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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 23 (1. Septemberheft 1901)
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Schwindrazheim, Oskar: Von deutscher Bauernkunst, [1]
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0474

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Wir können an den betreffenden Bauernstilen viel deutlicher, als
das in städtischer Kunst der Fall sein kann, germanische, slavische und
gemischte Rassen von einander unterscheiden, eingesprengte Kolonisten
heben sich deutlich von ihrer Umgebung ab und verraten in ihrer Kunst
ihre ursprüngliche Stammesangehörigkeit. Mit echt bäuerlicher Zähigkeit
hat die Bauernkunst bei aller unleugbaren Neigung, sich städtischen Ein-
flüssen zu eröffnen, die Ueberlieferung festgehalten. Bis in welche Zeiten
zurück solche Traditionen reichen können, dafür legen die niedersächsischen
Pferdekopfgiebel, die pferdekopfgeschmückten Herdbalken der Lüneburger
Haide, die niedersächsischen Donnerbesen, die noch auf heidnische Zeiten
zurückführbar sind, Zeugnis ab. Für diese Treue der Tradition gibt
es ivohl kaum ein besseres Beispiel, als das Verhältnis zwischen den
niedersächsischcn Pferdeköpfen und den brabanter oder flämischen Schwänen
am Hausgiebel der Vierlande, des Altenlandes und Finkenwärders.
Das Alteland zeigt ausschlietzlich Schwäne am Giebel — es ist offen-
bar von sehr reinblütigen Nachkommen brabanter Kolonisten bewohnt.
Jn dcn Vierlanden trifft man überall die niedersächsischen Pferde-
köpfe am Giebel an, was auf den ersten Blick befremdet, da die
Legende und auch allerlei Spuren iu Tracht und Vornamen auf hol-
ländische Abkunft hinwiesen — und siehe da: im ältest besiedelten und
konservativsten Teil des Landes, in Altengamme, dem Teil, der vom
Altenlande just am allerweitesten entfernt ist, sehen wir plötzlich in der
That eine Gruppe von Häusern, die Schwanenköpfe statt der Pferdeköpfe
als Giebclschmuck tragen! Sofort ist die Sachlage klar: den Altländern
verwandte flämische oder holländische Kolonisten haben zuerst die Kvlo-
nisierung der jetzigen Vierlande in Angriff genommen, aber ihnen haben
sich Niedersachsen zugesellt, und unter den beiden Stammeszeichen haben
die Pferdeköpfe allmählich die Schwäne verdrängt. Dieser Sieg war hier
um so leichter, da die Vierlande rings von rein niedersächsischem Gebiet
umringt sind, während das Alte Land im Norden an die friesischen oder
halbfriesischen Bauernrepubliken stöht und die Wilstermarsch jenseits der
Elbe ebenfalls holländische Kolonisten aufgenommen hat. Finkenwärder
ist eine kleine Jnsel, die offenbar im Nordwesten, wo sie dem Altenlande
nahe ist, von diesen, im Südosten aber von Niedersachsen aus der Haide
besiedelt ist — getreulich finden wir daher hier die Pferdeköpfe, dort die
Schwanenköpfe am Hausgiebel. Auf der „Völkergrenze" aber steht ein
Haus, dessen Nordwesten zugekehrter Giebel Schwäne, dessen nach Süd-
osten blickender dagegen Pferdeköpfe trägt! Nur in bezug auf die schon
erwähnte zebraartige Bemalung ist die Bevölkerung vollständig einig

geworden. Gskar Schwindrazheim.

(Schluß folgt.)

Lose jblätter.

Rruckslücke aus Mllketm Rsabes Merken.

Vorbemerkung. Wir könnten hier eine ganze kleine Geschichte von
Wilhelm Raabe abdrucken, die vier Bände der „Gesammclten Erzählungen" ent-
halten deren vortreffliche in Hülle und Fülle. Aber wir ziehen es vor, Bruchstücke
aus einigen dcr berühmtesten Werke des Meister-Autors zu geben, leidlich abge-
schlossene selbstverständlich, die abcr den Appetit auf mehr anregen. Denn es

(. Septemberheft (901

4ZS
 
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