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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1923)
DOI Artikel:
Trentini, Albert von: Aus Albert Trentinis "Goethe"
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Schumann, Wolfgang: Sprechendes Kino: Filmvergangenheit und Filmzukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0128

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„Oder" — rauh ließ er ihn aus, Totenstille war, Funken lohte sein
Auge — „oder sind Sie er selber?"

„Ia! Ich bin Goethe."

„Vater!"rief im selben Augenblick brennend dieIungfrau. „Es brennt!"
And hob die Hand von der felsernen Schulter des Fremdlings, riß eine der
zwei blutroten Rosen vom Busen und steckte sie ihm an die Brust.

Sprechendes Kino

Filmvergangenheit und Filmzukunft

^Hange konnte es ja ohnehin nicht mehr dauern! Dem Konstrukteur des
^ Espreck>end^n winkten noch immer goldene Berge; Grund genug,

^^daß allenthalben mit Fiebereifer daran gearbeitet wurde, die stumme
Leinwand endlich zum Wort zu erlösen. Nun ist der erste und vielleicht schon
der entscheidende Schritt geschehen. Die Zeitungen melden, daß in Berlin
vor einer urteilsfähigen Körperschaft sprechende Filme vorgeführt worden
seien, und einzelne Berichterstatter, auch vorsichtige darunter, melden, daß
der Eindruck immerhin günstig gewesen sei. Wort und Gebärde fallen zeit«
lich nicht mehr auseinander, und der Klang der Stimmen ist nicht gestörter
als bei guten Grammophonen. Amanda wird also künftig, wenn sie den
Eierkorb fallen läßt, dazu lebenswahr jammern, der Detektiv wird mit er-
Hobenem Revolver „Stirb, Elenderü" brüllen, und das süße Mädel wird
vor dem letzten Schritt alle Redekünste verheißender tzinzögerung spielen
lassen. Wir werden den gesprochenen und bewegt illustrierten Schundroman,
um einige Ausschreitungen gemildert durch die Kino-Zensur, in Tausenden
von Lxemplaren haben. — Nicht mehr? Doch! Auch feierliche Ansprachen
beliebter Staatsmänner, Festreden bekannter Gelehrter, Arien umschwärmter
Primadonnen und den Lärm bewegter Massen in Film und Ton zugleich.
Noch mehr. Theaterszenen, von bedeutenden Schauspielern gespielt und von
großen Regisseuren inszeniert, Klein-Opern, Tanz-Chöre, Komiker-Sänger . .
Und wohl noch etliches.

Nicht mehr? Die Frage bleibt bestehen. Lin großes Problem ist gelöst,
wenn ein neues Mittel der Unterhaltung, der öffentlichen Kultur- und Kunst--
pflege endlich konstruiert erscheint. Ein größeres aber tut sich damit erst auf:
Was wird die Geschäftswelt daraus machen?

Das Kino selber, das stumme schon, war die Lösung einer lange vorher
gesehenen Aufgabe und zugleich eine erstandene Aufgabe für uns alle, die
wir etwas „daraus machen" sollten. tzeute erinnert ein gewaltiger Vorschritt
der Kino-Technik daran, was wir denn zur Lösung jener ersten Aufgabe
geleistet haben. Diese Erinnerung ist schmerzlich genug. Irre ich nicht, so
Haben wir klipp und klar einzugestehen, daß wir uns das Kino Haben ent-
gleiten lassen. Nicht für immer, aber während seiner bisherigen Lebenszeit.
Und das gründlich! Wir! — nicht die Führer der Filmindustrie, die heute
glänzend und mächtig dasteht, nicht deren Angestellte vom Regisseur his
zum Lampisten, die wohl alles in allem tun, was sie können, und die Sache
machen, wie sie sie verstehen. Nein, wir, die wir so oder so uns derSinnem-
und Geisteskultur verpflichtet fühlen, wir Haben nichts geleistet in diesen
zwanzig Iahren, oder so gut wie nichts. Wohl, geredet und geschrieben
worden ist übergenug. Ich gedenke dieser Kino-Reform-Literatur, welche
nLunundneunzig tzundertel unserer „Leistungen" ausmacht, mit gemischtem
Gefühl. Welcher Scharfsinn! welche Fülle von „Idealismus", ehrlichem und

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