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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 19 (1. Juliheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0321

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stolzieren, so sehnt man sich nach der
Stimmung der freundlichen Fußreise
von Mörike-Wolf, nach Rosen und
nach einem Gespräch mit dem Freunde
oder der Gelicbten.

Ob die moderne Musik vielleicht da-
mit eine Kulturaufgabe erfüllt, daß sie
von der Kunst weg ins lebendige
Leben zurücktreibt?

Georg Göhler.

*Zur Frage des lyrischen
Chordramas, die in Heft ,7 erötert
und bis zur praktischen Erprobung in
der Schwebe gelassen wurde, erhalten
wir eine interessante Mitteilung: Jn
einem Festspiel, das zur Erinnerung
an den Eintritt der Stadt Basel in
den Schweizer-Bund unter freiem
Himmel aufgeführt wurde, hat Hans
tzuber neben dem auf dem Schau-
platz singenden und das Volk dar-
stellcnden Chor einen besondercn „Fest-
chor" auf einer Estrade von vierhundert
Personen seitlich vor der Bühne auf-
gestellt.

Fcstchor Orchester Fcstchor

Dirigcnt

Dieser Festchor hatte die Aufgabe:
Stimmungen, welche das Spiel cr-
wecktc, im Hörer nachklingen zu lassen
und zu vertiefen, er war ein ganz unper-
sönlicher,von dem des attischen Dramas
vcrschiedener künstlerischer Faktor, der
insgemein nach den Aktschlüssen in
Thätigkeit trat. Die Wirkung dieser
Festchöre soll bedeutend gewesen sein.

VUctencle unck sngervsnclte Kunst.

* Das BegaSsche Bismarck-
Denkmalvor dem Reichstagsgebäude
in Berlin ist also enthüllt worden —
ein Werk, vollkommen im Geiste des
Nationaldenkmals für unsern ersten
Kaiser. Bezeichnen wir's so, so kennen
die älteren Leser des Kunstwarts unsere
Meinung darüber: wir geben auch ihm

gern eine Menge von Einzelschönheiten
zu, nicht zu erkennen vermögen wir
aber darin jenen Geist der großen
Plastik, die vom Kunstgewerbe inner-
lich wesensverschicden ist.

Das Denkmal ist ein Zusammen-
bau von rotem Granit und Bronze,
in der Mitte hochragend Bismarck in
der Kürassierunisorm, weiter unten
rings allegorische Figuren, auf dem
Steine an verschiedenen Stellen Reliefs.
Die Komposition, wie sast immer bei
Begas, lose aber geschmackvoll und
dekorativ, das Ganze auf eine An-
sicht, die von vorne, gearbeitet. Bis-
marcks Gestalt selbst wohl die beste
plastische, die wir von ihm haben,
was bereitwillig zugegeben sei. Die
Nebenfiguren in manchem sehr schön
nach Form und Linie und natürlich
sehr dekorativ. Und doch?

Bildet die Natur die Häupter ihrer
Lieblingskinder gewaltig aus, bildet
sie Köpfe wie die oon Bismarck, Goethe,
Beethooen, Wagner, Liszt, Böcklin, so
denkt der Laie: wie leicht hat's der
Bildner da, alles ist ihm ja schon ge-
geben! Reizen zur Wiedergabe, gewitz,
das thun solche Titanenköpfe auch den
Künstler, wie keine sonst. Aber bei
der Arbeit merkt er's, daß die über-
mächtige Vorarbeit der Natur seine
Mühen nicht erleichtert, sondern er-
schwert; er kann nicht mehr steigern,
indem er herausarbeitet, was vorläufig
nur er sieht, er kann nur nachfolgen,
und er erreicht die Naturschönheit nicht.
Welche plastische Darstellung hat die
der Köpfe von Beethoven, Wagner oder
Böcklin erreicht? Und welche die,
deren wir vor den besten simpeln
Photographieen Bismarcks genietzen?
Es sagt noch lange nicht, datz Begas'
Bismarck schlecht wäre, und doch ist es
wahr: selbst eine Photvgraphie nach
Bismarck, wic die von uns (Kw. XIU, z)
gebrachte, gibt vom Wesen dieses über-
ragenden Geist- und Willensmenschen
immerhin mehr, als die Begassche
Denkmalsfigur.

Iuliheft ,d0t
 
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