Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

DOI Heft:
Heft 13
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0206

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
s

ist das Auge des j)ublikums uoch zu weuig geschult;
es übersieht die Feinheit malerischeu Reizes uud sindet
Bilder dieser Art langweilig. Rlau denkt uicht, daß
man Studien vor sich hat."

„Iumitteu der gewaltigen technischeu Gffeusive der
modernen Malerei nimmt das Studium des Lichts
eine immer wichtigere Stelle ein. Daß man, um
Lichtwirkung und -reize zu studiren, über das her-
kömmliche geschlossene Licht hinausging, daß man sich
hinter dem Atelierfenster und seinen Dorhängen be-
schränkt fühlte und das Licht lieber gleich da auf-
suchte, wo es am reichlichsten zu finden ist, unter
freiem Lfimmel, brachte unzweifelhaft einen bedeutenden
Fortschritt. Seitdem man aber diese »Lntdeckung«
des Lichts unter freiem k^immel gemacht hat, hat sich
das Feldgeschrei des kleiu-uir von s)aris aus so laut
durch die Malerwelt fortgepflanzt, daß man meinen
könnte, der Stein der weisen sei gefunden, es handle
sich hier um eine definitive, auf alles anwendbare
Lösung. — Nachdem man lange die Vorliebe gehabt
für wenig Licht und Dunkelmalen, ist es eine wesent-
liche Ltappe des Fortschritts, daß man jetzt Luftper-
spektive und Lichtwirkung an den Gegenständen studirt,
indem man sie möglichst vielem Licht aussetzt, also im
Freien; daß man aber das klsiu-air, überglücklich, es
zu kennen, auch anwendet, wo es nicht hingehört, ist
Sache der Mode und wird hoffentlich vorübergehen.
Dieles, was der jAeinairist malen möchte, trägt sich
naturgemäß — wenigstens bei uns nördlich der Alpen
— nicht unter freiem Lfimmel zu. Ffier hilft man sich,
indem man im Grund eines Zimmers mächtige Fenster
anbringt, als wäre es ein photographisches Atelier,
und so das Licht in breitem Strom hereinfluten läßt,
daß es den Nontur der Gestalten weißlich umsäumt,
unaufhaltsam über wände, Decke, Tische und den
Fußboden läuft, durch Neflexe auch den Nest von
Dunkel erhellt. Das sind malerische Gxperimente, die
in das Rapitel der Neizlosigkeiten und Studien ge-
hören, welche der jungen Nunst anhaften. kfier sind
die härtesten Bissen, die der Ausstellungsbesucher
schlucken muß. Fabrikräume und Büreaux, Labora-
torien und werkstätten, Lesezimmer oder Zeichensäle,
die ein starkes, gleichmäßig verteiltes Licht brauchen,
welches zerstreuend nach allen Seiten geht, ohne dem
Auge einen einzigen Nuhepunkt zu gönnen, machen
in der That einen furchtbar nüchteren, langweiligen
Lindruck. wenn ein Nlaler hier Lichtstudien machen
will, mag er es thun; aber das Unmögliche kann er
nicht möglich machen, mit aller technischen virtuosi-
tät aus solchem Gegenstand keinen wirklich malerischen
und künstlerischen Reiz herausziehen. Lfier giebt es
eine fühlbare Grenze, und wenn man mit Znteresse
und Freude dem Ningen jugendlicher Talente folgt,
so wirkt es erkältend, einer zwecklosen Dirtuosität
gegenüberzustehen. .

„Dem vorwiegenden Zndividualismus, worin sich
eine niedersteigende Nichtung zerfasert, zersetzt und auf-
löst, den Bizarrerien, Raprizen und Nlanieren tritt in
wohlthuender Tinförmigkeit ein Nreis junger Talente
entgegen, die sich wenig von einander unterscheiden
wollen, weil es nicht auf sie ankommt, sondern auf
die verlorene Runst. Sie greifen nicht gleich wie die
Rinder nach den Sternen, sondern fangen bescheiden
an. Lfierbei erscheinen sie Nkanchem roh und geschmack-

los, und vielleicht ist vorderhand mehr guter wille
vorhanden als Talent. Aber Talent ist Gunst und
Gnade; Lrkenntnis und guter wille muß mitgebracht
werden. wir haben in unserem Zahrbundert so viele
Begabung durch Nlangel an Rönnen und Rünstler-
fleiß scheitern sehen, daß das Lernen für die junge
Generation die Hauptsache wird. Bei uns in Deutsch-
land scheint sich jetzt in diesem Sinn ein Rreis schließen
zu wollen; aus all unseren Stämmen schaaren sich
junge Rünstler um die Fahne in Nlünchen. wenn
es auch in Berlin den guten Ansätzen gelingen könnte,
die seltsame Nuschung von kecker Trivialität und j)han-
tastik zu überwinden, die das wesen des Berliner-
tums ausmacht, und deren eigenstes j)rodukt, der
Berliner witz, diesen Boden zu einem so unkünst-
lerischen verdammt, so würde das der Sache der
Runst nur zum Heile gereichen."

Die Dorzüge der jungen und werdenden Runst, sagt
Neumann gegen den Schlußhin, „sind wie Substruktionen,
deren wichtigkeit und Solidität der würdigen kann,
vor dessen Auge bereits der j)rachtbau emporsteigt, der
einst sicher und wohlgegründet darauf ruhen wird.
Nnsere junge Runst glänzt nicht und hat noch wenig
wirkung; aber sie ist gesund im Rern und wird sich
auswachsen. N)as wir von ihr erwarten, ist, daß sie
ihren Anfängen entsprechend fortfahre in unver-
drossener Schulung und Aufrichtigkeit. Was sie immer
ergreife aus dem weiten Umkreis der natürlichen Lr-
scheinung, diese Runst muß es als ihr Höchstes erachten,
daß jeder Zoll an ihr Natur sei und Tharakter und
Ausdruck. So wird sie stark sein im Besitz technischen
vermögens und ehrfürchtig im Angesicht der Natur.
Mann wir soweit sein werden, kann Niemand pro-
phezeien. Aber wir glauben an den Glauben und
an die Rraft selbstloser Wahrheitsliebe. — Wenn
dann die Zeit erfüllt ist, wird die künstlerische jDhan-
tasie ihre königlichen Nechte wieder geltend machen
dürfen, und der heilige Geist der alten Runst wird
seinen Segen dazu geben. wenn dann große Rünstler
erstehen, werden sie den Boden bereitet sinden, und
Niemand wird den Flug zur Sonne wagen, der nicht
zuvor gelernt hat, fest auf dieser Lrde zu stehen."

Ikunstbandwerk.

* Die „Zliutationen" bezeichnet Georg Buß
sSchlesische Ztg. 10 6) als Feinde unseres Runstge-
werbes, die dessen Bestand untergraben. „Das Lmail
wird in gepreßtem Buntpapier, das Glasgemälde in
durchscheinendem j)apier, die Bronze in j)apiermache,
die Nkajolika in bunt bedrucktem j)appdeckel, das
Leder in gepreßtem Papier — kurz, jedes ächte Nka-
terial täuschend in unechtem fabrikmäßig nachgeahmt.
Der Fünfzig-j)fennig-Bazar macht die glänzendsten Ge-
schäfte und verdirbt den Geschmack und den schönen
Sinn des publikums. Wenn der Gegenstand nur nach
etwas aussieht — das ist die köauptsache; ob er dauer-
haft und sorgfältig ausgeführt ist, erscheint als Neben-
sache. Das »billig und schlecht« ist das Nkerkmal jener
nachgemachten Waare, deren Herstellung in bedenk-
lichstem Nmfange zugenommen hat. . . Wie ist gegen
diese Zmitationen zu Felde zu ziehen? Nun, durch
Belehrung des j)ublikums, durch Verfeinerung des
öffentlichen Geschmackes. Ls muß der Grundsatz alle
Schichten des Volkes durchdringen, daß ein blank ge-
 
Annotationen