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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 16 (2. Maiheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0181

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lebendige Keime leise regen. Der am
weitesten Vorgeschrittene unter ihnen
scheint mir Börries von Münchhausen
zu sein; bei dem tritt neben aller Ab-
hängigkeit von herkömmlichen Ton-
rveisen das Suchen nach der eignen
künstlerischen Persönlichkeit wenigstens
stellenweise doch schon hervor.
Namentlich in seiner von dem Göt-
tinger Musenalmanach unabhängigen
Sammlung „Balladen" thut sich
manchmal ein Streben nach Deut-
lichkeit, Klarheit des Ausdrucks und
damit Schlichtheit kund — meiner
Erfahrung nach das erste Anzeichen
dafür, datz ein Autor aus dem Sta-
dium schwärmerischer Anempfindung
und vagen Schwclgens im cignen
Temperament hinaus kommt und zu
fühlen beginnt, dah er etwas Be-
stimmtes, nur sich selber Eignes, Be-
sondres zu sagen hat. Das dröhnende
Balladenpathos dagegen, über das
Münchhausen verfügt und das ihm
zwcifellos seine Anhänger gcworben
hat, scheint mir an und für sich noch
kcin Beweis wirklich dichterischer An-
lagen. L. lveber.

* Jn Sachcn der Anthologieen
konnen wir unsern Lesern Erfreuliches
melden: der Reichstag hat cntgegen
scincn Beschlüssen erstcr und zwciter
Lesung nach Eingang unsrer Petition
in der dritten Lesung noch alle unsre
Wünsche befriedigt. So sind zunächst
Anthologieen nicht nur ,für den Kir-
chen-, Schul- und Unterrichtsgebrauch",
sondern auch „zu einem eigentümlichen
literarischen Zwecke" freigcgeben wor-
den, so dah ernstere Sammlungen
nicht von den Geschästsinteresscn der
Verleger abhängen. Ferner kann nicht
mehr der Besitzer des Urheberrechts
schlechtweg über Aufnahme oder Nicht-
aufnahme von Dichtungen u.s.w. ent-
scheiden (welcher gewöhnlich und nach
dem Tode der Verfasser sast immer
der Verlegcr ist), sondern unserm Vor-
schlage entsprechend der Vcrfasser
pcrsvnlich.— nach seinem Tode

fällt, wie wir gleichfalls petitionier-
ten, diese Beschränkung überhaupt
weg. Und drittens hat man auch
unserm älteren Vorschlage Gesetzeskraft
gegeben, dah eine Einwilligung des
Verfassers als erteilt gilt, wenn er
nicht innerhalb eines Monats Wider-
spruch erhebt.

* Briefsteller für Kinder.
Auf dem Vorsatzpapier einer weit-
verbreiteten lateinischen Schulgram-
matik finde ich die folgende Anzeige
einer im übrigen mit vollem Recht an-
gesehenen Verlagsfirma:

Briefe für Knaben und
Mädchen,

aus einer Sammlung deutscher Auf-
sätze auf mehrfachen Wunsch ge-
sondert herausgegeben von
C. Krumbach
8. Hübsch gebunden 2 Mk.
Liebe Kinderl Jhr habt ost
an Vater und Mutter, an Onkel
und Tante, an Geschwister und
Freunde Briefe zu schreiben. Diese
Sammlung soll Euch ein Führer
dabei sein, diese Briefe mögen Euch
zeigen, wie Jhr Eure Gedanken
einfach und klar, wie Jhr Eure
Wünsche und Bitten „schlecht und
recht" ausdrücken könnt. Es sollen
Euch diese Briefe als Muster dienen,
nach denen Jhr arbeitet, und eine
angenehme Lektüre in Euren Muhe-
stunden sein, die das Herz erfreut
und das Gemüt bildet. C. K.

Sollte der betreffende Pädagog noch
nicht wissen, daß jed es Schreiben nach
irgend einem „Muster", auch nach dem
an und für sich bcsten, zum Papier-
deutsch sührt? llnser allerwichtigsteS
Streben sür den deutschen Unterricht
ist, dah er die Sprache wieder lcbcn -
dig mache, lebendig als Sprache
auch im Geschriebenen, lebendig als
Ausdruck dessen, was in Kopf und
Herzen steckt. Da hat uns wirklich s»
ein Buch gerade noch gefehlt — ein
Briessteller sür Kinder, damit sie um
Himmelswillen so früh wic möglich
2. Maiheft tS»t

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