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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 19 (1. Juliheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0317

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Tonart mit einander verknüpft waren;
man unterschied Kirchensonaten, die
aus feierlichen oder fugierten, Kam-
mersonaten, die aus lied- und tanz-
mäßigen Stücken sich zusammensetzten.
Allmählich tritt eine Verschmelzung
beider Gattungen ein, man läßt die
langsamen mit den lebhaften Sätzen
abwechseln, während dieKammersonate
daneben als Suite (Partite) weiter-
lebt. Bei Corelli ist der Uebergang
noch nicht ganz vollzogen, Kirchen-
und Kammersonaten sind noch im
Grundcharakter unterschieden, aber das
Prinzip der Abwechslung im Tempo
der Sätze wird schon bervußtvoll durch-
geführt. Namentlich die getragenen
Sätze Corellis sprechen durch ihren
überzeugenden Ausdruck noch immer
ungeschwächt und kernhaft uns zum
Ohre, und auch in den bewegteren
Sätzen ist eine gewisse Gehaltenheit
des Vortrags nicht zu verkennen. Der
Spielumsang geht über die dritte Lage
noch nicht hinaus. — Eine ganz vor-
treffliche, billige Auswahl Corellischer
Sonatensätze, die auch einer beschei-
denen Technik noch zugänglich sind,
enthält das von A. Schulz besorgte
Corelli-Album (Braunschweig, Litolff).
Auch der nach dem bezifferten Baß
des Originales ausgesetzte Klavierpart
wird dem begleitenden Pianisten
oft Freude machen. Wir bringen einige
Proben daraus in der diesmaligen
Notenbeilage. Jm ersten Präludium
^.-äur glaubt man einen Vorklang des
Priestermarsches aus der „Zauber-
slöte" zu vernehmen. Welche süße
Schwermut in der ir-moil Sarabande,
welch rüstiger, jagdfroher Zug in den
Gavotten, welch inniger Gesang im
L-äur Präludium, welche gesunde,
volkstümliche Kraft in der ll-äui- Sa-
rabande; wie feurig und unaufhaltsam
sprengen die Gigucn einher. Jch meine,
dieses Album, von dem auch ein
Arrangement für Cello vorhanden ist,
gehörte wirklich in jede musikalische
Familie, in der Violine gespielt wird.

Die Klarheit, Würde und Plastik der
Corellischen Sätze gibt ihnen den
Stempel unvergänglicher Schönheit.

Eine Anzahl Sonaten bringt auch
David in den Vorstudien. Als zweck-
mäßige Ausgabe von ox>. 5 empfehle
ich die Jensensche (London, Augener).
Sie enthält die bekannte b'ollia cou
VuriLrlooi (k'olies ä' L8pLAue), die
auch in virtuosen Bearbeitungen für
den Konzertsaal von David (Hohe
Schule), Alard und Hermann existiert.

Von den Schülern Corellis kommt
Geminiani etwa mit der L-ruoll
Sonate (Hohe Schule Nr. (5) in Be-
tracht. Locatelli ist ein reiner Tech-
niker, von dem schon Burney treffend
bemerkte, daß seine Kompositionen
mehr Erstaunen erregen als Genuß
bereiten. Albinoni und Vivaldi
haben Verdienste um die Entwicklung
der Form, ihr Ruhm schreibt sich aber
daher, datz sie die Beachtung Joh.
Seb. Bachs gefunden haben. Eine
recht heitere und prickelnde Sonate
Vivaldis steht in Davids hoher Schule.
Ohne sich in seiner Melodik mit Corelli
messen zu können, ift er doch erfin-
derisch in Aeußerlichkeiten: zu Echo-
Effekten und Pizzicatobegleitungen ge-
sellen sich programmatische Tonmale-
reien. Eins seiner Violinkonzerte
schildert einen Seesturm, ein anderes
eine Jagd,> auch die vier Jahreszeiten
dienen ihm zum Vorwurf. Aber das
Jnteressante dieser Versuche bleibt in
der Jdee stccken, die musikalische Ver-
wirklichung bleibt phantasielos und
dürftig, und so haben wir keinen
Grund zu beklagen, daß diese Werke
durch Neudrucke noch nicht zugänglich
gemacht sind.

Daß all diese alten Herren allen
besseren Violinspielern wieder lebendig
werden, das ist ja nicht zu erwartcn.
Wir könnten auch schon zufriedcn sein,
wenn wenigstens Corelli ihnen allen
wieder vertraut würde, denn gewöhn-
lich gehen ihre praktischen Kenntnisse
nicht weiter zurück als zu Viotti. R. B.

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