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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI Heft:
Heft 4 (Januarheft 1923)
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Unsre Bilder, Noten und Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0212

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Unsre Bilder, Noten und Gedichte

ie dem heutigeir KunstwarL beigefügten Bilder sollen denjenigen Beschauern
^ und Lesern, welche sich mit der Kunst unserer Tage — dem Lxpressionismus
— nicht befreunden konnten, Gelegenheit geben, sich in eine Kunstanschauung ein-
zuleben» die so alt ist, wie es Menschen gibt.

Die einfachste Möglichkeit, die es gibt, um sich in Ausdruckskünst einzu-
leben, ist die, daß man beim Betrachten der Kunst das manuelle und technische
Können nicht bewertet» sondern nur die seelischen Kräfte nachzufühlen sucht, aus
denen ein Werk entstand. Mehr -als irgend ein geistiger Gegenstand ist zuletzt
Kunst Sache der reinen, abgestillten Einfühlung, und das „Denken" über Künst
ist so lange gefährlich, als es nicht' bis zur tiefsten Klarheit durchgebildet ist.

Kopf eines Hirten. Gemälde aus der Lyck-Schule, auch Peter
Brueghel dem Alteren zugeschrieben. Der Künstler hat mit diesem Hirten-
bildnis die ganze freudige Bauernwelt ausgedrückt, indem er die Sinnenwelt
des Bauern zur Sprache machte; das ist starkes Betonen des Gegenständlichen
und Hervorholen lokaler Farbigkeit. (Die Farbe konnten wir leider nicht wieder-
geben.) Im Original ist die Kappe stark rot, der Wams grau, gelb, rot und
grün und der Kragen weiß. Alle die Farben klingen sfreudig ländlich zusammen
und wirken vereint mit der starken Betonung der Knöpfe, Schnüre ünd Nähte
gleich eindringlich wie die Hände und das Gesicht.

Wie dem Künstler dieser alten niederländischen Schule daran lag, mit dem
Bildnis eines Hirten eine ganze Volksschicht zu schildern, so hat es auch Paula
Modersohn-Becker getan, die das Bildnis einer Bäuerin gestaltete.
Die Künstlerin hat ebenso wie der Künstler des alten Hirtenkopfes nur die
Formen des Gesichts, des Kopfs und Körpers betont, welche das Typisch-
Bäuerische ausdrücken.

Wer das Bild lange betrachtet, wird das Gefühl bekommen, als hätte er
einen der unzählig vielen Bauern wor sich, wie man sie in deutschen Landen auf
Dörfern und Marktplätzen antrifft. Den künstlerisch schaffenden Menschen, der
so in einem Kopfe das Typische einer Volksschicht gestalten kann, wie Paula
Modersohn-Becker, der schafft im besten Sinne Kunst, die man völkisch nen-
nen darf.

erhart Schjelderups Lied „Mein Leben" hat zwei Grundelemente:
^ eine ganz vorwiegend illustrative, doch auch ungemein fein seelisch und klang-
lich abgestimmte Begleitung, gleichsam das Sternengewimmel und -gefunkel
„punktierend", und eine im Gegensatz dazu und in Harmonie damit schwingende
Melodie, welche das Sinnend-Sehnende des Gedichts von Peter Ggge trägt.
Gs stellt die höchsten Anforderungen an die Ausdrucksfähigkeit — nicht an die
„Technik" des Spielers wie des Sängers, und an ihr.Zusammenwirken; wie so
manche Schöpfnngen Schjelderups ist es empfindlich gegen Mängel der Aus-
führung; schlecht ausgeführt, wirkt es dünn, spitzig, gesucht; wer sich ganz
damit innerlich verbindet, wird indes der vollen lyrischen Kraft inne werden,
die darin waltet.

An der schlichten Klavierträumerei von Crusius wird der seine volle Freude
haben, dem es gelingt, die linke Hand so weich zu spielen, daß von ihr aus
keinerlei Akzente in die Melodie hineingetragen werden. In der musikalischen
Linie der einen Stimme soll sich alles aussprechen, was das Stück zu sagen
hat, und die begleitenden Harmonien wollen darum nichts weiter sein als eine
weiche Anterlage für sie, eine Bestätigung des harmonischen Gehaltes, der dev
Melodie ohnehin innewohnt und der durch die Akkorde nur noch leise verdeut-
licht wird. L.

(?^ie Dichtungen unseres Mitarbeiters M a r t i n Elsner veröffentlichen wir
^ nach der Handschrift. Nach Erschein en des Gedichtbandes von Elsner, der in
Vorbereitung ist, kommen wir auf diesen zurück.

Herausgeber: Prof. l)r. b. o. Ferdinand Avenarius in Dresden-Blasewitz. Verantwortlich: i. V
Wolfgang Schumann, Dresden-Blasewitz. Mitleiter: vr. E K.Fischer. InSsterreich verantwortlich:
Hofrat vr. Karl Giannoni, Mödling bei Wien, Dominikanergaffe w. Sendungen für den Text
ohne Angabe eines Person ennamens an die »Kunstwart-Leitung* in Dresden-Blasewitz —
Manuskripte nur nach vorherigerDereinbarung, widrigenfalls keine Derantwortung über-
nommen werden kann — Verlag von Georg D. W. Lallwey, Druck von Kastner L Lallwey, Buchdruckerei
in München — Geschäftsstelle für Berlin: Georg Siemens. ^ ö?, Kurfürstenstraße s.
 
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