Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

DOI Artikel:
Nachlese archäologischer Neuigkeiten
DOI Artikel:
Wolf, August: Neues aus Venedig
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0079

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
135

Neues aus Venedig

136

man im Juli auf christliche Katakomben gestoßen, die in
zwei Reihen übereinander liegen und in deren Kammern
man noch teilweise gut erhaltene Wandfresken mit reli-
giösen Darstellungen erkennen konnte.

In Thessalien hat Arvanitopulos bemerkenswerte Re-
sultate erzielt. Bei dem Orte »Magula Ai'dinioliki« fand
man Gräber aus mykenischer Zeit mit verschiedenen
Vasen, einen Athenakopf und eine 2,40 m lange Platte mit
Reliefdarstellungen; bei Pyraso wurden Bauglieder eines
(Demeter) Tempels, in der Unterstadt des Phthiotischen
Thebens zwischen Theater und Stoa Reste von Häusern
und Reliefdarstellungen (Thetis mit den Waffen des Achill,
Kirke und die verwandelten Genossen des Odysseus, der
Freiermord) aufgedeckt. Ebendaselbst wurde eine doppelte
Stoa und ein Tempel im Grundriß gefunden. Zahlreiche
Funde ergaben die untersten Schichten eines großen
archaischen Gebäudes auf der Akropolis dieses Thebens
und von besonderer Bedeutung sind auf der Akropolis von
Halmyros gemachte Funde, Basen, Tonstatuen, Marmor-
köpfe, Bronzevasen und anderes mehr, die alle in das
Museum von Volo gebracht wurden. — Neues Licht über
die Malerei der Griechen, über die wir doch noch sowenig
wissen, werden die Funde von Pagasai im innersten Winkel
des Meerbusens von Volo verbreiten, wo bei den von
Arvanitopulos für die athenische archäologische Gesellschaft
gemachten Ausgrabungen aus einer auf einem antiken
Friedhofe errichteten Mauer eine ganze Anzahl hineinver-
bauter Grabstelen herausgezogen wurden, die mit noch in
voller Farbenfrische leuchtenden Malereien bedeckt waren.
Uber ein halbes Hundert ganz und fragmentarisch erhal-
haltener Stelen mit Malereien geben uns nunmehr Einblick
in die Maltechnik des dritten und zweiten vorchristlichen
Jahrhunderts. Es sind die üblichen Handschlags- und
Abschiedsszenen, Totenmale, Szenen aus dem Leben, Ver-
ehrungsszenen dargestellt, wie wir sie von den Orabreliefs
und Grabvasen kennen. Die Verbauung dieser Stelen in
die Mauersockel muß in sehr früher Zeit geschehen sein;
sie blieben sehr geschützt, so daß die Farben in voller
Frische noch leuchten. Einer Stele, die in ausgezeichneter
Technik gemalte Vorhänge zeigt, wird noch besonderer
archäologischer Wert zugeschrieben.

Auf dem Weg von Griechenland nach Italien sei
Brion-grande erwähnt, wo die Grabungsarbeiten am Süd-
gestade ein terrassenförmiges Gebäude von großem Um-
fange mit einer Flucht von Räumen erkennen lassen. Vor
dem Terrassengebäude stand ein Hallenbau. Auf dem
Nordgestade der Insel lag ein ganzes römisches Villen-
viertel, das viele und wertvolle Funde verspricht. Eine
früher schon untersuchte Nekropole im inneren nördlichen
Istrien brachte neuerdings Relieflampen mit verschieden-
artigsten Darstellungen; auch ein frühchristlicher Kultbau
mit zahlreichen Fundobjekten wurde in Istrien freigelegt.
In Ravenna sind an der Stelle, wo die 1582 von der päpst-
lichen Regierung niedergelegte Porta aurea stand, über
ein Areal von über 3000 qm mit Staatshilfe archäologische
Untersuchungen vorgenommen worden, wobei der Unter-
teil von zwei großen Seitentüren und Pfeilerüberreste zu-
tage kamen, ferner bearbeitete Marmorplatten, ein großes
Kapitell und ein Kassettenbogen, die zu anderen Überresten
der Porta aurea ins Museum wanderten. Bei Forschungen
nach Uberresten des Theodorich-Palastes wurden bis jetzt
einige Mauerreste und Bodenmosaiken gefunden. — In
Verona hatA.L. Frothingham, ein amerikanischer Archäologe,
wie er in »The Nation« in einer Reihe von Aufsätzen über
die augusteischen Festungen Norditaliens mitteilt, Spuren
des Triumph- oder vielmehr Munizipalbogens der Gavii,
ein ausgezeichnetes Bauwerk der Zeit des Augustus, auf
dem Corso Cavour gefunden. Zu seiner größten Über-

raschung stieß er dann auf prächtig dekorierte Stücke
dieses in der Renaissance hochgeschätzten Bogens in den
Gewölben des Amphitheaters, wo sie kunterbunt und un-
erkannt herumlagen. — Von Verona müssen wir direkt
über Rom, von wo alles Interessante bereits mitgeteilt ist,
nach Pästum eilen, wo Spinazzola den ursprünglichen
Plan der Stadt mit ihren Straßen festgestellt hat. Die
Hauptstraße ist auf eine Länge von 135 m aufgedeckt, sie
führt 12 m breit mit zweiseitigen Bürgersteigen an den
beiden Tempeln vorbei. Bei der Forträumung der Schutt-
anhäufungen um die Tempel kamen Bruchstücke von den
Gesimsen und den sie schmückenden Terrakotten, einem
Fries von etwa drei Metern, zum Vorschein. Ein Altar
vor der Basilika wurde entdeckt, die sich dadurch als
Tempel bestimmen läßt. Die in der Nähe der Tempel
gemachten Einzelfunde erstrecken sich von der prähisto-
rischen Epoche bis in die römische Zeit. Als besonders
merkwürdig wird ein archaisches Götterbild einer bärtigen
Gottheit bezeichnet, das möglicherweise die ursprünglichste
Gestaltung des Jupiter oder Neptun, dem die sogenannte
Basilika wohl als Tempel geweiht war, darstellt. Die jetzt
von Spinazzola wiederaufgenommenen Arbeiten lassen nach
diesen kurz geschilderten Erfolgen große Resultate er-
hoffen. — Zum Schluß unserer auf Sizilien endenden Nach-
lese seien noch die großen Vasenfunde aus Gela ver-
zeichnet, die hochwichtige Stücke aus dem griechischen
Cinquecento umfassen. Eine kleine Tasse des Kachrylion
trägt eine Szene aus einem attischen Pferdestall, eine rot-
figurige Vase des Polygnot zwei Darstellungen, eine gegen
einen Hopliten heranstürmende Amazone und eine Gruppe
von drei Personen — einen alten Mann und zwei weibliche
Wesen. Viele Vasen mit Lieblingsnamen, unter denen auch
neue, unbekannte auftauchen, zeugen weiter für den starken
Import attischer Vasen nach Gela im 5. Jahrhundert v. Chr.

M.

NEUES AUS VENEDIG

In den letzten Tagen hat ein großes Gemälde des
durch seine Fresken im Saale des Konservatoriums rühm-
lichst bekannten Vittorio Bressanin die Bewunderung der
hiesigen Künstler auf sich gezogen: eine Parkszene des
18. Jahrhunderts, fünf Meter breit bis drei Meter Höhe, von
wundervoller Frische der Farbe und feinster Charakteristik
der Figuren. Das Ganze in zehn Tagen entstanden zum
Schmucke eines Landhauses im Venezianischen. Zum
besten, was in den letzten Zeiten hier entstanden ist, muß
auch die Ausschmückung der Kirche des Altersversorgungs-
hauses, hinter S. Giov. e Paolo, des sog. Ospedaletto, ge-
rechnet werden. 1527 wurde die Kirche gegründet, welcher
dann Baldasar Longhena 1674 die pomphafte Fassade vor-
setzte. Hier war es, wo Goethe voll Entzücken dem
engelgleichen Gesang junger Waisenmädchen lauschte,
dirigiert von den größten Meistern jener Zeiten. Man
nannte damals die Stiftung »ai incurabili«. In der Folge
wurde der ganze Gebäudekomplex eine riesige Alters-
versorgungsanstalt. Vor drei Jahren stürzte ein Teil der
Kassettendecke der Kirche ein und man beschloß, dieselbe
von Grund aus zu restaurieren. Alle Altarbilder und die
seitlich der Fenster angebrachten Bogenzwickelbilder, 32 an
der Zahl, wurden durch Bonomi gereinigt und gewissen-
haft restauriert.

Man verdankt dieselben den besten Meistern des
18. Jahrhunderts, Tiepolo mit eingerechnet. — Man be-
schloß die Kassettendecke nicht zu erneuern, sondern große
Fresken anzubringen. Diese Malereien wurden dem hier
lebenden Cherubini aus Ancona, einem noch jungen Manne,
der seine Studien in Rom gemacht hat, übertragen und
glänzend ausgeführt. Ein großes Mittelbild, in welchem
 
Annotationen