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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 20 (2. Juliheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0355

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Bezeichnung des Textes als „drama-
tischer Dichtung" beweist — die viel-
fach angefochteue und im allgemeinen
gewiß auch nur mit wesentlichen Ein-
schränkungen aufrecht zu erhaltende
Wagnersche Verurteilung der ganzen
Gattung ihre volle Giltigkeit hat. Der
im übrigen nicht ungeschickt gemachte
Text ist in der That solch eine „natur-
widrige Ausgeburt", die Drama sein
will, „aber gcnau nur soweit, als sie
der Musik crlaubt, die unbedingte Haupt-
sachc, die einzig tonangebende Kunst-
art im Drama zu sein." Ueber die
Röhrsche Musik kann ich leider nur
nach dem Studium des, wie mir der
Komponist versichert, in vieler Hinsicht
nicht genügenden Klcwierauszugs, —
also nur mit einiger Zurückhaltung
urteilen. Danach scheint mir das Werk
das zu sein, was man so cine „dan-
kenswerte Bereichcrung der Literatur"
nennt, nicht mehr. Höhere künstlerische
AnsprüchescheintNöhrnicht zu hcgen; es
kam ihm vor allem darauf an, äußcrlich
wirkungsvoll zu schreiben. Das ist ihm,
wie der grotze Erfolg crwies, auch voll-
kommen gelungen. Die thematische
Erfindung ist durchaus schwach und
unselbständig, der Mangel an Vornehm-
heit in der gelegentlich auch grobe
Trivialitätcn nicht verschmähenden
Wahl der Ausdrucksmiltel ist bcdenk-
lich fühlbar. Vor den Arbeiten Max
Bruchs, die dieser Ekkchard an innerem
Wertc nicht wesentlich überragen dürste,
zeichnet er sich durch eine bedeutend
modernere und insofern interessantere
Tonsprache aus. Röhr kcnnt nicht nur
seinen Wagner und Liszt sehr gut,
sondern er versteht es auch nicht selten,
durch neue harmonische und nament-
lich, wie von urteilsfähiger Seite ver-
sichert wird, orchestrale Kombinationen
zu fesseln.

Von anderen Choraufführungen
darf dic vom Porgesschen Chorverein
als Gedenkfeier für seinen hochverdien-
ten Gründer veranstaltete, von Hugo
Röhr geleitete Wiedergabe des Liszt-

schen „Christus" nicht unerwähnt
bleiben. Um die, wenn auch mit
leider nicht ganz genügenden Kräften
unternommene, aber trotzdem um der
Sache willen höchst beachtenswerte
Pflege älterer Chor-Musik (Giooanni
Gabrieli, Orlando di Lasso, Ludwig
Senfl, Benedetto Marcello u. a.) machte
sich auch heuer der Münchcner Chor-
schulverein des Dom - Kapellmeisters
Eugen Wöhrle verdient, während der
Lehrerinnen-SingchorUlrichSchreibers
sich zweier wenig bekannter reizvoller
Lisztscher Chöre: „Des erwachenden
Kindes Lobgesang" (Frauenchor, Har-
monium und Harfe) und des zur
WeimarerSäkularfeier des Goetheschen
Geburtstages komponierten Chores
der Engel aus dem II. Teile deS Faust
sgemischter Chor mitKlavierbegleitung)
annahm. Dagegen zeigten die Pro-
gramme der Männergesangvereine, der
einheimischen sowohl wie des durch-
reisenden Kölner Männergesangvereins,
ein erschrecklich tiefes künstlerisches
Nioeau. Es scheint wirklich, dah
diese Gattung, die doch an sich so
trefflich im Dienste einer würdigen
Volksmusikpflege zu gebrauchen wäre,
als für die ernste Musik nicht in
Betracht kommend endgiltig aufge-
geben werden müsse. Abgesehen von
den immerhin ein höheres Streben
verratenden, aber wie mir scheint, mit
ihrer dem innersten Wesen des Vokal-
stiles widersprechenden Absicht auf
möglichst minutiöse Textillustratton
und dctaillicrende Tonmalerei grund-
sätzlich verfehlten Chören Friedrich
Hegars und seiner Nachahmer (Franz
Curti u. a-), begegnet cinem hier kaum
jemals ein ncueres Werk, das auch
nur für einen Augenblick intcressieren
könnte. Dabei läht sich mit dem
Männerchor, so viele Beschrünkungcn
er auch der Tonsprache des Kom-
ponisten auferlegt, thatsächlich sehr
viel erreichen. Das beweisen nicht nur
die bedeutenden, allerdings von unseren
Vereinenso gut wie gänzlich ignorierten
2. Iuliheft (qot
 
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