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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1922)
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Plato: Aus Platons "Gastmahl"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0044

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Wir rnüssen, Agathon, wie du auch erklärtest, zuerst ihn selbst beschreiben,
wie er ist, der Eros, und wie geartet, danach seine Werke. Es scheint mir am
leichtesten zu sein, ihn so zu beschreiben wie damals die Mantineerin mich
befragend es tat. Denn ungefähr das gleiche hatte auch ich zu ihr gesagt,
wie jetzt zu mir, Agathon, daß Eros ein großer Gott wäre und zu den
Schönen gehöre. Sie widerlegte mich mit den gleichen Gründen, wie ich
diesen hier, daß er nach meinen eigenen Worten weder schön wäre noch
gut. And ich sagte: Wie meinst du das, Diotima, häßlich also ist Eros und
schlecht? — And sie: Lästere nicht! Oder glaubst du, was nicht schön ist, das
sei notwendig häßlrch? — Ia, gewiß. — Oder auch was nicht weise, das
töricht? Oder hast du nicht bemerkt, daß etwas ist zwischen Weisheit und
Torheit? — Was ist es denn? — Das Richtig-Vorstellen, ohne doch Gründe
dafür geben zu können, sagte sie, weißt du nicht, daß das weder Erkennen
ist, denn wie könnte eine grundlose Sache Erkenntnis sein — noch Torheit,
denn was zum Wirklichen stimmt, wie kann das Torheit sein? Ein solches
also ist das Richtig-Vorstellen mitten zwischen Erkenntnis und Torheit. —
Du hast recht, sagte ich. — Fordere also nicht, was nicht schön ist, sei häßlich,
und was nicht gut ist, sei schlecht. And so glaube auch nicht, daß Eros, wenn
du selbst zugibst, >er sei nicht gut und nicht schön, darum schon häßlich und
schlecht sein müsse, sondern etwas zwischen beiden. — Aber doch sagte ich,
sind alle einig, er sei ein großer Gott. — Sprichst du von allen Mchtwissen-
den, fragte sie, oder auch den Wissenden? — Vun, von allen, sagte ich. —
Und lcichend sprach sie: Und wie, Sokrates, würde wohl zugegeben, er sei ein
großer Gott, von denen, die sagen, er sei überhaupt kein Gott? — Wer sind
diese? fragte ich. — Liner du, eine ich. — Und ich fragte wieder: Wie meinst
du dies? Und sie: Ganz einfach! Sage mir doch, ob du nicht annimmst, alle
GöLter seien glückselig und schön, oder wolltest du dich erkühnen zu sagen, einer
der Götter sei nicht schön und glückselig? — Beim Zeus, nein, ich nicht. —
And nennst du nicht glückselig, die das Gute und Schöne besitzen? — Frei-
lich. — Aber du hast doch zugegeben, daß Eros aus Mangel des Guten und
Schönen eben das begehre, dessen er ermangele. — Ich habe es ja zugegeben.
— Wie also wäre Gott, der am Schönen und Guten nicht Teil hat? —
Gar nicht, wie es scheint. — Siehst du nun, daß auch du Eros nicht für
Gott hältst?

Was also, sprach ich^ wäre der Eros? SLerblich? — Keineswegs. —
Aber was dann? — Wie vorher, sagte sie, mitten zwischen Sterblichem und
Ilnsterblichem. — Was also, Diotima? Ein großer Dämon, o Sokrates,
denn alles Dämonische ist mitten zwischen Gott und Sterbling. — Welche
Kraft hat es? fragte ich. — Zu verkünden und zu überbringen Göttern was
von Menschen und Menschen was von Göttern kommt. Von den Einen
Gebete und Opfer, von den Anderen Aufträge und Antworten auf die
Opfer. In der Mitte von beiden ist es erfüllend, so daß das All selbst in
sich selbst gebunden ist. Durch dies Dämonische geht auch Weissagung und
die Kunst der Priester in den Opfern und den Weihen und den Gesängen
und in aller Wahrsagung und Bezauberung. Gott verkehrt nicht mit Men-
schen. sondern durch dies ist der ganze Umgang und das Gespräch Göttern
mit Menschen im Wachen und im Schlafe. Und der in diesen Dingen Weije
ist ein dämonischer Mann. Wer aber in etwas anderem weise ist, in irgend
Künsten und Handwerken, ein Banause. Dieser Dämonen siud viele und
mannigfache, einer von ihnen ist auch der Eros.

Wer ist sein Vater, sagte ich, und seine Mutter? — Das ist langwierig
 
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