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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1923)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: An unsere Leser
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Ernst Kreidolf: zu seinem sechzigstem Geburttag
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0222

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treten darf? Ein Lebewohl und ein Auf Wiederfinden den Getreuen, und
damit gut! Sie wissen alle: mir schienen stets Leiter und Verleger, Her-
steller und Verbreiter, Schreiber und Leser des Kunstwarts als verbundene
Arbeiter für ein gemeins ames Werk. Wieviel wir mitsammen erreicht
haben, wieviel von unsern Wünschen schon Leben geworden, wieviel davon
sich laut in den Lag hinein verwirklicht hat, wieviel davon still in der Vacht,
daß man's gar nicht gemerkt hat, wie vieles von unserer Saat erst aufgehen
wird, wenn unserm Deutschtum wieder die Sonne scheint — ich meine: das
dürsen wir hier Verbundenen getrost der Prüsung kommender Geschlechter
überlassen.

Dresden-Blasewitz, am s2. Ianuar W23. Ferd. Avenarius

Ernst Kreidolf

Zu seinem sechzigsten Geburttag

^m^aß es heute noch eine Welt gibt, in welcher sommertagsheiß die rot-
/öoldenen Föhren duften, Knarrheuschrecken auffliegen, welche rote
» oder blaue Flügel zeigen, daß Abende atmen, die voll sernem Iauchzen
und Singen sind und in denen stilltraulich lockende oder wandernde Lichter
in Rebenzügen erwachen, daß ein einziges Primelnest im Marz beseligen-
der lächeln kann, als die süßeste Kinoschauspielerin: wissen sie das? Und
was waren sie, wenn sie das wüßten? Den seligen Göttern nahe. Eben
Kinder. Und ich weiß, daß alle Kindmenschen mich hier grüßen und
verstehen."

Als ich diese Worte in Nud. Hans Bartschs „Froher Botschast« las, fiel
mir nach langem innerem Fernsein zum ersten Male wieder Ernst
Kreidolf ein. Wer hat denn in all diesen Iahrzehnten tiefer und
sicherer das „gewußt^, was da als Götter- und Kinderwissen genannt
wird, und mehr als dieses? Wer hat dieses untrügliche Wissen reiner
und eindringlicher bekannt als Kreidolf?

Lärmend, geschäftig, selbstzufrieden, urteilsüchtig und gedankenstolz ist
seine menschliche Rmwelt gewesen. Hineingestellt in sie, teilnehmend an
ihren Lrregungen, Spannungen, Todesstürzen und Wiedergeburten, hat
seine künstlerische Zeitgenossenschaft ihn geachtet, zuweilen geehrt, kaum
je aber sein Wesentliches voll erlebt.

Man kennt und nennt ihn als Kinderbilderbuch-Maler. Und in der
Tat, man tut ihm nicht Anrecht damit. Seine Blumenmärchen, seine
Schlafende^ Bäume, seine Wiesenzwerge, sein Gartentraum sind Bücher für
Kinder, für Kinder Herausgegeben, Kindern tausendfach geschenkt, von
Kindern geliebt. Blumenzeichnungen, frei oder auf landschaftlichem Hinter-
grunde, farbig und von einprägsamer Bewegtheit, in hundert Phantasien
gebettet und in hundert Märchen hineingewoben, Naturabbilder, reine und
zwingende Abbilder, jedoch gegeben als Elemente stiller, zwingender
liebevoll reizender, traumhafter Auftritte und Vorgänge, wie sie in leicht-
leisen Balladen und Volksliedern anklingen, — gewiß, es gibt Kinder, die
all dem von Natur nahe sind und in dieser Welt frei und heiter sich be-
wegen. So also rechtfertigt sich Kreidolfs bekannter Ruf.

And doch . . . Es gibt ein Kindtum, das wir im Erwachsen unwiderruftich
abtun und ablegen. And es gibt ein andres, das inmitten all unsrer Er-
wachsenheit in uns weiterlebt und mitwächst und Wesenszug unsres reifen
Wesens wird. Mcht zu jenem ablegbaren Kindtum aber, zu dem bleiben-
 
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