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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon der Pariser Société Nationale
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Wolf, August: Neues aus Venedig, [3]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0248

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Neues aus Venedig

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den Malern mit zwei etwas komisch wirkenden großen
Volksfiguren und drei sehr hübschen Stadtansichten
vertreten ist, Franz Simon und Jacques Villon. End-
lich die Bildhauer: Albert Bartholome, Marmorbüste
seiner Frau, eine sehr gute, in der Haltung etwas
eigentümliche Arbeit, Rembrandt Bugatti, mehrere sehr
gute kleine Tierbronzen, Carabin, ein Blumentopf-
behälter, Baumstamm, um den sich ein tanzender
Reigen bretonischer Bauern und Bäuerinnen windet,
und zwei Statuetten aus Bronze und Silber, Jean
Dampt, Ziegenböckchen aus grauem Marmor, sehr
hübsch, Injalbert, eine dekorative Faunstatue, Jules
Desbois, eine Marmorfigur des »Winters«, Hans
St. Lerche, mehrere kleine Bronzen, Pierre Roche, ein
pietätvolles Denkmal für den Bildhauer Dalou, das
hoffentlich nicht Projekt bleibt, sondern zur Aus-
führung gelangt, Raphael Schwartz, eine sehr hübsche
Kinderbüste, Trubetzkoi, mehrere Büsten in seiner an-
regenden impressionistisch lebendigen Art.

KARL EUGEN SCHMIDT.

NEUES AUS VENEDIG

Am 27. Mai 1608 starb hochbetagt Alessandro Vittoria.
Das Ateneo Veneto hat für den großen Bildhauer eine
Gedächtnisfeier abgehalten. Das Gebäude, in welchem
diese literarische Gesellschaft ihren Sitz hat, ist ein Werk
Vittorias. Es ist die ehemalige »Scuola di S. Girolamo«;
das große schöne Relief, Christus am Kreuze zwischen
Leidtragenden, an der Giebelfläche, sowie die bekrönenden
Statuen gehören zu den schönsten Arbeiten des Meisters,
ebenso einige Büsten, welche das Innere zieren. Man
weiß, welche Bedeutung Vittorias Büsten für diese Spätzeit
venezianischer Kunst haben. Eine der schönsten ist die
seiner selbst, welche das Grabmal schmückt, das er sich
in der Kirche S. Zaccaria setzte. Die Allegorien der Künste
umgeben diese Büste und bilden mit ihr ein prächtiges
Epitaphium. Ein Späterer hat dem Ganzen noch maleri-
schen Schmuck hinzugefügt. Diese Malereien auf Leinwand
sind von Grund aus restauriert worden, damit das Grab-
mal bei der Feier einen würdigen Eindruck machte. Im
Anschluß an eine Ansprache wurde ein Lorbeerkranz nieder-
gelegt. — Das Ateneo Veneto beabsichtigt die Fassade
der oben genannten »Scuola« auszubauen, das heißt die
flankierenden Pilaster wieder in ursprünglicher Weise her-
zustellen. Dies wäre gewiß die schönste Gedenkfeier, welche
man den Erben Sansovinos zuteil werden lassen könnte.

Der Name eines anderen bedeutenden Bildhauers dieser .
Zeit wurde in letzter Zeit sehr häufig genannt. Ich meine
Danese Cattaneo (1500—1575). Man erinnerte sich, daß
sein prachtvoller Brunnen, welcher den Hof des Münz-
gebäudes schmückte, bei der Umgestaltung dieses Hofes
zum Lesesaal der Markusbibliothek verschwunden war. —
Der Brunnen war, in seine Teile zerlegt, in ein Magazin
gebracht worden. Über einigen Stufen erhob sich die
achteckige, schön profilierte Zisternenbrüstung, flankiert
von zwei mächtigen Pilastern, welche einen reichen Archi-
trav trugen, auf welchem eine sitzende Apollostatue, die
Leier rührend, sich erhob. Das Ganze von prachtvoller
dekorativer Wirkung und in feinster Harmonie mit der
Architektur des Hofes. Neuerdings hat sich nun in der
Presse eine langandauernde Bewegung geltend gemacht
zugunsten der Wiederaufstellung dieses Kunstwerkes.
Man hofft, daß irgend einer der verschiedenen Vorschläge
zur Tat werde. Verhandlungen zwischen Rom und der
hiesigen Stadtverwaltung sind längst im Gange. Die
hiesigen Kunstfreunde und Künstler befürworten den

Klosterhof von S. Stefano, wogegen man offiziellerseits die
unglückliche Idee hat, den gewaltigen Brunnen (das Ganze
ist 8 Meter hoch!) in den Hof des städtischen Museums
zu verbannen, wo er in schreiende Disharmonie mit dessen
Architektur treten würde. Man hofft, daß die öffentliche
Meinung siegen werde.

Auch ein Werk der Holzbildnerei hat in der letzten
Zeit die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. V. Cadorin
hat im Auftrage der hiesigen Diezöse den päpstlichen
Thron angefertigt, welchen diese gelegentlich des fünfzig-
jährigen Priesterjubiiäums dem Papste zum Geschenk
machte. Das ganze reich aufgebaute Werk ist 5 Meter
hoch. Uber dem Sitze erhebt sich eine Nische, über
welcher Putten Festons halten. Unter dem von einem
Putten getragenen päpstlichen Wappen die Taube des
heiligen Geistes, von der Tiara gekrönt. Auf den Stufen
des Thrones lagern die lebensgroßen Gestalten des
Glaubens und der Liebe, in seitlichen Nischen unter
Baldachinen stehen S. Petrus und S. Marcus, alles reich ver-
goldet. Der schöne Aufbau des Werkes erregte allgemeinen
Beifall und gehört zum Besten, was in letzter Zeit aus
der Werkstätte des ungemein fleißigen Künstlers hervor-
ging. Zurzeit wird ebenda, nach Zeichnung des Archi-
tekten Ongaro, welcher den Restaurationsarbeiten in der
Frarikirche vorsteht, ein großer Renaissancealtar angefertigt
für die Capelle del Santissimo der genannten Kirche. —
Es sei nebenbei bemerkt, daß auch der Glockenturm von
S. Marco auf 33 Meter gewachsen ist. — Die Bautätigkeit
in Venedig nimmt immer mehr zu. So ist gerade eben
auf dem Campo S. Luca, als Abschluß des neuen Straßen-
zuges, der S. Marco mit S. Luca verbindet, eine hübsche
Fassade im Stile der Lombardi enthüllt worden, während
nahebei die städtische Sparkasse, bedeutend erweitert, eine
zweite Fassade erhalten hat und im Erdgeschoß ein ge-
räumig vornehmer Saal geschaffen wurde mit aller Be-
quemlichkeit für das zahlreich verkehrende Publikum.
Ganz besonderes Interesse, bezüglich der Bautätigkeit,
nimmt jedoch der »Lido« und dessen vollständige Um-
gestaltung in Anspruch. Dort hat der bekannte Architekt
Sardi in unglaublich kurzer Zeit ein riesiges Hotel erbaut.
400 Meter breit und 45 Meter hoch erhebt sich dieses Ex-
celsior genannte Hotel dicht am Wasser und vor dem-
selben ein dazugehöriges Badeetablissement. Besondere
Trambahnstraßen, längs dem Marcusufer, besondere den
Lido quer durchschneidende Kanäle gewähren bequemen
Zugang. Für den großen im modernsten Stile gehaltenen
Saal wurde nach Theodor Wolf-Ferraris Farbenskizzen ein
120 Meter langer Fries hergestellt, das stilisiert Land-
schaftliche von ihm selbst, die Staffage von Castagnaro
ausgeführt. Es ist dies das erstemal, daß in Venedig
stilisierte Landschaft in so großen Dimensionen dekorativ
verwendet wird. Von den beiden obengenannten Künstlern,
ebenfalls nach dem Wolf-Ferrari-Entwurf, wurde die male-
rische Ausschmückung des Salons im neuhergestellten
zweiten Badeetablissement, welches sich an Stelle des
früheren, baufällig gewordenen erhebt, besorgt. So wurde
denn auch mit dem für Venedig neuen »Biedermeierstil«
ein Versuch gemacht. Dieser Tage wird nun das Bade-
haus eröffnet, während man das große Hotel vielleicht im
August fertig stellen kann. Es ist für Venedig ein wahres
Glück, daß der Lido ein Versuchsfeld zu bieten vermag
für die modernste Bautätigkeit, ohne die Stadt selbst in
ihrem Charakter irgendwie zu alterieren. In nächster
Zeit werden eine große Anzahl neuer Villen entstehen,
welche derartigen Talenten endlich Gelegenheit bieten,
ihre Kräfte zu versuchen. In kürzester Zeit wird der Lido
ein völlig moderner Vorort Venedigs geworden sein.

AUGUST WOLF.
 
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