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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Dülberg, Franz: Museumsreform in München?
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0179

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Nekrologe — Personalien — Wettbewerbe

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französische Schule von 1830, die Rousseau, Troyon, Corot,
Millet, Delacroix sollten zusammen wenigstens mit einem
Dutzend Werke vertreten sein, die Impressionisten, Manet,
Degas, Renoir, zum mindesten mit drei oder vier Proben.
Auch nach van Gogh, der dem Impressionismus mit ger-
manischer Tiefe auf den Grund und in ihm zugrunde ging,
sollte man greifen, ehe es zu spät ist. Die großen eng-
lischen Landschafter, Constable, Turner und die Porträtisten
Englands von der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert
dürften nicht fehlen — hier könnte man ja die Neue Pina-
kothek um einige bereits in dieser Richtung gemachte Er-
werbungen entlasten. Gewiß soll, was von neuerer Mün-
chener Kunst als Markstein der Entwickelung erscheint,
mit eifernder Liebe angegliedert werden: so klar aber auch
der Grundsatz einleuchtet, daß bei Münchener Staatsauf-
trägen für öffentliche Gebäude Münchener oder in München
tätige Künstler bevorzugt werden sollen, so entschieden
muß sich andererseits eine Galerie, die als Vorbild nutzen
will, vor städtischer, provinzialer, ja selbst nationaler Be-
schränktheit verwahren. Daß hinter dem Berge auch in
unserer Zeit noch Leute wohnen, das muß sie in jedem
ihrer Räume mit tausend Zungen predigen. Es versteht
sich hierbei von selbst, daß die oben geforderte »reinliche
Scheidung« vor allem auch zwischen den Fonds, die zur
Unterstützung der Münchener Künstletschaft bestimmt sind,
und andererseits den Summen eintreten muß, die zur Er-
langung einer vorbildlichen Sammlung neuerer Kunst ver-
helfen sollen. Eine Galerie darf in keiner Weise zu einer
Versorgungsanstalt für grauhaarige, kinderreiche königliche
Professoren werden, eine Galerie erfüllt ihren Zweck, ein
im höchsten Sinne gemeinnütziges Wesen zu werden, am
besten dadurch, daß sie sich einen stahlharten, rücksichts-
losen Egoismus und eine maßvolle, sehr wählerische Ge-
fräßigkeit aneignet. Daß auch der Leiter der modernen
Galerie nicht eine vielköpfige Schnecke, eine Kommission,
sondern ein einzelner, mit möglichst unbeschränkten Voll-
machten ausgerüsteter Mann sein muß, versteht sich nach
dem Vorhergesagten wohl von selbst; ebenso, daß nicht
ein Künstler, sondern nur ein Kunstgelehrter, der sich frei-
lich von dem lebensfremden Beiklang der letzten drei Silben
dieses Namens völlig frei fühlen muß, hierfür in Frage
kommt: der Künstler darf — ich zitiere hier in guter Ab-
sicht ein böses Schlagwort des politischen Kampfes — in
Museumsfragen immer nur Objekt, niemals aber Subjekt
der Gesetzgebung sein.

Mit geschmackvoller Sparsamkeit sieht man zwischen
den Werken der Malerei eingeschaltet eine Anzahl Büsten
und Statuetten in Marmor, Bronze und Ton. Man kann
hier die so verwandte und doch so verschiedene Grazie der
Schadow und Carpeaux, die Tierbilder Baryes und Gauls,
die Menschenauffassung Klingers, Troubetzkoys und Obrists
nebeneinander studieren. Die Sitzmöbel für die Besucher,
die Türeinfassungen sind zugleich Beispiele des modernen
Kunstgewerbes, abwechselnd von Berlage, van der Velde,
Messel, Endell und anderen entworfen. Auch sind zwei oder
drei nur der angewandten Kunst gewidmete Räume zu an-
genehmer Unterbrechung unter die Flucht der Bildersäle
verteilt Hier können wir uns an Scharvogels männlich
kräftiger Keramik neben dem Purpurglanz Massierscher
metallischer Fayencen und den zarten Papageienfarben
der holländischen Rozenburg, an der irren Schmetterlings-
pracht Laliqueschen Silberwerks, an dem feierlichen Orgel-
ton Lechterscher Fenster, an der schrillen Schlankheit
Köppingschen und dem blauen Pfauenprangen Tiffanyschen
Glaswerks erfreuen. Von den beiden letzten Räumen
enthält der eine eine periodisch wechselnde Ausstellung
von Ölskizzen, Aquarellen, Handzeichnungen, modernen
Radierungen und den schönsten Leistungen neuerer Buch-

kunst, der andere japanische und chinesische Arbeiten in
Farbenholzschnitten uud Kakemonos, in Porzellan, Gres,
Lack, Bronze und Stickereien.

Eine Fata Morgana — gewiß! Sollte es unmöglich
sein, sie im Laufe eines oder zweier Menschenalter in
steinerne Wirklichkeit zu übersetzen zu einem bleibenden
Denkmal der Gesinnung, in der die Menschen der ersten
Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ihre Pflichten gegen
die alte Kunst und gegen die künstlerischen Bestrebungen
der eigenen Zeit verstanden?
München, im März 1906. franz dülberg.

NEKROLOGE

In Eisenach ist der Dresdener Maler Franz Siebert
im Alter von 61 Jahren gestorben. Er war Schüler von
Große und Schnorr v. Carolsfeld und später als Historien-
maler im Atelier von Karl Gussow in Berlin tätig. Neben
der Historienmalerei hat er sich vornehmlich in späteren
Jahren der Porträtkunst gewidmet und eine Reihe von
Bildnissen bedeutender Zeitgenossen geschaffen.

In Paris ist Jean Baptiste Millet, ein Bruder des
berühmten Malers Francois, gestorben. Auch Jean Baptiste
war ein hochbegabter Künstler, der seine Laufbahn als
Holzschneider begonnen, dann als Bildhauer fortgesetzt
und schließlich als Maler beendigt hat. Die Kirchen von
Notre Dame und Madelaine bewahren plastische Arbeiten
von seiner Hand. Er ist 75 Jahre alt geworden.

Der Landschaftsmaler Henri Hertwig ist in Berlin
gestorben.

PERSONALIEN

Professor Felix Wolff in Straßburg ist zum Konser-
vator der geschichtlichen Denkmäler in Elsaß-Lothringen
ernannt worden.

X München. Kgl. Akademie der Künste. In der Bild-
hauerklasse des verstorbenen Professors W. v. Ruemann
hat Professor A. Hildebrand vorläufig die Korrektur über-
nommen, während die eigentliche Leitung der Klasse einst-
weilen einem seiner Assistenten übertragen worden ist.
Es ist damit lediglich ein Provisorium geschaffen, das auf
die endgültige Besetzung der erledigten Lehrstelle noch
keinen Schluß erlaubt. Das geht unter anderen auch dar-
aus hervor, daß Professor Hildebrand am 7. April dem
Professorenkollegium der Akademie als künftiger Leiter
einer Meisterklasse für Steinnietzplastik vorgestellt wor-
den ist.

Auch der Maler Robert Weise, Mitglied der Mün-
chener »Scholle«, hat vom Verein Wfirttemberger Kunst-
freunde einen Ruf nach seiner Vaterstadt Stuttgart erhalten.

X Der Münchener Bildhauer Georg Wrba ist nach
Berlin übergesiedelt.

WETTBEWERBE

Rom. Bei der Konkurrenz für die neuen Nickelmünzen
sind die präsentierten Proben so minderwertig erschienen,
daß die Regierung einer besonderen, von der Accademia
di S. Luca ernannten Kommission den Auftrag gegeben
hat, das Schema für eine zu gründende Münzprägeschule
zu bereiten. r. h.

In Frankfurt a. M. hat man einen Wettbewerb für
eine städtische Ausstellungshalle ausgeschrieben. Die Ein-
lieferungsfrist für die Entwurfsarbeiten ist bis zum 10. Sep-
tember festgesetzt. Im ganzen sind Preise im Werte von
36000 Mark ausgesetzt. Nähere Bedingungen sind im
Frankfurter Rathaus zu erfragen.
 
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