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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1901)
DOI Artikel:
Schneider, Camillo: Ueber Gartenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0070

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Aeber 6ar1enkuns1. *

Der denkende Mensch der Gegenwart strebt nach Jndividualität.
Er sucht sich frei zu machen von aller Schablone, allen sein Schaffen
einengenden Schranken, die nicht aus seiner Thätigkeit hcraus sich ihm
selbst ergeben. Er will sich geistig auf cigne Füße stellen und mit
vollster Hingebung an das Werk, zu dem er sich berufen glaubt, sich
äußern und wirken, wie er muß.

Dieses Persönliche, das im Kunstschaffen jetzt viel stärker als
früher hervortritt, muß sich auch in der Gartenkunst ausdrückcn, falls
sie überhaupt von Künstlern gepflegt wird. Und sollte dies vielleicht
nicht der Fall sein? Wer unsre heutige Gartenkunst kennt, möcht' es
fast glauben. Was hier jetzt Gutes geleistet wird, ist wahrlich gering.
Das allermeiste spiegelt nur wieder, was vor fünfzig Jahren und mehr
zeitgemäß schien, wogegen in Deutschland die Gärten zu zählen sein
möchten, die nicht den Zuschnitt einer geheiligten Schablone zeigen.

Es lohnt sich, über die Ursachen dieses Zustandes nachzudenken.
Wie kann man auch in der Gartenkunst die zcitgcmäße (ich vermeide ab-
sichtlich das vieldeutige Schlagwort „moderne") Kunstanschauung zum
Ausdruck bringen? Einige Gedanken darüber dürften erkennen lassen,
woran die Gartenkunst unserer Tage krankt.

Man ist in der Gartenkunst im s8. Jahrhundcrt gleichsam aus
einem Extrcm ins andere gesprungen. Von den architcktonisch-geometri-
schen Gärten dcr französischen Periode, die Le Notres Name bezeichnet,
ging man in England zur peinlichen Nachahmung der landschaftlichen
Natur über. Dem Kunstempfinden der Gegenwart ist ein Garten mil
kulissenartigen, geschorenen Hecken, mit einer in streng geometrische Zirkel
gebannten Natur fremd. Wenn wir aber im Garten nur ein Stück
Landschaft „kopieren", sei es auch noch so naturwahr — so mutet uns
solche Gartenanlage wohl noch fremder, als eine jener französischen an,
aus deren besten doch der Künstler in so vernehmbarer Weise zu uns
spricht. Der sog. natürliche Stil in englischer wie in deutscher Art hat
zu einer Verkennung der Bedingungen einer Gartenanlage überhaupt
geführt. Meisterte die Zeit Le Notres die Natur in einer Weise, die
unserer Liebe und unserer Ehrfurcht ihr gegenüber widerspricht, so darf
uns doch im Garten die Natur nicht ihrerseits tyrannisieren. Wir wollen
weder Sklaven machen noch Sklaven sein. Und wenn die Gartenschöpfer
des letzten Jahrhunderts nicht Sklaven der Natur waren, so waren sie
meist etwas noch Schlimmeres: Sklaven von Negeln und Gesetzen, die
eine Zeit geboren, der sreies, selbständiges Kunstempfinden fremd war.

* Ja, auch in den deutschen Gärten wird's hellerl Die „führenden
Geister" prämiiren zwar auf den Ausstellungen nach wie vor Pflasterbouguets,
Majolikapilze und Bretzelwege, aber selbst der Leipziger Gartendirektor hat
mit seinem Zorn über unser unberufenes Einmischen so wcnig Gegenliebe ge-
sunden, daß ihm in der eigenen Fachpresse die Opposition erstanden ist. Die
Gärtncrzeitungen nahmen unsere Anregungen auf und billigten sie— damit sind
wir um einen guten Schritt vorwürts. Zuschriften praktischer Gärtner be-
weisen uns ferner, datz die frischen Köpfe in diesen Krcisen die herrschenden
Zustände als unwürdig empfinden. Glückaufl Wir geben heute die Darstellung
solch eines Fachmanns aus Berlin, dic sich mit unsern eigenen Meinungen
auf das nächste berührt.

'tkuvstwart
 
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