Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI Heft:
Heft 4 (Januarheft 1923)
DOI Artikel:
Kuntze, Friedrich: Diltheys gesammelte Schriften
DOI Artikel:
Elsner, Martin: Dichtungen von Martin Elsner
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0181

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
dringen. (Lrschienen in dem von Frischeisen-Köhler veröffentlichten Sammel»
band „Weltanschauung, Philosophie, Religion", Berlin (9^.) Von der mrr
vorliegenden, vorzüglichen Neuherausgabe bringt der erste Band die „Lin-
leitung in die Geisteswissenschaften") der zweite (hier der vierte) außer der
„Iugendgeschichte Hegels" den „Schleiermacher", „Süvern", zwei Schriften
über Kant und andere Stücke aus der Geschichte des deutschen Idealismus.
Möge das noLwendige und preiswürdige Rnternehmen der Ungunst der
Zeiten weiter zum Trotz zu Lnde geführt werden können!

Friedrich Kuntze

Dichtnngen von Martin Elsner

Der blausingende SLern

>-^iehe, dein Blut rauscht. tzörst du das jubelnde Lied schenkender Glut?
t^^Des wilden Sanges vieltausendstimmiges Branden? Goldene Klänge
^^steigen und stürzen. tzörst du ihr sonnestürmendes Drängen? Bruder,
du Bild der Welt.

Oder wenn Nacht um dein zuckendes tzerz still ihren weichen Mantel
geschlungen: hörtest du je schon silbern Harfenden Ton, fern Herüber wke
Gruß aus der Lwigkeit dunkelsammetnen Falten — leise aufklingend, als
würde eben die erste Knospe geboren?

Weißt du, Mensch, weißt du, daß alles in dir Anfang und Lnde hat,
König des Schicksals, Schimmerstrahl du aus dem lodernden Rätselbrand,
der da Puls, Atem, Sterben, Sieg, Wandern und — Schönheit heißt?

Bist du schon einmal nackt tief in den Spiegel deiner Seele hinabgetaucht?

Siehe, Chaos ist. Träg lagern die lastgebundenen Massen, starren dumpf
in des Raums hohlschwarze Leere empor.

Sirrend aus der Rnendlichkeit irgendwoher schießt durch die Nacht
ein blausingender Stern. Eiskühl funkelt sein schweifender Brand rn
geschwungener Bahn. Tastend von Kreis zu Kreis irrt brudersuchend
sein blitzend Fanal. Bis er die Tiefe erspäht. Linsam segelnder .Stern glüht
auf, rotloderndes Mitleid. Nieder schießt er in wildem Bogen, tropfend
wie Blut, opfernd vergluten, rüttelnder Liebe übervoll, packen, vertauchen —
aber blausingender Stern brennt ewig.

Peitschender Fall reißt brandendes Mal. Bebendes Wallen säuert durch
Tiese und Tiefe. Ahnung wächst schauernd auf, durchtastet das All . . . .

Chaos ist, doch im Chaos mahltet Bewegen! Schüttern des Ekels brach
Fesfeln der Last. Trächtig steigen und sinken, atmen die gärenden Massen.
Oualvoller, qualvoller wühlt der kreißende Krampf. Form will er werden,
steigende Form, der dunkle, arme, bleiklumpige Stoff, Gestalt will er werden,
muß, muß er werden, der dämmernde, dumpfe, drangvoll sich windende
Stoff. Werden! Zu Körpern! Zu Wesenü Wissen, daß Da«sein ist, fühlen,
daß Da»sein ist. . . Dröhnend malmen die Massen über donnernd ge»
borstenen Tiefen, tosend bäumt sich wuchtende Flut, Schaumschlangen, pfeil-
schnell aus Strudeln geworfen, tanzen schwindelnd empor und verebben,
wildballende Wut stemmt, türmt sich, stöhnt auf:

In den Raum tanzt jubelnd ein roter, ein grüner, ein gelber Stern—

Dehnende Fülle entsprießt dem Mantel der ersten Erde. Wässer rauschen
und rieseln, dunkel und silbern, umtasten die Ufer mit schmeckenden Zungen.
Gipfel steigen breitstirnig klar in den Ather. tzügel heben schwellende tzänge
spendendem Segen der Sonne entgegen. Blumen locken, unkündig der
 
Annotationen