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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 7 (1. Januarheft 1917)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0092

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verstäirdlichen, keine abstrakt zoolo-
gischen Objekte mehr; sie sind uns
menschlich verständlicher geworden,
weil wir einen Blick in ihr Seelen--
leben tun durften.

Nur auf diesem Wege wird der
Lehrer seinen Schülern das unter-
menschliche Leben seelisch näher brin-
gen können. Vor allem auf der Iln-
terstufe, wo das Kind noch keine
Lust zeigt zu mathematisch-physikali-
scher Betrachtung. Hier liegen die
Mittel, Liebe zur Natur zu erzeugen,
Liebe zu allem Lebendigen und zu-
gleich jene Scheu vor der Schönheit
und Heiligkeit alles Lebens, wie man
sie gerade heutzutage, da Terrarien
und Aquarien in den Schulen Mode
geworden sind, so selten sindet.

Damit soll nicht behauptet wer-
den, daß die poetische Naturauf-
fassung die einzig zulässige für
den Naturgeschichtsunterricht unsrer
Schulen ist. Das wäre eine ver-
werfliche Einseitigkeit. Aber sie ist
die kindertümlichste und darum die
erste, jene, die an den Anfang zu
stellen ist, wenn das Kind ein inni-
geres Verhältnis zur untermensch-
lichen Natur gewinnen soll. Sie ist
die erste, so gewiß die psychologische
Naturauffassung in der historischen
Lntwicklung der Forschermethoden
die letzte war. Nicht Mathematik,
Physik, Physiologie, Psychologie,
Poesie bezeichnen die Ltappen, die
unsre Schüler zurückzulegen haben,
sondern der entgegengesetzte Weg ist
der psychologisch berechtigte: vom
vollen Leben zur Abstraktion, von
gefühlswarmer Wirklichkeit in die
kalte Zone der Zahlen, Formen und
Begriffe. Ernst Weber

Kindlicher und rnännlicher
Wille

as Kind darf nicht seinen Wil-
len haben, sagten die Alten, es

muß gehorchen lernen. Des Kindes
Wille darf nicht gebrochen werden,
sagen die Neuerer, denn des Men-
schen kostbarstes Gut ist Wollen-
können. Aber ist das denn das-
selbe: gehorchen lehren und den
Willen brechen?

Kein Wille ist stark, der nicht
gegen sich selbst stark ist. Wille
ist Schwäche, wenn seine Kraft sich
nicht an dem stärksten Gegner geübt
hat: an sich selbst.

Lin andrer ist der unerzogene
Wille, ein andrer der erzogene.
Der unerzogene ist selbstsüchtig, er
tut alles nur für sich. Der erzogene
setzt Zwecke außer sich. Des Kindes
Wille strömt unmittelbar aus der
Natur in die Welt, des Mannes
Wille muß durch das Staubecken
der Vernunft. Iener strömt un-
unterbrochen aus, dieser nur, wenn
die Vernunft die Schleusen öfsnet.

Der männliche Wille gedeiht,
wenn das Kind einsieht, daß es
nicht darf, was es will. Wo es
blind bleibt, wird sein Wille nicht
erzogen, sondern erdrückt. Wo es
nicht selbst einsieht, wird an Stelle
des zerdrückten Willens ein fremder
gepflanzt: das Kind verliert sein
Menschentum und wird zum Werk-
zeug.

Das alles wissen die Menschen
schon sehr lange Zeit, und doch wol-
len manche im Namen des reinen
Menschentums Schwächlinge voll
kindlichen Willens züchten. St.

An den Januar

er du mit dem Flammenspeere
meiner Seele Eis zerteilt,
daß sie brausend nun zum Meere
ihrer höchsten Hoffnung eilt:
heller stets und stets gesunder,
frei im liebevollsten Muß:
also preist sie deine Wunder,
schönster Ianuarius. Nietzsche

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