Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

DOI Artikel:
Hevesi, Ludwig: Wiener Brief, [2]: (Sezession - Künstlerhaus - Hagenbund - Spitzen- und Porträtausstellung)
DOI Artikel:
Wolfgang Kallab
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0171

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
325

Wolfgang

Kailab t

326

des Diplomaten in chinesischer Sprache. Das Bild ist mit
aller Liebhaberei für die Rarität gemalt, und würde in jeder
Ausstellung Figur machen. Seine Exzellenz wird dadurch
zur Notabilität, denn auch die Vervielfältiger sind schon
an der Arbeit. Unter den übrigen Bildern Orafs befinden
sich einige interessante Landschaften, in seinem stilisieren-
den Stil, aber mit starker Betonung der Naturfarben. Ein
»Riva«, in hellem Sonnenschein, mit lustig wimmelndem
Wellenspiel, ist besonders frisch geraten. Wie lange ist
es her, so hätte man ihn dafür ausgewiesen. Unter den
Gästen des »Hagen« sind die Prager interessant. Sie zeigen
die Pariser Schule, Richtung Whistler (wie Franz Simons
»Deminiondaine«) oder Manet (wie Karl Spillars »Seebad«),
aber ausnehmend fein. Außerdem pflegt der »Hagen« auf
Extrawilde zu fahnden, denen nichts heilig ist. So brachte
er voriges Jahr den jungen Polen Kasimir Sichulski. Der
diesjährige Barbar ist Henryk Uziemblo. Beide kommen
sichtlich von Axel Gallen her, aber in ihrer Roheit, die
ja mit der Zeit einer Beleckung weichen wird, steckt viel
drastisches Folklore aus unbekannter Welt. Von einem
gewesenen Wilden, Wilhelm Hejda, sieht man unter
anderem eine originelle Marmormadonna, wo die Frauen-
figur der Kindesfigur als Hintergrund und gleichsam Glorie
dient. Dabei sind die Gestalten in einer Art Halbverkür-
zung, wie Enfacereliefs gegeben, was allerdings nicht ohne
störende Quetschung abläuft. Zu erwähnen sind schließ-
lich die neuen Briefmarken für Bosnien vom Kupferstecher
Ferdinand Schirmböck, der solche Tätigkeit schon in Argen-
tinien, Lissabon und Petersburg ausgeübt hat. Die dabei
hängende Lupe erlaubt, diese winzigen Genrebilder und
Veduten genau zu betrachten, deren Details sich an der
Grenze der Unsichtbarkeit bewegen. Die Briefmarke als
Ansichtskarte, das ist das Neueste in dieser Richtung, aller-
dings in Amerika erfunden.

Und als vierte im Bunde sei hier die historische
Spitzen- und Porträtausstellung im Österreichischen Mu-
seum angeschlossen, ein Wohltätigkeitsunternehmen größter
Art, das unter dem Schutz der Erzherzogin Maria Josefa
von einem vornehmen Damenkomitee durchgeführt wurde.
Uber 600 Porträts, meist von 1750 bis 1850, und eine ganze
Geschichte der Spitzen in den kostbarsten Exemplaren.
Die Schatzkammern der Paläste und die Truhen der Sammler
haben sich einmal ausgiebig geöffnet. An dieser Stelle ist
natürlich nicht das alles zu besprechen, aber das Porträt
allein bietet schon ausreichenden Genuß. Schönbrunn,
die kaiserliche Familie, Fürst Liechtenstein, der hohe Adel,
aber auch der sammelnde Bürgerstand sind reichlich ver-
treten. Aus dem 18. Jahrhundert sieht man erstklassige
Stücke, wie Nattiers »Mad. Pompadour« vor dem Toilette-
spiegel (Baron Albert Rothschild), Bilder von Largilliere,
der Vigee-Lebrun (Selbstporträt), Mengs, Anton Graff,
Seybold, Tischbein (die reizende Prinzessin Auersperg,
spätere Gräfin Moriz Fries, Goetheschen Angedenkens),
Angelika Kauffmann, Lampi, Füger. Überraschend sind
die vielen kostbaren Engländer und Schotten, darunter
Hauptstücke wie ein Herrenporträt in ganzer Figur von
Raeburn (Besitzer HerrGottfried Eisler) und einige Hoppner,
Gainsborough, Reynolds, Lawrence. Reizend nimmt sich
die Kaiser-Franz-Zeit aus, die Umgebung der schönen
Kaiserin Karolina Augusta, in den spitzenduftigen, breit-
maschig bewimpelten Toiletten der Restaurationszeit, die
in Wien viele zierliche Aquarellisten ausbildete. Eine ganze
Galerie bilden die Künstler- und Dichterbildnisse, zu denen
auch viele schöne Damen der Aristokratie gehören. (Selbst-
porträt Thorwaldsens, der Engerthsche J. V. Scheffel von
1842 und so fort.) Goethe ist von seinem Hauptporträ-
tisten Schmeller gezeichnet (etwa 1829), der Dichter schenkte
dieses Bild dem Minister Hans v. Gagern mit der Bemer-

kung, es sei sein ähnlichstes Bildnis (Besitzer Dr. Albert
Figdor). Eine ganze Wand ist mit auserlesenen Wald-
müllers bedeckt; darunter ein Selbstporträt von 1823 (Herr
G. Eisler), eine Therese Krones in weißem Atlaskleid mit
rotem Busentuch, neben ihr Rosen, Goldfische und Bücher
(1824, Gf. Wimpffen), ein Kapitalbild seiner Tochter Amalia,
sitzend, lebensgroß, mit Blumen und Landschaft (1830,
Herr v. Mallmann). Die Wiener Porträtbeliebtheiten par
excellence, die Daffinger, Kriehuber, Schrotzberg, Amerling
sind sehr anziehend. Von Schrotzberg sieht man auch
das Brustbild der Kaiserin Elisabeth aus der Münchener
Pinakothek. Unter den Bildern des Kaisers Franz Josef
ist ein kleines, kaum bekannt gewordenes, von Pettenkofen,
das den noch jugendlichen Monarchen in Dragoneruniform
zu Pferde darstellt. Zwei ganze Zimmer sind mit Bild-
nissen der Kaiserin Elisabeth gefüllt, aus den verschieden-
sten Jahren, von den ersten Raabschen angefangen bis zu
den posthumen des Horovitz und Laßlo. Auch ihre Photo-
graphien sind da gesammelt, von der sorgsamen Hand
ihrer Gesellschafterin Frau v. Ferenczy. Die Porträtaus-
stellung ist die interessanteste dieser Art seit der Wiener
Kongreßausstellung und bietet dem zeitgeschichtlichen
Studium reichen Stoff. ludwiq hevesi.

WOLFGANG KALLAB f

Wenn die Alten dahingehen, wenn Männer von uns
genommen werden, denen das Leben schon ein volles
Maß von Glück und Schmerzen zugestanden hat, dann
ziemt es uns nicht, die flüchtig eilenden Tage mit Wunsch
und Klage aufzuhalten. Aber wenn der Blitz einen jungen
Stamm gefällt hat, dessen Blüten reiche Frucht versprachen,
dann meinen wir, die Natur habe selbst ein unsühnbares
Unrecht begangen, und der schwache Mensch lehnt sich
auf gegen das unerbittliche Geschick. Als Kailab in Rom
als Mitglied des Österreichischen Historischen Instituts
weilte, da bin ich ihm vor Jahren zuerst begegnet. Wir
haben damals manche unvergeßlichen Eindrücke in Rom
gemeinsam erfahren. Ein Frühlingsnachmittag in den
Thermen Caracallas und eine frische Wintermorgenwan-
derung auf dem grasbewachsenen Fels, auf dem einmal
das alte Veji lag, haben sich meinem Gedächtnis besonders
eingeprägt. Als ich ihm damals eines Tages auf der
Piazza Colonna begegnete, bat er mich feierlich um die
Erlaubnis, die Schriften des Giulio Mancini herausgeben
zu dürfen. Er hatte kurz vorher die Korrekturen des »An-
tonio da Viterbo« für mich gelesen, und dabei zuerst er-
fahren, welche Bedeutung die Kenntnis des sienesischen
Kunstschriftstellers und Leibarztes Urbans VIII. für unsere
Forschungen besitzt.

Diese Studien, deren Frucht wir mit Spannung er-
warteten, und damit zusammenhängend eine Arbeit über
die Quellen Vasaris, haben ihn die letzten Jahre beschäftigt
und vielleicht seine Lebenskraft aufgerieben. Als ich ihn
zum letztenmal wiedersah, schien sich eine seltsame Un-
ruhe seiner bemächtigt zu haben. Die Pläne drängten sich,
und niemals genügte ihm die Zeit. Ahnte er, welch eine
kurze Frist ihm noch beschieden war?

Mit einer scharfsinnigen Studie über die toskanische
Landschaftsmalerei, die im Jahrbuch des Allerhöchsten
Kaiserhauses erschien, hat Kailab sich glänzend in die
Kunstgeschichte eingeführt. Noch bedeutender ist mir
seine Interpretation von Michelangelos Jüngstem Gericht
erschienen, die an ziemlich entlegener Stelle in der Fest-
schrift für Wickhoff zum Abdruck gelangt ist. Noch im
Dezember vorigen Jahres sandte er mir seine Kritik der
Vasaristudie des Scotti Bertinelli und nannte sie »ein An-
geld für etwas Größeres und hoffentlich Besseres«:. In
diesen Kritiken, welche Kailab in den Kunstgeschichtlichen
 
Annotationen