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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

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Heft 2 (Novemberheft 1923)
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Düsel, Friedrich: Gerhart Hauptmann: der Dramatiker im Spiegel der deutschen Volksseele
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Haës, K. W.: "Skizzenwirtschaft" oder mehr?: Antwort eines Künstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0100

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Montezumc fast zur Gornenkrone Christi wird und der Lkel des Dichters
vor der mit Schwert und Feuerrohr wütenden europäischen Zivilisation sich
Luft macht; sie finden ihre bisher letzte Gipfelung in dem Shakespeares
Abschiedswerk angenäherten, auf einer Südseeinsel spielenden dramatischen
Gedicht „Indipohdi" (Niemand weiß es), wo die erhabene Selbstüberwin-
dung des neuen Prospero sich zur Selbstaufopferung und Selbstauflösung
steigert und die in reichen Monologen offenkundig durchbrechende Welt--
anschauung des Dichters, gesättigt von bitterer Schwermut des Wissens und
blutigem LeideN) schließlich mit ihrem Hauptstrom ins Buddhistische mündet,
rüährend ein Nebenarm sich noch wieder ins Christliche rettet...

Baut sich aus diesen Leidenstufen der Weltflucht heimlich die Passions--
straße zu einer neuen Religion auf? Nimmt hier ein erleuchteter Seher
und Künder schon Nhnungen aus der Volksseele voraus, die in ihr selbst
noch unbewußt oder traumhaft schlummern? Wir wissen es nicht. Aus
aller Unklarheit und Perworrenheit, aus Äbernommenem, Angeeignetem
und Allerpersönlichstem heben sich geisterhaft ein bleiches tzaupt und eine
weiße tzand, die unserm Absprechen und Zustimmen gleichermaßen Schweigen
gebieten. Nur so viel scheint gewiß: der Weg des mit dem Sichtbaren und
Sinnlichen vereinten Dramatikers von einst ist beendet; der steile, einsame
Pfad des Denkers Gerhart tzauptmann beginnt vielleicht erst jetzt.

Friedrich Düsel

„Skizzenwirtschaft" oder mehr?

Antwort eines Künstlers

^M^^-in tzerr! Sie richten eine „Frage"^ an uns Künstler, die ein Dolch-
stoß rst. Mit Ihrer Frage, die so zugespitzt auftritt, treffen Sie die
P Stelle, wo wir sterblich sind, heute gerade allzu sterblich, uns unseres
Wangels bewußt und voll von tzoffnungen, wie man sie nur scheu aus--
spricht, ehe die Keime gewisse Frucht ansetzen. Aber da Sie uns heraus-
fordern, sei die Antwort gewagt, aller Rntunlichkeit des Redens über Kunst
zum Trotz.

Was Sie fragen, das sind Fragen eines Menschen, der schaut und
empfindet, — aber von dem eigentlichen Wesen und Leiden des bildenden
Künstlers nichts weiß. Ich nehme Ihnen das nicht übel; wußten wir Künstler
doch vor kurzer Zeit selber nicht mehr Gewisses vom Wesen und Leiden der
bildenden Kunst — und das, mit einem Wort, war das Leiden! Das eben
war die Rrsache der Bewegung, von der Sie sprechen und deren Anzeichen
die „Skizzenwirtschaft" ist.

„Bewegung", sage ich. Denn wir stehen in einer Bewegung zur Kunst
zurück! tzätten Sie sdoch wenigstens diese nichtigen Worte vermieden von
„Expressionismus" und „Futurismus" und dergleichen! Sie sagen nichts
und rufen immer wieder das gleiche ablehnende Mißverständnis hervor,
als Handele es sich um Moden, Richtungen, Gruppen, Sekten oder gar
Cliquen. Nichts davon! es handelt sich um die Kunst.

Sie sprechen in Ihrer „Frage" von „Welt-Abbilden", „Bekenntnis",
„Ausdruck". Das mag alles irgendwo in der Kunst stecken — aber, zum
Teufel, das alles rst Philosophie! und nun muß ich „ein hartes Wort sagen":
Was geht uns eure Philos ophie an! Wir haben Kunst zu machen,
Kunst, Kunst und immer wieder Kunst, Bilder, Zeichnungen, Radierungen,

* Siehe K. W. tzaes' Aufsatz „Frage an die Künstler" im Oktoberheft des Kunstwarts.
 
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