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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1923)
DOI Artikel:
Haës, K. W.: "Skizzenwirtschaft" oder mehr?: Antwort eines Künstlers
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Bekker, Paul: Der sinfonische Stil
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0104

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erobern des „rein" Künstlerischen. Gebe aber Ihnen einiges im Vorhinein
zu: Davon zu reden, vollends mit Künstlern zu reden, ist Verlegenheit.
Ich tue es auch nicht aus Passion, nur um der Verständigung willen. Sehr
wohl begreife rch, daß der geheimnisvolle Vorgang, wie denn Innerlichstes
seinen Weg durch die künstlerischen Mittel, durch die Transformation rn
Farbe und Linie zür Sichtbarkeit nehme, daß dieser Vorgang am besten
unberedet und unzergliedert bleibt. Vielleicht war das Leiden dieser Zeit
gerade, daß sie immer auf diese geheimen Dinge Bedacht nahm, sie ins
Bewußtsein hob, sie „wollte", obwohl sie eben nicht gewollt werden können,
sondern Gnade sind. Vielleicht hat man gerade über diesem untunlichen
Wollen das erste Anliegen des Künstlers vergessen.

„Erstes Anliegen" — gewiß sind wir nun einig. Lrstes Anliegen heißt
nicht „einziges" und auch nicht „wichtigstes" Anliegen. Aber so viel ist
gewiß: nur mit der vollkommen beherrschten und reinen Kunstsprache, die
nicht Literatur«, Theater- oder tzistorikersprache ist, nicht begrifflich noch
gegenständlich, nicht philosophisch noch phantastisch, nur mit ihr wird kom-
mende Kunst wie alle Kunst zu allen Zeiten das tzöchste erschwingen. Mit
jeder anderen Einstellung geraten wir in Irrtum und allenfalls zu mitt-
leren Gipfeln. Wir kennen wohl beide die Gefahr der Vergangenheit und
die der Zukunft. Iene: daß die Künstler wohl etwas zu sagen wußten, viel
oder wenig, auf ihre Art, aber es nicht künstlerisch sagen konnten. Diese:
daß sie wohl etwas sagen könnten, wenn sie etwas zu sagen wissen, aber
nichts zu sagen haben werden. Dann gnade Ihnen Gott! Dann sind wir
nicht besser dran als bisher. Dann bekommen wir statt der impotenten
Bild-Poesie, Bild-Musik und Bild-Historik die leere Artistik und können
uns fragen, welches Abel denn das Kleinere sei. Es wird eine harte und
eine spannende Zeit sein, die uns bevorsteht, voll von Abstürzen und Ent-
täuschungen. Aber ich verstehe, daß ihr Künstler diesen Weg gehen mußtet.
Um des Höchsten Zieles willen. K. W. tzaLs

Der sinfonische Stil*

^^n dem Rundbau der großen tzalle drängen sich viele tausend Menschen
^Aschweigend aneinander, blicken auf den altarartigen tzolzbau unter
^Ider Kuppel. Dort sitzen etwa Hundert Leute. Mit seltsamen Instru-
menten bringen sie merkwürdige Geräusche hervor. Scheinbar willkürlich,
jeder betätigt sich auf andere Weise, nur einzelne kleine Gruppen zeigen
Einheitlichkeit. Und doch geschieht alles nach bestimmten Gesetzen, kündet
Gleichmäßigkeit des Wollens. In der Mitte, atten sichtbar, führt ein Mann
mit stummer Zeichensprache Befehl. Die Tausende unten im Raum und
auf den umkränzenden Galerien harren, lauschen den Klängen. Kein
Wort fällt, weder bei ihnen, noch dort oben. Plötzlich endet das seltsame

^ In der Deutschen VerlagsanstalL in Stuttgart erscheint der zweite Band
von Paul Bekkers Aufsätzen unter dem Litel „Klang und Eros".
Der Band enthält die hier folgende Studie „Der sinfonische Stil". Wir nehmen
abermals Gelegenheit, unsere Leser auf Bekkers Schriften mit Rachdruck hinzu-
weisen; sie umschließen den heute vielleicht einzigen Versuch, Musik der Zeit und
Musik schlechthin aus einem Erlebnis und krast einer Reflexion zu deuten, die
nicht wissenschaftlich im engeren Sinne, doch durchweg kunstgemäß ist und mit
ihrer sprachlichen Gewalt hoch über jeder musikalischen Lagesschriststellerei steht.

K.-L.

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