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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0205

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Funde — Ausstellungen

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stellt den Dichter in feinem Frack, Busenkrause und Knie-
hosen, gesenkten Hauptes, sinnend, wehmütig ein Stief-
mütterchen in seiner Hand betrachtend, dar. Der Bildhauer
hat dabei auf Baggesens Gedicht an die Gräfin Schimmel-
mann, »Die verwelkte Maiblume«, wo sich der Dichter mit
einer kranken Blüte vergleicht, Bezug genommen. bg.

Auf dem Zentralfriedhof in Wien wurde für die ver-
storbene Jenny Groß, die beliebte Berliner Schauspielerin,
ein von Franz Vogl geschaffenes Marmorgrabmal enthüllt,
das ein Reliefporträt der Künstlerin und die Inschrift ihres
Lebensmottos zeigt.

Für Whistler soll in der Londoner Vorstadt Chelsea
ein Denkmal errichtet werden, das 40 000 Mark kosten soll.
Der größte Teil der Summe ist bereits gesammelt.

FUNDE

Im Lüneburger Rathaussaal sind, wie die dort erschei-
nenden Museumsblätter berichten, erst vor kurzem alte
Wandgemälde entdeckt worden, die ursprünglich unter
Wappenmalereien auf Leinwand, welche die beiden Haupt-
wandflächen vollständig verdeckten, verborgen waren. Nach-
dem man die Tafeln heruntergenommen hatte, fand man
Wandmalereien in Wasserfarben grau in grau auf rotem
Grund ausgeführt und im ganzen gut erhalten, darunter
eine Darstellung der Susanna im Bade und der Ehebrecherin
vor Christus. Auch kamen einige niederdeutsche Inschriften
auf Spruchbändern zum Vorschein.

AUSSTELLUNGEN

X München. Grützner-Ausstellung. Zur Feier des 60. Ge-
burtstages des Künstlers stellte die Galerie Heinemann eine
umfangreiche Kollektion seiner Werke aus. Die Datie-
rungen reichen von den sechziger und siebziger Jahren
bis auf die jüngste Gegenwart. Selbstverständlich spielten
auch hier die bekannten Genrestücke aus dem Kloster-
leben, die den Künstler rasch zum Liebling eines nicht
sehr differenzierten Publikums gemacht haben, eine große
Rolle. Dem Kunstverständigen aber werden die ver-
schiedenen kleinen Landschaftsausschnitte und figurenlosen
Interieurs ungleich wichtiger erscheinen. Die biederen,
feisten, pudelvergnügten Patres sind bei aller ihrer ge-
lungenen Charakteristik als Malerei nicht ganz ernst zu
nehmen. Die erwähnten Landschaften und Innenansichten
aber qualifizieren sich durchgehends als Zeugnisse eines
außerordentlich feinen und reichen malerischen Könnens.
Ein Waldwinkel aus dem Jahre 1869 macht mit dem
zarten, blassen Grün, mit der Feinheit der Auffassung
fast Erinnerungen an Corot wach. Eine Klosterbibliothek,
eine Küche, ein Klostergang mit einem reich verzierten
Portal und einem Stückchen verblaßter Wandmalerei er-
freuen durch das hervorragende Tongefühl, das sich in
ihnen ausspricht. Das sind in der Tat echte Dokumente
»reiner« Malerei, an denen man seine aufrichtige, un-
getrübte Freude haben kann.

X München. Oalerie Heinemann. An neuen Kollektionen
sind diejenigen von Otto Hierl-Deronco, Walter Crane und
Arthur Schlubeck zu erwähnen. Die Hauptwerke der
Kollektion Crane (die vier Jahreszeiten, die drei Parzen
und die Geburt der Venus) sind bereits allgemein bekannt
und des öfteren von der deutschen Kritik gewürdigt
worden. Die verschiedenen Landschaftsskizzen bleiben in
jeder Hinsicht weit hinter den drei genannten Schöpfungen
zurück und können kein ernsteres Interesse beanspruchen.
Die Porträtkunst des Berliners Arthur Schlubeck ist stark
von Lenbach beeinflußt und hält sich bei aller Vornehmheit
von deutlich erkennbaren Kompromissen mit dem ober-
flächlichen Geschmack des Salons nicht frei. Innerhalb
dieser Schranke aber betätigt sich eine schöne Charak-

terisierungsgabe und ein bemerkenswertes malerisches
Können. Die Kollektion Hierl-Deronco gibt einen ge-
drängten Überblick über das bisherige Schaffen des Mün-
chener Meisters, dessen düster-kraftvolles, sinnliches Tem-
perament auf eigenen Wegen nach der großen bildnerischen
Linie strebt. Wir sehen da des Künstlers erste große
Schöpfung, die »Verhaftung Ludwigs XVI. in Varennes«
vom Jahre 1883. Von seiner später zutage getretenen
Eigenart sagt sie wenig. Zu deren ersten größeren Doku-
menten zählt jedenfalls der »Liebesgarten« (1899), stolze,
nackte Frauengestalten, die aus tiefem Dunkel mit atem-
beraubender Pracht hervorleuchten. Dieser Gegensatz
von luftigem, gärendem Dunkel und strahlendem fanfaren-
artig vorbrechendem Farbenprunk kehrt von nun an im
Schaffen des Künstlers häufig wieder. Er läßt auf ein
heftiges, dramatischen Effekten geneigtes Temperament
schließen, das mit einer starken Sinnlichkeit eine eisige
Kälte des Gefühls verbindet. Sehr klar zeigen sich diese
Eigenschaften bereits in dem 1897 entstandenen »Fan-
dango«. Das Bild deutet auf starke spanische Einflüsse.
Die rechts befindlichen Gestalten (Musikant und Zwerg)
sind von der Tänzerin durch einen gähnend leeren, fast
schwarzen Raum getrennt, aus dem das Gewand der
Tänzerin in einem brillanten Farbenfeuerwerk von Gold,
Grün und Rosa hervorstrahlt. Vom vorjährigen Glaspalast
ist noch die »Diana« in Erinnerung, die hier bei weitem
weniger befremdlich und theatralisch wirkt, als in der
Internationalen. Bei der arabischen Bauchtänzerin »Medja«
dagegen wird man auch hier den Eindruck posenhafter
Gesuchtheit nicht ganz los. Unter den Porträts ragt eine
»Dame in Gelb« und das »Bildnis des Freiherrn Karl
von Perfall in Hofuniform« hervor, letzteres von einer selt-
sam bedrückenden Schwere und Tragik der Wirkung.
Mit bewundernswerter, verblüffender Meisterschaft ist die
venezianische »Spätabendstimmung« gemacht. Himmel
und Wasser sind mit einem gleichmäßigen nuancenlosen
Sepiatone gegeben, der in der gebotenen Distanz eine er-
staunliche Transparenz gewinnt. In etwas dunklerem
Braun ist die Silhouette der Stadt und der Küstenaus-
schnitt im Vordergrunde nebst einigen Barken angedeutet.
Durch diese Flut von erdigen Tönen brechen mit kolos-
saler Leuchtkraft einige rote und gelbgrüne Lichter. Das
Ganze könnte man eher ein psychologisches Experiment
mit malerischen Mitteln, als ein Gemälde nennen. Es
bietet in knappster Auswahl nur so viel an sinnlichen Ein-
decken, als ausreichend ist, um die altbewährte Dichterkraft
des Auges zum Erschaffen des gewollten Bildes anzuregen.

In Wien wurde unter dem Protektorat der Erzherzogin
Maria Josepha im österreichischen Museum für Kunst und
Industrie eine von uns bereits früher angekündigte Porträt-
ausstellung eröffnet. Sie umfaßt Bildnisse aus den Jahren
1750—1860, unter denen in erster Linie zahlreiche Arbeiten
des Kammermalers der Maria Theresia, Martin von Mytens,
dann Werke der französischen Hofkünstler Nattier und
Largilliere, ferner solche von Vigee-Lebrun und Angelika
Kauffmann zu nennen sind. Aus der Wiener Schule sind
vortreffliche Porträts von Füger, Lampi, Waldmüller, Rahl
und Kriehuber ausgestellt. Ein eigener Saal ist dem An-
denken der Kaiserin Elisabeth gewidmet. Auch ein interes-
santes Goetheporträt ist auf der Ausstellung zu sehen, das
der Zeichenlehrer Selmeller 1829 in Weimar auf Wunsch
Goethes für ein Stammbuch von Zeitgenossen angefertigt hat.

Die Ausstellung Münchener Kunst in London ist
am 2. Mai eröffnet worden. Sie umfaßt im ganzen 250
Bilder, die auf vier Säle verteilt sind. In der Auswahl der
Gemälde ist der Hauptnachdruck auf das spezifisch Deutsche
und Münchenerische gelegt, weshalb die Ausstellung für
London durchaus Neues und Originelles bietet.
 
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