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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1923)
DOI Artikel:
Fischer, Eugen Kurt: Von Brahm zu Gundolf
DOI Artikel:
Alsberg, Paul: Menschheit-Rätsel
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0230

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keineSwegs der Ahne des Naturalismus sei, sondern sein Gegenspieler, schon
deshalb, weil er die menschlichen Figuren und VorgLnge mit derselben ver»
wegenen Stoff-Reinheit und schwebenden tzeftigkeit behandelt, wie ein
Musiker die Töne, ohne Rücksicht auf ihren Einklang mit äußeren Tatsachen
als Maße, Gewichte, Verhaltnisse, nie als Abbildungen und Wiedergabe.
Er findet (und geht hierin vielleicht etwas zu weit) in den Kleistschen Charak-
teren nur Träger seelischer Spannungen, wenn man sie nach dem kGehalt be<-
trachtet, und Träger einer symmetrischen Architektur, wenn man sie von der
Technik her betrachtet. Fragt man nach dem Zweck eines Buches, so muß
die Gundolfsche Auffassung von der Aufgabe der Literaturwissenschaft der
Brahmschen vorgezogen werden, wiewohl Brahm mehr vom eigentlichen
Wissenschafter hat als Gundolf. Wir sind heute wieder so weit, das Bücher-
schreiben nicht mehr als Selbstzweck zu betrachten, sondern als cine Tätig-
keit, sür die man den Mitmenschen irgendwie verantwortlich ist, durch die
man ihnen ein Stück Lebensgehalt vermitteln möchte. Gundolf versucht es,
mit Ersolg. Wird morgen ein Buch erscheinen, das Kleist völlig anders
darstellt als das Gundolfsche, so wird dieses nichts anderes bedeuten, als
daß das Erlebnis Kleist und damit die gesamte geistige Grundeinstellung
unserer Ieit raschem Wandel unterworfen ist. Iedes gute, iedes fruchtbare
Buch ist für ein tzeute geschrieben, und wenn es dieses tzeute ganz auszu-
drücken vermag, dann wird es auch morgen noch gelesen werden könnem

E. K. Fischer

Menschheit Nätsel

uch» der Mensch kann sich der allgemeinen Naturforderung einer un^-

I durchlöcherten Anpassung an die Umgebung nicht entziehen. Äberall
in der Natur ist der Zustand der Wehrhaftigkeit bzw. der Anpassung
an die Faktoren der Amwelt für die Existenz entscheidend."

„Der Anterschied zwischen tierischer und menschlicher Entwicklung hebt
sich schars Heraus. Dem Tiere ist der Körper sein Alles. Die Ausnutzung,
Ausbildung, Steigerung aller in der Körperlichkeit enthaltenen, für
den Daseinskampf brauchbaren Anlagen und Einrichtungen, zwecks mög-
lichst vollendeter Anpassung des Körpers an die äußeren Lebensver-
hältnisse, ist das eigentliche 'Ziel der tierischen Entwicklung. Daher ist
das Tier heute — nach abgeschlossener Entwicklung — der 'Natur so hervor-
ragend mit seinem Körper angepaßt. Anders beim Menschen. Seine Ent-
wicklung geht auf Benutzung, Vervollkommnung, Mehrung des künstlichen
Werkzeugs aus. Das lehrt uns in deutlichster Sprache jedes Blatt der
Menschheitsgeschichte. Der Körper tritt in der menschlichen Entwicklung
völlig hinter dem künstlichen Werkzeug zurück, ist zur Passivität verurteilt."

„Es war das künstliche Werkzeug, welches die Verkümmerung des Körpers
herbeisührte. „Die Verkümmerung des Körpers ist rine unmittelbare
Folg: seiner Ausschaltung durch das künstliche Werkzeug." „Das Tier bil-
dete in der Lntwicklung den Körper fort; der Mensch schaltete in seiner Ent-
wicklung den Körper aus." „Das Entwicklungsprinzip des Tieres ist das
Prinzip der Körperanpassung (Körperfortbildung), das Entwicklungsprinzip
des Menschen ist das Prinzip der Körperausschaltung vermittels künstlicher
Werkzeuge."

„Der Vorgang der Organausschaltung durch das Werkzeug, bei gleichzei-
tiger Inanspruchnahme des Organs, wird auch durch entwicklungsgeschicht-
liche Tatsachen belegt. tzätte nämlich die Faust die eigentliche Arbeit über-
 
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