Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI Heft:
Heft 4 (Januarheft 1923)
DOI Artikel:
Fischer, Eugen Kurt: Bilder, Möbel, Räume: ein Rückblick und Ausblick
DOI Artikel:
Ertl, E.: Von Roseggers Schaffen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0176

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
verdichtet ist zu wirklichen Ausd rucksmitteln für Seelisches, mit vollster
Ausnutzung der Eigenart des Materials und der Möglichkeiten räumlicher
Eingliederung, denn der Raum ist mehr als Resonanzboden des Künstwerks,
er ist die unsichtbare Brücke vom Bildwerk zum einzelnen Menschen und
zur Gemeinde. Malerei wird wieder die Kunst der großen, der Gemeinschafts«
räume werden, Feiertagskunst, Tempelkunst. E. K. Fischer

Von Noseggers Schaffen

^Emil Ertl, der Grazer Dichter, veröffentlicht demnächst ein Buch über
Rosegger. Es wird ein ganz persönliches, auf nächster Kenntnis des großen
Volksschriftstellers beruhendes, wohl das erste wirklich tiefdringende Buch
über ihn werden. Im folgenden bringen wir eine kleine bezeichnende
Probe. Ertl berrchLet, wie stark in Rosegger das sittliche Streben über
das ästhetische überwog, und fährt fort:^

^^ch kann in der Literatur," sagte Rosegger, „immer nur das Ethische,
^Hnicht das Asthetische beurteilen. Schiller z. B. ist mir wegen seiner
^-Isittlichen Weltanschauung wert. Wo die zum Ausdruck kommt, reißt
er mich hin; wo nicht, interessiert er mich wenig."

Und damit hängt es offensichtig auch zusammen, daß ihm der „In-
halt" alles galt, während ihm die „Form" recht nebensächlich schien. Es
komme doch nur darauf an, daß einer was zu sagen habe, meinte er;
das wie ergebe sich dann schon von selbst. Tatsächlich habe ich ein Ringen
um die „Form" bei ihm nie wahrgenommen. Sie war ihm wohl bei seiner
eingeborneN) ihm selbst unbewußten, gelegentlich sogar verleugneten und
bestrittenen Künstlerschaft mit dem „Stoff" zugleich im Schlafe gegeben.
Bewußter Weise genügte ihm fürs „Technische" eine simple tzandwerker-
regel, wenn ich so sagen darf. Sie dürfte, wie ich vermute, noch auf seinen
„Entdecker" und literarischen „Lehrherrn" Dr. Adalbert Svoboda zurückgehn,
der nicht nur ein warmherziger Mensch, sondern auch ein vielerfahrener
und ausgezeichneter Iournalist gewesen ist.

Aber diese „tzandwerksregel" gibt ein Tagebuchblatt Aufschluß, das
sich in einem meiner älteren Merkbücher findet:

„18. Oktober 1898. Angeregter Abend voll vertrauten Gedankenaus-
tausches mit Rosegger. An seiner Art, zu arbeiten, fällt mir auf, daß
er iu jedem Stoff nach der „Pointe" sucht. Angezogen wird er zunächst
durch andere Rmstände, wie etwa durch einen bestimmten Lebenskreis,
eine eigenartige Rmwelt, die ihn irgendwie reizt oder ergreift, durch einen
sozialen Grundgedanken oder Einfall und dergleichen. Das genügt ihm
aber keineswegs, sich ans Werk zu machen. Sondern nun versucht er vor-
erst, den Stoff sozusagen konstruktiv zu entwickeln, rechnet sich, einem
gewissen Instinkte folgend, heraus, was darin enthalten ist, oder läßt ihn
nach innern Gesetzen sich ausleben. So gelangt er allmählich zu dem,
was er die „Pointe" nennt — vorausgesetzt, daß eine solche in dem Stoffe
steckt. Ergibt sich aber eine solche „Pointe" nicht, so ist der Stoff für ihn
unbrauchbar."

Es reizte mich längere Zeit hindurch, zu erfahren, was Rosegger unter
der „Pointe" eigentlich verstehe. Und eines Tages gelang es mir denn auch,
das Gespräch auf die Frage zu bringen, ob der Dichter besser daran täte,
seine Arbeit im Sinne der „Kunst als Selbstzweck" („l'art pour l'art") nur
gewissermaßen sich selbst und seinem Werk zu Dank zu leisten und an kein
 
Annotationen