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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 23
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Kretzer, Max: Objektivität und Subjektivität in der Dichtung
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0365

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substituirt er die Farbe, die Funktion von ^ell und
Dunkel löst er durch den Gegensatz von Ralt und
warm ab. So bethätigte er den Satz: Gemälde
sollen plastisch sein durch den Schein körperlicher
Rundung und Tiefe, nicht plastisch iu dem Sinn, daß
ihre Gestalten hart und steinern erscheinen und im
Leeren stehe. Sie sollten nur Glieder eines Ganzen
von Licht und Lust sein (9 fg.) . . . An die Stelle
der bisher allgemein üblichen Nachmittags- und Abend-
beleuchtung setzte er das Morgenlicht. In seinen
herrlichften Reiterbildnissen zerfällt das Gemälde in
zwei große Nlassen, die Figur und ihr Standort in
warmem, gelbem, blaßrotem und bräunlichem, die
Landschaft in kaltem, blauem Ton, beide sich gegen-
seitig steigernd (t2). Als Beispiel hierfür diene das
Neiterbildnis sDhilipps IV. wie man sonst
durchsichtigen Rleinodien eine Metallfassung giebt, so
steht hier eine in Nletallglanz schimmernde Gestalt im
durchsichtigen Lchtineer. Ou jener wird alles Licht
zurückgestrahlt: das gleißende Gold, der spiegelnde
Stahl, die Seide, die jugendliche wange, das feuchte
Aaftanienbraun des Nosses, fast alles warme Strahlen.
Aufdringliche Lokalfarben sind zurückgesetzt, der Feder-
busch ist weiß und braun, die Beinkleider nußbraun,
die rosa Schärpe in weißlichem Nestexlicht. In der
Landschaft wird alles Licht durchgelassen, aber nur
in kalten Strahlen. ^ier zieht die Farbe das Auge
hinein in die Tiefe des Naums; dort dringt sie ihm
aus der Bildfläche entgegen. Nur das Antlitz nüt
seinem weißlich blonden Znkarnat und kühlem, bläu-
lichem Neflexlicht steht in keinem Nontrast zum Grund,
es ist uumittelbar auf den wolkigen Tageshimmel ge-
setzt (II, 9 6). — Interessant ist der Nachweis, wie
Velazquez sortwährend den Naum nach der Tiefe und
den Seiten hin zu erweitern und aufzuhellen suchte
(II, 16). In den ältesten Gemälden ist die Gruppe
wie eingepackt im Nahmen; ... in einigen der spä-
testen reichen die Figuren nicht bis zur Nlitte der
Leinwand.

von dem Lindruck des Bildnisses s?apst Inno-
cenz' X., bekennt Iusti (II, -i), datirt sein Interesse
für velazquez und der erfte Anstoß zum Studium
dieses Nünstlers. Nleisterhaft ist denn auch die Zer-
gliederung diesesWunderwerks derRunst (II, 183 fgg.).
Was den Rünstlern bei diesem Bilde imponirt, ist
nicht die Aufbietung der Nünfte und bsandgriffe des
gewiegten jXaktikers, sondern die Abwesenheit dieser
Rünste, nicht die Lsarmonie der Farben, sondern die
mit den ungünstigsten Zusammenstellungen gewonnene
wirkung; die j)lanlosigkeit, mit der hier die eifrig
erstrebten Ziele des Bildnismalers erreicht scheinen . . .
Diese wirkung beruht auf der Zusammendrängung
aller Nräste der Beobachtung und Darstellung in
wenige Stunden. wie die Niarmorwerke jener Bild-
hauer, die ohne Nlodell den Stein angreifen, anders
ausseben, als die, wo kein Schritt ohne die Führung
des Zirkels gewagt wurde. Äe mögen zuweilen
straucheln, aber sie gewinnen dafür auch Züge, die
nur in Feuer und Gefahr kommen; wobei an das
wort Longins erinnert wird: Nimm alle Fehler eines
Homer, Demosthenes, jAato zusammen: sie werden
durch eine einzige erhabene Stelle vergütet — die
werke und worte der Begeisterung enthalten eine
Aanacee aller Verwegenheiten der Nede — in der

Gräße muß etwas von Nachlässigkeit sein — die ^
großen Genies sind am wenigsten korrekt.

Zn der Schilderung seines dritten Stils (II,
272 fgg.) erreicht auch die Darstellungskraft des
verfaffers ihren Höhepunkt, wie sie überhaupt sich
bestrebt, stets im Öerhältnis zu der Bedeutung des
Gegenstandes zu bleiben. Dieser dritte Stil ist ge-
wissermaßen nur die letzte wandlung, der j)unkt der
Neife einer im Grunde sich stets gleichen Runst, in
Folge wechselnder Beherrschung der Darstellungsmittel
und Lrfahrung des Auges . . . Nlan könnte sagen,
velazquez' Nlaxime sei, mit dem geringsten Aufwand
von Nlitteln und Zeit die größte wirkung zu erzielen;
oder es sei hier Lrnst gemacht mit der Grundregel
der zeichnenden Rünste: zu malen, was man wirklich
sieht, nicht was man zu sehen glaubt oder erschließt;
farbige Lichterscheinungen, bis zu den optischen
Täuschungen. Ze weniger meßbar und faßbar aber
dies eigentliche Gbjekt der Nlalerei ist, desto fein-
fühliger und fixer muß die Hand sein, welche das
innere Bild niederschlägt und festmacht. Daher die
Breite des Vortrags, weil man aus der Übersicht des
Totaleindrucks arbeitet, die Unberechenbarkeit der vom
subtilsten optischen Gefühl des Augenblicks eingegebenen
Nlanipulationen. — Niemand hat besser als velazquez
die Runst verstanden, „die Skizze zu bewahren". . . .
was dem Laien das leichteste dünkt, ist in der That
das schwerste, wie Lemoine sagte, qu'il lüllait trente
unnees cks inetier pour suvoir oonserver 8on 68<qui886.

— Über seine Technik und Farbenbehandlung findet
man eine Trörterung von höchstem Znteresse (II,
277 fgg.)> Nlan hat von ihm gesagt, er habe den
Neiz eines Noloristen mit der äußersten Nüchternheit
der Farbe vereinigt. Das Nichtige, daß der Schwer-
punkt seiner Nlalerei anderswo liegt, hat Nlengs be-
stimmt ausgesprochen: „wenn ihm Tizian überlegen
ist im Nolorit, so hat er den Venezianer übertroffen
im Nerständnis von Licht und Schatten und in der
Luftperspektive."

Lsier werden seine beiden großartigsten Schöpf-
ungen besprochen. Die Nleninas (die Familie
si)hilipps IV.) erscheinön durchaus als das Faksimile
eines Zufallsmoments (II, 315 fgg.). <Ls ift das
Bild der bserstellung eines Bildes .... Zn dem
Nlotiv der Durchbrechung der hinteren dunklen wand
durch fernere Lichtquellen berührt sich velazquez mit
dem gleichzeitigen größten Nlaler des Sonnenlichts,
j)eter de bsooghe . . . Nicht bloß die Gegenstände
^ sind hier gemalt, sondern auch die Mühe des Auges,
sie zu erfassen im Nampf mit der Dämmerung. Bei
guter Betrachtung erscheinen die Gruppen wie mit
einem spinnwebenartig zarten Lichtschleier umzogen . . .
Dieses techuische Znteresse deckt sich aber so vollständig
mit dem Znhalt des Bildes, daß Zusti den Ausspruch
des Luca Giordano, das sei die Theologie der Nlalerei,
getrost dahin deuten kann, es habe dadurch die Un-
mittelbarkeit des Tindrucks und der Trkenntnis aus- ,
gedrückt werden sollen. Die Nunst hat auch sonst
wohl in ihren höchsten Schöpfungen diesen Lindruck
des Ungewordenen, Znspirirten gemacht, da wo in
der Dollkommenheit des Daseins das endliche werden
verschwindet. Lr bezieht daher das wort, das Nlengs
von den Isilanderas gesagt, auch auf dieses werk:
die ü«and ^ch^ine an seiner Ausführung keinen Anteil ,

sss —
 
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