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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

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Heft 2 (Novemberheft 1923)
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Bekker, Paul: Der sinfonische Stil
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Schumann, Wolfgang: Albert Trentinis "Goethe"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0110

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tzaydn-Veethovenschen Sinfoniethpus die (Lntwicklungsfähigkeit der sinfo-
nischen Gattung überhaupt erschöpft oder ob vielleicht noch die Gewinnung
eines wesentlich anders gearteten Typus möglich war, der ebenfalls die
Grundlagen der Gattung bewahrte, sie aber nicht auf dem von Beethoven
eingeschlagenen Wege zu steigern versuchte, sondern einen neuen, von Beet-
hoven abseits führenden Weg zu finden vermochte.

Dies war in der Tat die Lntwicklung, die die Sinfonie nach Beethoven
nahm. Sie erfährt eine ähnliche Um- und Weiterbildung wie die Oper.
Wenn Richard Wagner die Geschichte der Sinfonie als mit Beethovens
Neunter abgeschlossen ansah und Versuche, Beethoven auf die eine oder
andere Art fortzusetzen, geringschätzig abwies, so hatte er mit dem Tiefblick
des schöpferischen Genies die nicht zu überbietende Vollendung des Beet-
Hovenschen Sinfonietypus richtig erkannt. Er hätte aber ebenso die Lntwick-
lung der Oper mit Mozart für abgeschlossen und weitere Werke dieser Art
als überflüssig erklären können. Hier wie dort war ein Gattungstyp zur
Erfüllung gelangt, hier wie dort aber waren damit keineswegs alle in der
Gattung selbst ruhenden Lntfaltungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Wie das
Musikdrama Wagners im Anschluß an Weber und Marschner als neuer
Operntyp neben die Oper Mozarts tritt, sie nicht vollendend, nicht über-
flügelnd, sondern, aus wesentlich anderen Gestaltungsquellen schöpfend, sie
ergänzend, so tritt im Laufe des V- Iahrhunderts auch ein neuer Sinfonie-
typ neben die Sinfonie Beethovens, ganz anders geartet als sie, ihr nur
durch die Grundbegriffe der Gattung verwandt und eben dadurch ihr gleich-
berechtigt und ebenbürtig. Diesen neuen Sinfonietypus prägt und schafft
Gustav Mahler.^

Albert Trentinis ^Goethe"

Der Anlaßr „Erweckung"

ie Lrweckung eines Mannes stellt Albert Trentinis neue große Prosa«

dichtung dar.^* Das stärkste Lrlebnis des Geistes, der Seele, der Sinne,

der Persönlichkeit. Volles, reifes Leben, das sich unter allen Martern
jeglicher Geburt und dennoch jubelnd neu gebiert. Das Stirb und Werde
einer gewaltigen Natur. Aber was stirbt? was wird? was wird erweckt?

Lange Zeit hindurch hatten wir das vergessen. Heute, endlich, wissen wir
es wieder. — Wir wachsen, erobernde Kinder, in die Welt hinein. Gebete
werden uns vorgesprochen, Sitten uns eingeprägt, Gebräuche uns angewöhnt,
Gedanken und Wissen uns gelehrt. Wir gewöhnen uns, unter Tränen und
Widerspruch, doch auch heiter und begierig. Vom errungenen Boden aus
suchen wir uns die eigene Stellung. Lernen, abermals erobernd, Gedanken
und WisseN) üben Sitten und Gebräuche; verrichten in Maß und Bahn der
Aberlieferung Arbeit, gliedern uns ein in den Organismus der Stadt, des
Volkes, des Staates. Und gewöhnen uns tiefer hinein in das, was geboten
scheint. Nur scheint? Nicht ist? Irgendwann zuckt der Strahl des Zweifels
auf: diese Sitte, von Millionen befolgt, ist sie berechtigt? Dieses Wissen, seit

^ Dieser Aufsatz bildete ursprünglich den Anfang des Kapitels „Der sinfonische
Stil" in dem Bnch „Gustav Mahlers Sinfonien". Lr schließt daher mit den jetzt
dort beginnenden SLtzen.

** AlbertTrentini, Goetbe, Der Roman von seiner Erweckung; Verlag Georg
D-W. Lallwey, München t923. Zwei Bände, I: IV und 592 Seiten, II: IV und
381 Seiten. Gcheftet Mk. 7.—, in tzalbleinen gebunden Mk. 10.— Grundpreis ver-
vielfältigt mit der Schlüsselzahl des D. Verlegervereins; Ende Oktober: 160).
 
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