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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 22 (2. Augustheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0446

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schneidet bis zu dem schmerzlichen
Tiefbau einer Horizontlinie, welche
Himmel von Erde scheidet, jenen Him-
mel voll ungeheurer Wolkenberge, die
mit schrecklicher Wucht übers Land
ziehen, unter sich die Schleppe des
Regenstroms. Ein erster Sonnenblitz,
hier, da, dort auf gelber Kiesgrube
und Kornfeld, auf goldnem Wolken-
thron in der Ferne, auf weißem in
der Höh', dann ein blauer Schimmer
durch das Gitter spitzer Wolkenstreisen
und schlietzlich vor Allem das mäch-
tige Halbrund eines blendenden Regen-
bogens — hinter uns die Sonne. Wer
sich nach so inniger Betrachtung wendet,
wird sie sehen, nach düsterer Schwer-
mut, Einsamkeit und schmerzlichem
Ausbruch ein namenloses Lächeln.
Und daran sah ich Viele verständnis-
los vorübergehen, um den breiten Er-
guh etlicher Oeltöpfe zu bewundern.
Sie werden knieen vor dem hand-
greiflichen Bilde der Sonne, aber die
des Herzens schauen sie nie, wie Er-
ler sie schaute in den Augen jenes
Mädchens am Klavier. Ein Gesicht,
an dem der Modemensch vorübergeht
wie der Modekritiker an Schultze-Naum-
burgs Landschaft, ein Gesicht voll ge-
heimer Glut, ein Mund bebend von
Liebe, deren Zeit noch nicht gekommen
ist, deren Zeit aber kommt. Weiße
Vase, weiher Rosenstrautz auf schwar-
zem Klavier, du sagst dcm Blick, was
das Notenblatt und die Hand auf der
Taste dem Ohr mitteilen könnten.

Lothar von Aunowski.

«.Schlutz folgt.)

* Hans Thoma über Kunst-
vereine und Volkskunst.

Thoma hat sich durch einen Aufsatz
in der „Gesellschaft' veranlatzt gesehen,
dort zum Thema „Kunst und Staat"
das Wort zu ergreifen. Er war einer
der ersten Mitunterzeichner unserer
.Goethe-Stiftungs"-Petition, aber so
wenig wie irgend ein dcnkender Kunst-
freund sonst verspricht er sich wirklichen
Nutzen von einer obrigkeitlichen oder
Kunstwart

privaten „Förderung" der Künstler,
sobald sie was andres als sreie Bahn
für selbständige Bethätigung schasfen
will. Nach anregenden Betrachtungen
darüber und über die Unfähigkeit der
Majoritäten, über Echtheit in der Kunst
zu entscheiden, kommt Thoma auf
Kunstvereine zu sprechen, und nun
wollen wir ihm zuhören, ohne drein-
zureden. „Kunstvereine', sagt er, „gibt
es schon lange, sie sind gewitz in red-
lichster Absicht gegründet worden; sie
sind wohl auch so gut, als sie es nur
sein künnen, und sie haben gewitz zur
Entwicklung der Kunst manches bei-
getragen und haben in einer der Kunst
nicht günstigen Zeit Raum geschaffen,
datz sie überhaupt zu Worte kommen
konnte; sie haben Jnteresse für die
Kunst in einen weiten Kreis getragen,
und wenn auch die Philistrosität na-
türlich an der Pflege der lieben Mittel-
mätzigkeit hängen blieb, so dürfen die
Künstler diesen Vercinen doch dankbar
scin. — Könnten nun nicht diese Kunst-
vereine ein wenig aufs Neue sich ihrer
Aufgabe besinnen? Könnten sie sich
nicht besinnen, datz sie noch etwas
Anderes thun könnten als blotz Bilder
unter ihre Mitglieder zu verlosen? Ob
sie nicht bei veränderten Zeitverhält-
nissen ihre Thätigkeit zum Wohle der
Kunst ersprietzlicher gestalten könnten?
Wie dies zu machen wäre, darüber
nachzudenken, ist mehr Sache des
Kunstliobhabers als des Künstlers.
Ein wenig mehr Jdealität in den
Kunstvereinen könnte gut sein; dic
Mitglieder würden dann nicht nur
daran denken, dah sie einen Gewinn
für sich machen könnten durch ein ihnen
zufallendes Los, sondern sie würden
auch ein Opfer bringen, um die Kunst
als wichtiges Kulturelement zu fördern.

Durch all das, was ich hier sage,
möchte ich, daß die Meinung zu Tage
tritt, datz der Künstler von Gott und
Rechts wegen alle Bedingungen in sich
trägt zum Bestehen und Ausreifen
seines Wesens, datz vor dem Schaffens-
 
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