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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 14 (2. Aprilheft 1901)
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Baumgarten, Bruno: Sprechsaal: noch einmal: das Deutsch in der Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0077

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heißem, ehrlichem und innigem Bemühn, die Schätze der Sprache und
Literatur unserer Jugend zugänglich zu machen. Und welchem von
den mannigfachen, geistvollen Vorschlägen er auch zustimmen rvürde,
sicher mützte er einsehen, daß ein Laie so leicht nicht mit Vorwürfen
kommen kann, die hier nicht schon zwanzigfach erhoben, oder mit Rat-
schlägen, die hier nicht schon weit öfter, gründlicher und tiefer crwogen
und geprüft würen.

Aber der Erfolg?

Ja, der Erfolg! — Sollte er wirklich so gering sein, wie es
nach jenem Artikcl scheint, so ist der Grund ein doppelter. Einmal der
sachliche, die Schwierigkeit dcr Aufgabe selbst, die llnmöglichkeit gerade-
zu, sie restlos zu lösen. Wenigstens was die Lektüre der Dichtung be-
trifft. Soll man nur lesen? Soll man erklären? Wieviel verträgt cine
Dichtung davon? Alles Fragen, unzähligemal aufgestellt und beant-
wortet, und doch von jeder Jndividualität inuerhalb gewisser vorge-
schriebener Schrankcn wieder neu zu stellen und zu beantworten. Und
damit zusammen hängt der persönliche Grund. Es gehört in der That
etwas mehr als guter Wille, es gehört ein ganzes Stück tüchtigen
Könnens, persönlicher Begabung dazu, einen sruchtbaren deutschen Unter-
richt zu geben. So reich sind die feinsinnigen Aesthetiker, die hell-
äugigen Literarhistoriker und die hellhörigen Sprachkenner nicht gesät,
datz hier nicht immer zahlreiche Mitzgriffe vorkommen mützten. Jch
denke, diescr Uebelstand mutz ertragen werden: „um der Gebrechlichkeit
der Welt willen", wie Kleist einmal sagt. Statistisch lätzt sich hier zwar
nichts berechnen; aber ich zweifle nicht, datz es gediegene Lehrer, dic
mit goldenem Ernst und goldener Heiterkeit die Schätze deutschen Geistes
aus der Schule verwalten, immer noch genug gibt, um die nachteiligen
Einflüsse anderer aufzuwiegen. Und ich glaube weiter, datz sich wahr-
hafte geistige Güter, wie sie in diesem Unterricht vermittelt werden
sollen, gar nicht so leicht dauernd verleiden und verekeln lassen —
wenigstens nicht für Schüler, die überhaupt empfänglich sind. Sonst
freilich mützte man beinahe in die unglaublich verstiegene Forderung
jencs Pfarrers cinstimmen, der vor nichr allzulanger Zeit der Religion
und der dcutschen Literatur nichts sehnlicher erwünschte, als datz man
sie aus der Schulc entfernte, die ihnen wie ein Vamppr das Leben
aussauge. Ob dann wohl die Klagen über die Oberflächlichkeit unserer
Gymnasialbildung aufhürten?

Es mutz eben zugegeben werdcn, datz sich aus diesem Gebiete das
Beste und Jntimste oft nicht unterrichten läßt. Der Lehrer wirkt ja
nicht unmittelbar auf dic Einzelsecle, sondern auf eine Gemeinschaft von
Jndividuen und erst durch diese mittelbar auf jeden Einzelnen. Daher
wird im Prinzip Auswahl und Behandlungsweise auf manche intime
Wirkung verzichten müssen und jeder der es probiert hat, wird zugeben,
datz Lyrik nicht unter die Gegenstände des „llnterrichts" gehört, auch
wenn man sie, wie K. H. will, auf „den Ausdruck dessen hin behandelt,
rvas sich nicht anders sagen lätzt". Man wird höchstens anregen, der-
gleichen dahcim zu lesen, wie überhaupt der Schwerpunkt des deutschen
Unterrichtes in oberen Klasscn in solcher anregenden Thätigkeit des
Lehrers liegen dürfte.

a. Aprilheft ^yot
 
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