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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 23 (1. Septemberheft 1901)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0483

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Farben an. Horackers Thaten bildeten das Gespräch in der Schenke wic im
Klub der Honoratioren, Horacker wurde in der Küche und in der Putzstube
verhandelt, von Horacker unterhielt die Gattin den Gatten, das Kind die Eltern,
die Großmutter die Enkel und die Enkel den Großvater. Wenn der von einer
Fahrt über Land heimkehrende Hausvater den Seinigen gesund, mit heilen
Knochen und dem Geldbeutel in der Tasche wieder geschenkt worden war, so
wurde er von Weib und Kind nicht wie sonst gefragt: „Was bringst du uns
mit?" sondern man hing sich an ihn und um ihn und schrie ihn an: „Jst dir
Horacker nicht begegnet?" Und selten kam jemand nach Hause, dem Horacker
nicht begegnet war, wenn auch nicht persönlich, so doch in den Mäulern der
Leute. Selten waren in kürzerer Frist so vicle alto Geschichten aus dern
neuen Pitaval und aus Basse's Verlag in Ouedlinburg aufgewürmt worden
wie hier seit dem Tage, an welchem Horacker einem alten Butterweibe aus
Dickburen unter den „Uhlenköpfen" über den Weg gesprungen war; uns aber
überfällt es in diesem Moment heiß und kalt, daß wir den alten Eckerbusch
und den Zeichenlehrer Windwebel bis jetzt allein im wilden Walde laufen
ließen, ohne uns ihnen zur Begleitung mitzugeben; — wie leicht können auch
wir nachher es mit dem Staatsanwalt zu thun kriegen, wenn ihnen in Folge
unserer Vernachlässigung eine Unannehmlichkeit passiert ist, und wir zum Bei-
spiel nur noch ihre verstümmelten Leichname seitab vom Pfade in der Wild-
nis und auch nur vermittelst unseres Geruchsinns auffinden?

Vivat, noch leben sie! Vivaot io 8vslnila saeouloruw! Von der Stadt
herauf wandelnd hatten ste Beide nach einem etwas mühseligen Marsche auf
schmalem Wege zwischen einem ziemlich tiefen Hohlwege und weiten recht
sonnigen Ackerfeldern, den Waldrand erreicht und damit das Hauptlustrevier
des alten Philologen tdes Konrektors Eckerbusch) seit den frühesten Jugend-
tagen. Alles was ihn im langen Leben bedrückte odcr hemmte, hatte cr
diesen Hohlweg und diese Roggen- und Weizenbreiten entlang den drei Eichen
entgegengetragen, die an der Waldecke einige Bünke, aus Feldsteinen aufge-
schichtct, überschatteten. Nicht hundertmal, sondern tausendmal hatte er von
diesen Bäumen, und nicht bloß im Sommer, Frühling oder Herbst, sondcrn
auch am schärfsten Wintertage und Abend, auf die Heimatstadt hinab gesehen,
und dann Allerlei — mit sich selber abgemacht.

Der Konrektor hatte viele gute Bekannte und Freunde in der Stadt und
auf dem Lande; aber zu den besten gehörten doch die drei Eichen; und die
Freundschaft war auch eine gegcnseitige, was in solchen Dingen eigentlich das
Allerbeste ist.

„Da kommt er wieder!" riefen die Dryaden vergnügt, und die alten
Bäume steckten lustig rauschend die Köpfe zusammen, und manchmal fragte cs
auch in den Wipfeln: Wen bringt er denn heute noch mit?

So heute; und —

„NL den Kollegen Windwebel!" riofen alle drci klassischen

Baumjungfern, noch vergnüglicher zwischen dem rauschenden Gezwcig durch
auf den Waldweg hin auSlugend.

Auch der Konrektor Eckerbusch begrüßte seine drei Lieblingsbäume, und
saß einen Augenblick auf einer der Bänke nieder, um nach dem heißen Empor-
steigen Atem zu schöpfen. Der Kollege stand und studierte die Beleuchtung
der Berge jenseits der Stadt im Thale und des FlusseS.

„Hier saß ich als Quartaner und präparierte mich auf den Cornelius
Nepos; und fragen Sie mal meine Jda, was noch Alles ich hier gethan habe.

Uunstwart
 
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