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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

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Heft 6 (Märzheft 1923)
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Avenarius, Ferdinand: "Meine neue Zeitschrift": Schriften für echten Frieden ; zwanglose Beiträge zur Völkerverständigung ; Herausgeber: Ferdinand Avenarius
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0295

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Kem InLeresse, auch nicht das vaterländische, darf uns bewegen, nach Art
der zn tzunderten beweisbaren Fälle der Entente-Propaganda zu fälschen.

Drittens: dem Auslande gegenüber brauchen wir geschlossene Front. In«
nerpolitisches soll deshalb in unsern Schriften gar nicht besprochen werden.

Viertens — aber wir wollen wieder zeigen, nicht weiter reden. Die Leser
wissen: der Kunstwart hat seine besten Erfolge dann errungen, wenn er nicht
nur kritisierte, sondern gab. In gewissem Sinn sollen auch die „Schriften für
echten Frieden" ein „KünstwarL-A.nternehmen" sein, sie sind nach meiner
Aberzeugung sogar bei weitem das wichtigste von allen. ^

Ein Bestellzettel liegt diesem Kunstwarthefte bei. Erkennen die Freunde
die Aufgabe und denken sie darüber wie ich und der deutsche Botschafter,
der die Fortsetzung der „Schriften für echten Frieden" „unerläßlich"
nannte, so werden sie gewiß nicht nur alle bestellen, sondern auch andere
Besteller heranziehen. Auch damit wäre noch nicht alles getan, was nötig
wäre. Damit wird bestenfalls das bezahlt, was der Besteller empfängt und
das herzustellen bei unserer Geldentwertnng ja mindestens tausendmal mehr
als im Frieden „kostet". Noch nichts aber ist damit für die weitere Folge,
noch nichts für die Verbreitung zumal ins Ausland getan. Ilnser „Lügen-
abwehr-Konto" bei der Deutschen Bank, Filiale Dresden-Blasewitz, hat sich
nach meinem ersten Aufruf auf ein paar Millionen Mark gestellt. Ein paar
Millionen Mark kostet schon die tzerstellung einer „Schrift für echten
Frieden". Ich bitte jeden Deutschen im Auslande, an jenes unser Konto
zu denken, das Zuwendungen in jeder Währung aufnimmt.

Ferd. Avenarius

Vom tzeute fürs Morgen

„Die Bärin"

^o hsißt ein Nornan von Arnold
v^Alitz (erschienen bei Albert Lan--
gen in München). Alitz ist kein Anfän-
ger. Anter den Wenigen, die heute
Aufmerksamkeit und Achtung der
Wachsamen gespannt halten, steht er
in vorderer Reihe. Ich glaube nicht,
daß sein vielbesprochener Roman „Ara--
rat", eine Art Vision von kommender
Bolschewisierung Europas, geglückt war.
Die darin phantasierte Weltgeschichte
der Zukunft weist realistische und phan--
tastische Züge in unbeherrschtem Ge--
mengsel auf, hat nicht vollen > An-
schluß an Erfahrung und ist doch auch
nicht frei aufgestiegenes Schreck- oder
Hoffnungsbild; auch die vielbewunderte
Hauptgestalt bleibt uneinheitlich: Bald
sozialer Attila, bald ins Törichte ver-
zeichneter Lenin. Dennoch ein sehr star-
kes Buch, aus urkräftiger Erdliebe,
tiefem und tief begreiflichem „Kultur"-
Abscheu geboren, mit Gestalterkraft im
Einzelnen geschaut, mit einer über-

raschenden Sprachkraft /stilisiert, mit
eigentümlicher Freiheit aus fruchtba-
ren Linfällen vorangetrieben. War
dieses Werk als Ganzes schief geraten,
so erwiesen Alitzens Aovellen „Die
ernsthaften Toren" sich als Würfe von
geringerer Zielweite — was selbstver-
ständlich scheinen mag — und von grö-
ßerer Ziel- und Stilsicherheit. Es ste-
hen einige ganz prachtvolle, klare,
sichere und reif durchgeprägte Stücke
eigner Art in dem Buch. Nun folgte
die „Bärin". Gins hat dieses Buch ge-
wiß: die starke, zwar „realistische", doch
ursprüngliche, hinwiederum nicht ex-
pressionistisch-rätseldumpf verschrobene,
sondern das Sprachgut echt bereichernde
Sprache. Äberall lebt es darin von
eigner Schau und jungem Erlebnis.
Hier eine beliebige Probe; mit diesen
Worten beginnt das Buch: „Die Ge-
bärende lag in grausigen Martern.
Heute Heischte ihr drittes Kind zum
Licht, aber es war, als zerrisse den
Schoß eine Erstgeburt. Ein Kinderkopf

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