompard,
der sehr schöne venezianische Veduten zu malen
pflegt, wirkt in seinen Radierungen genau wie ein
Ölfarbendrucker, die übrigens sehr guten Arbeiten
von Boutet de Monvel sehen aus wie farbige Holz-
schnitte, bei den Marinen Chabanians denkt man an
Aquarelle, und die Radierungen von Pierre Waidmann
könnte man für Ölgemälde halten. Bei weitem die
besten Arbeiten sind hier die vier Blätter von Eugen
Delälre, der bekanntlich als Nachfolger seines Vaters
nicht nur Maler und Radierer, sondern auch Drucker
ist. Delätre ist einer der wenigen Künstler, der die
Ressourcen der farbigen Radierung bis in die kleinsten
Einzelheiten hinein kennt, und seine Arbeiten erreichen
denn auch den Gipfel dessen, was man mit der
farbigen Radierung sagen kann. Von den vier
Blättern, die er ausstellt, und die einen Frühlings-
morgen, eine Sommernacht, einen Herbstabend und
einen Wintertag darstellen, ist eines so vollkommen
wie das andere und man weiß nicht, soll man sich
für die helle Lenzesfreude, für die weiße Winterpracht,
für die schwüle Sommernacht oder für die farbensatte
Herbstlandschaft entscheiden. Selbst der gleich daneben
hängende Wintertag Thaulows wirkt nicht ganz so gut
wie das dem nämlichen Thema gewidmete Blatt Delätres.
Sehr schön sind auch die Arbeiten von Jacques Villon,
von Samanos, von Müller, von Osterlind, von Delpy,
von Cottet und besonders von Raffaelli, der in seinen
Ölgemälden nachläßt, während die Radierungen auf
der alten Höhe bleiben. Alles in allem bietet diese
Ausstellung einen neuen Beweis dafür, daß die
Radierung in unseren Tagen wieder einen Gipfel
erreicht hat. Seit den Tagen Meryons, Jacques und
Daubignys ist die schwarze Radierung etwas zurück-
gegangen, trotz Felix Buhot und Bracquemond, trotz
Waltner und Jacquemart. Die farbige Radierung hat
jetzt die Führung übernommen, und die meisten
selbständigen Radierer ziehen sie der schwarzen
Radierung vor. Augenblicklich steht dieser Zweig
der Griffelkünste auf einer Höhe, die selbst von den
farbigen Radierern des 18. Jahrhunderts wenigstens
technisch bei weitem nicht erreicht worden war.
Und wahrscheinlich gebührt der Dank dafür in erster
Linie dem schon genannten Drucker Delätre, der für
seine Kollegen druckt und der nicht nur seine tech-
nische Erfahrung, sondern auch sein künstlerisches
Empfinden in ihren Dienst stellt.

NEKROLOGE

In Trier ist vor kurzem der Direktor des dortigen
Provinzialmuseums Dr. Hans Gräven im Alter von
39 Jahren gestorben. Ein in seinem Nachlaß vorgefundenes
Werk »Das goldene Zeitalter der christlichen Kunst« ist
unvollendet geblieben.

In tiefem Elend ist der spanische Maler Joachim
Martinez de la Vega, der Genosse von Rosales und Pra-
dilla, zu Malaga gestorben. In früheren Zeiten wurden
seine Werke um hohen Preis gekauft. So besitzt die
Kirche von San Juan in Malaga einen Christus, der an
Velazquez erinnert. Sein bekanntestes Bild »Borracho«
 
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