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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

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Heft 4 (Januarheft 1923)
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Fuchs, Emil: Die Bergpredigt
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Fischer, Eugen Kurt: Bilder, Möbel, Räume: ein Rückblick und Ausblick
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0172

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reden von einer Tatscrche, die gegeben ift oder nicht, die man aber nicht
anzwingen kann. „Der gute Baum bringet gute Fruchte, der arge Baum arge
Früchte" — Gnade ist alles! Wehe dem, der sich sein inneres Leben anzwin«
gen will durch ein Sich-Hineinzwingen in Gebote, die ihm von außen vor«
gehalten werden. Nur von innen kann es wachsen. Diesen Äuell krägt
jeder in sich. Er kann verschüttet sein von sittlichen Vorschriften, Dogmen,
Lehren, von Genußsucht, Oberflächlichkeit und Geiz und Ehrgeiz. Es kann tot
sein von großen Enttäuschungen und von der Unentwickeltheit jugendlichen
Lebens. Dann lausche und sieh und warte, und gib dich nur nie dem Hin,
was Verzicht auf die letzte Lebensgestaltung ist.

^st das nun Christentum? — Es ist starker Gegensatz gegen alle Frömmig-
Okeit, die eine überlieferte Form, eine überlieferte gewohnte Sittlichkeit
und Gestaltung des sozialen Zusammenlebens zum göttlichen macht. Göttlich
ist nur das drängende Leben der Wahrheit, Güte, Reinheit und Liebe, und
der aus ihnen geborene Wille zur Neugestaltung des Menschenlebens und
die in ihnen gegebene Rnabhängigkeit mitten im Kampfe um diese Gestal--
tung, die Ienseitigkeit. — Und was vor der Menschen Augen Hingestellt ist
als Frömmigkeit und Gottheit und ihre Augen ablenkt von der jenseitigen
Wirklichkeil in ihnen, das ist die große Gefahr und der Trug, das hilft mit,
der Menschheit beste Kraft zu lähmen und hält sie dadurch fest in dem Zu-
stand, der ihres Menschentums unwürdig ist.

Es ist das eigentliche Problem allen Kirchentums, diese Gefahr zu über«
winden und Pflege des Lebens zu sein, das aus der Bergpredigt leuchtet.
Wehe, wenn es den Menschen Form gibt, an Stelle der innern Wirklichkeit
einer von der Welt freien Seele und ihrer Seligkeit. Emil Fuchs

Bilder, Möbel, Räume

Ein Nirckblick «nd Ausblick

In einem modernen Landhaus hängen moderne Bilder. Die Möbel stam-
men aus dem ersten IahrzehnL dieses Iahrhunderts, die Bilder aus den
letzten füns Iahren. Dennoch zerreißen sie den Naum, zerfetzen die Farb«
flächen der Tapeten, stören die ruhigen Linien der Möbel und heben pie Ge«
schlossenheit und Intimität des Ganzen auf, weil sie wie schmetternde
Fanfaren in die Kammermusik des Raumgebildes, der Flächen und For«
men und in die stille Welt der häuslichen Zwecke hineingellen, beziehungs-
los zu Tisch und Stuhl und Schrank, zu Lüster, Teppich, Vorhang, -Wand
und Decke. Die Dimensionen verwirren durch ihre Größe das Raumgefühl,
vernichten den Ligenwert der Fläche, zwingen zur Betrachtung aus dem
Nebenzimmer, also zur Sprengung der Einheit des Raumes. Die Farben
sind zu stark neben den andern Tönen. Ia, wenn gar keine andern Töne
wahrnehmbar wären, aber da ist ein zartes Silbergrau, das völlig erstirbt
neben dem Durdreiklang Rot, Gelb, Blau. Der Linienrhythmus ist so
wild, daß er die stille Musik der Geräte zerstört. Das Motiv endlich schreit
der beruhigt-satten Bürgerlichkeit des Hauses und seiner Besitzer geradezu
ins Gesicht, vollends in der scharfen Ausprägung, die ihm der künstlerische
Wille des Malers gegeben hat.

Anderswo erlebt man ähnliche Disharmonien von Raum, Möbel und
Kunstwerk, so in der bescheideneren Etagenwohnung mit den billigen Schablo--
nenmöbeln, deren kahle Neutralität durch die peinliche Intimität eines auf
Ähnlichkeit gestellten Familienporträts oder durch die romantischen Natur-,
 
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