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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1901)
DOI Artikel:
Pudor, Heinrich: Die Kunst des Quartettspiels
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0244

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langjährige, tägliche und sehr gewissenhafte Uebung zu erreichen. Be-
kanntlich kann man auf einem Streichinstrument viel reiner spielen, als
auf einem Klavier, auf dem z. B. cis und 6ss eine Note bilden,
während in Wirklichkcit cis höher ist als 6es; infolge dessen klingen
alle Kreuztonarten auf dem Klavier zu tief und alle L-Tonarten zu
hoch, und ähnliches findet statt bezüglich des Unterschiedes von iVloll-
und Vur-Tonarten. Das Streichquartett kann nun eine gewissermatzen
„chemische" Reinheit der Harmonien herstellen, nicht zum wenigsten auch
deshalb, weil infolge der Aehnlichkeit der vier Jnstrumente die physi-
kalischen Nebentöne annähernd dieselben sind. Aber einc solche „chemi-
sche" Reinheit der Harmonien findet man nur iu Meister-Quartetten.
Diejenigen Streichquartette dagegen, die nur hin und wieder einmal zu-
sammenkommen und dcren einzelne Mitglieder nicht ganz und gar im
Streichquartette zu Hause sind, sind von jener „chemischen" Reinheit weit
entsernt. Unter dieser verstehe ich hier nicht ctwa, datz einmal eine
Vorzeichnung übersehen wird, sondern datz die Jnstrumente nicht ge-
nügend zusammenstimmen und die Spieler nicht rein genug spielen, ab-
gesehcn davon, datz sie viellcicht die Terzen zu tief oder zu hoch grcifen.
Möglichst vollkommene Reinheit also sei das oberste Gesetz bei dem
Streichquartettspiel. Man sci so gewissenhaft wie möglich darin, datz
erstens einmal alle vier --V-Saiten der verschiedenen Jnstrumente gcnau
zusammenstimmen, und datz zweitens die vier Saiten eines und des-
selben Jnstrumentes eine reine Quintenfolge ergeben, und hicrauf achte
man nicht bloh zu Anfang, sondern mit der gleichen Gewissenhaftigkeit
nach jedem Satze und inmittcn jedes Satzes. Und nun mache man die
Ohren auf und lausche auf die Tonharmonien, die aufgespielt werden.
„Hört" man wirklich hierauf, so wird man auch sehr bald den Unter-
schied nicht nur zwischen grober Unreinheit und relativer Reinheit, son-
dern auch zwischen absoluter und relativer Reinheit hören. Vor allcm
höre man auf den Einsatz, auf den ersten Akkord. Hier licgt natürlich
die grötzte Schwierigkeit, nämlich die Jnstrumente so rcin gestimmt zu
haben und die Applikatur so zu beherrschen, datz gleich dcr erste Akkord
rein wird. Gewöhnlich ist er es ganz und gar nicht, und erst im Verlaufe
dcr ersten vier Takte finden sich die vicr Spieler zu relativer Reinhcit
zusammen. Mit diesem ersten Akkord verhält sichs ähnlich wie mit dem
Einsatz bei einer Chorgesnng-Aufführung odcr dem Ansatz beim Bläser;
er ist der Prüfstcin des Streichquartetts. Und etwas Aehnlichcs findet
bei dem Schlußakkord und bei Fermaten statt; meistens merken die
Spieler bei solchen Gelegenheiten selbst, datz sie nicht genau zusammen-
stimmen oder nicht rein genug spielen und geben nun bei einer solchen
Fermate, wo der Akkord austönt und also lcichter auf seine Reinheit
hin geprüft werden kann, nach, indem der eine den Fingcr etwas weiter,
dcr andcre etwas zurücksetzt. Man sollte in solchem Falle sich belehren
lassen, wieder von vorn anfangen und es besser zu machcn suchen.

Aber das Ensemble hat sich nicht nur auf die Rcinhcit der Har-
monien, sondern auch auf den Rhyth mus zu erstrccken. Wenn vier
mit einander ivenig geübte Spieler zusammenkommen, so kann man
beobachten, datz das Tempo fortwährend schwankt, statt datz es im
Allgemeincn, — abgcschen von den vom Komponisten vorgesehenen
Tempoveründerungen — unerschütterlich feststcht. Vor allem keine
Runstwart

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