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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 19 (1. Juliheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0324

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trachtet. Wir denken nicht daran,
,die Modernen" unbedingt für„kirchen-
reif" zu halten, wir ivürden z. B.
nicht befürrvoriet haben, Sascha Schnei-
der eine Kirche ausmalen zu lassen,
rvas doch geschehen ist. Es wäre
aber schön, wenn uns die nächste
Landessynode bewiese, daß innerhalb
der Geistlichkeit nicht mehr wie früher
eine Mchrheit, noch wie jetzt eine
Minderheit, sondern daß keiner mehr
nach „Richtungen" sittlich verdammte
oder lobpriese. Was der Einzelne
kanrü, was der Einzelne ist, das
geht uns allein an. Eine „Richtung"
bedeutet an und für sich nur die
Sprache, mit der man redet, aber
hier handelt sich's darum, was in
dieser Sprache geredet wird.

Verrniscktes.

* Mit Herman Grimm ist
keiner der stärksten, aber einer der
feinsten Kunstschriftsteller gestorben, die
Deutschland je gehabt hat. Wer ihn
kannte und nun nach dem Begriffe
sucht, der annähernd sein Wesen um-
schreiben mag, dem kommt sofort das
Wort „Anreger" auf die Lippen. Es
paßt nicht ganz, denn die Kunstwissen-
schaft hat Gebiete, auf denen Grimm
so bewundernd und bewahrsam blieb,
daß ihm hier keinerlei Skepsis auf-
kam und daß er den Neuerern gegen-
über im Gegenteile zum Konservatoren
ward. Aber seine Bedeutung als Er-
ziehcr zahlreicher Schüler beruht sicher-
lich auf dem Anregen. Er vereinigte
mit einer Begeisterungsfähigkeit, die
anfeuernd auf andere überging, in
merkwürdiger Weise das unwillkür-
liche Suchen nach dem, was man
sonst nicht suchte, und schien es manch-
mal beinahe, als säh' er dabei im
Dunkeln besser als im Hellen, so

machte das doch nur schwache Köpfe
verwirrt, die starkcn durften ihm für
den Hinweis eben auf jenes „Andere"
danken. Da und dort freilich mußte
Grimm seiner Natur nach versagen.
Die neuen Gestaltungen in Schrift-
tum und Kunst waren eincr anderen
als seiner eigenen Geisteskultur ent-
wachsen; Grimm mußte sich erst von
seinem Standpunkte wegbewegen, um
ihnen näher zu treten, und that er
das, so sah er sie dann, ohne in
sich zu fühlcn, rvas sie ausdrücken
wollten. Das besagt: er mußte
sie nach ihrem äußerlich formalen
Getriebe allein bewerten und konnte
dann Ursprünglichkeit und Nach-
bildnerei nicht sicher unterscheiden.
Seiner Urteile über Modernes wird
man bald vergessen, seincr Anregungen
übcr ältere Kunst wird man sich auch
im Widcrspruche noch lange erfreuen,
und mit den Großen der italienischeu
Renaissancewieder deutschen klassischen
Dichtung wird aus absehbare Zeit
keiner vertraut zu sein glauben, eh
er sich mit Herman Grimm über sie
besprochen hat.

* „Jm Briefkasten des Kunst-
warts" sollen wir immer rvieder
irgend jcmandcm, der sich nicht nennen
mag, eine Antwort geben — immer
wieder, obgleich doch dieThatsache, datz
der Kunstwart gar koinen „Briefkasten"
hat, keineswegs verschleiert oder ver-
borgen wird. Teilen wir's also noch
einmal ausdrücklich mit: wir haben
keinen „Briefkasten", können aus be-
stimmten Gründen auch kcinen ein-
führen und sind also schlechterdings
außer Stande, Zuschriften zu beant-
worten, die nur mit „Erika" oder sonst-
wie unterzeichnetsind. Wer uns schreibt,
wolle sich nennen und seine Adresse
angeben. '

llunstwart
 
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