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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

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Heft 1 (Oktoberheft 1922)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0080

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Recht, insbesondere für Wahrheit. Die
deutsche Propngnnda hat nach North--
cliffe nicht etwa wegen ihrer Machtj--
losigkeit gegenüber dem nach Belieben
absperrenden und öffnenden ungeheu»
ren Weltapparat der Ententepropa-
ganda versagt, auch uicht wegen ihrer
Ungeschicklichkeiten und Dummheiten,
sondern weil sie unwahrhastige Anter-
lagen benutzte, wLhrend Northcliffe
ausschließliche wahrhaftige Rnterlagen
nahm! Stuarts Northcliffe-Buch ist
ganz um diese Behauptung herumge-
baut, sie ist eine suggerieren sollende
Wepbung um Vertrauen vor allem mit
diesem Gedanken: nur eine streng wahr-
haftige Propaganda ist wirksam, die
Northcliffesche ist von unvergleichlicher
Wirkung gewesen, Rückschluß: also
waren ihre Behauptungen wahr, und
so sind die Deutschen so, wie North-
cliffe sie schilderte. Ganz seltsam, wie
wenige Deutsche die Gefährlichkeit dieser
Behauptung für unsern Handel, unsre
Politik, für die deutsche Zukunfl über-
haupt wenigstens jetzt erkannten, sie
an den Dokumenten nachprüften und
der Behauptung entgeglentraten. Ich
für mein Leil habe das getan. Ich er-
klärte mit Offenem Briefe an Northcliffe:

„Erstens: Die Entente-Propaganda
gegen Deutschland hat unwahre Grund-
lagen in Massen benutzt.

„Zweitens: Sie hat wahrheitsgetreue
Grundlagen in Massen unwahrhaftig
verw e n d e t.

„Drittens: Sie hat wahrhastige
Grundlagen und photographische Doku-
mente oder ihre Nnterschriften in Mas-
sen zum Zweck der Verdächtigung, Ver-
leumdung, Völkerverhetzung in Massen
schlechthin verbrecherisch gefälscht."

Den Beweis für diese Behauptun-
gen ifindet man in den dokumentarischen
Nachweisen meiner neuesten politischen
Nrbeit „Die Mache ,im ^Weltwahn",
die jüngst bei Neimar Hobbing in Ber-
lin 'erschienen ist.

Nber mit Morten wie Lüge, Ver-
dächtigung, Verleumdung, Heuchelei und
Eant erfaßt man nur einen Leil der
Northcliffe-Propaganda zentral. Bei
einem andern großen Äeil spielen sie
nicht die Hauptrolle, und doch ist dieser
Teil nicht weniger — brauchen wir
einmal das Mort: sittlich böse. Ich
denke an den Suggerierkrieg gegen

Deutschland, der in Deutschland selber
gefochten ward oder aus Neutralien
nach Deutschland hinein. Das schwerste
Verbrechen an der Menschheit sehe ich
in dem Weltbetruge mit Wilsons Vier-
zehn Punkten. In welchem Maße hier
gerade Northcliffe beteiligt war, dar-
über freilich sehe ich noch nicht klar.

Auch Deutsche haben Northcliffe alZ
einen großen Patrioten bezeichnet. Wie
man darüber denkt, das mag davon ab-
Hängen, ob man einen Patriotismus,
der nur ein einziges Land sieht, jemals
als „groß" anzuerkennen vermag. Die
das „right or wrong — my country"
bewundernd nachsprachen (und freilich:
wie viele taten das auch bei uns!),
die mögen so denken. Haben sie nicht
wenigstens vom Versailler „Frieden"
und seinen Folgen nachgerade gelernt,
daß nur der Patriotismus groß ist, der
die Möglichkeiten auch der andern
Völker mit bedenkt?

Ich meinerseits vermute, daß bin-
nen kurzem zu den peinlichsten Erin-
nerungen in den Entente-Ländern die
Latsache gehören wird, daß sie einen
Menschen wie Northcliffe nicht nur mit
hohen Ehrungen überschütteten, nein,
daß sie tatsächlich seinem Geist in der
Auseinandersetzung mit den feindlichen
wie mit den eigenen Völkern die Herr-
schast ließen. Bei der Wichtigsten politi-
schen Nuseinandersetzung eines Iahr-
hunderts ließ man die Mentalitäten der
Völker mit Anterstützung der mächtig-
sten Staaten bearbeiten von dem erfolg-
reichsten — Spezialisten für Geschäfts-
reklame. And allein nach' seinen Grund-
sätzen, N.

Der Preis -es Kunstwarts

ir haben im Septemberheft des
Kunstwarts einen neuen Preis
angeküadigt. Fene Mitteilung war im
August geschrieben. Die seither einge-
tretene abermalige Erhöhung der Her-
stellungskosten — allein!der Papierpreis
ist nun aufmehr als das Vierhundertfache
des Friedenspreises gestiegen! — zwingt
uns zu einem neuen Ausgleich. Wir
sind genötigt, auf (50 Mark pro Vier-
teljahr zu gehen. Nach allem, was wir
im vorigen Heft mitgeteilt haben, wird
diese notgedrungene Maßnahme, wie wir
zuversichtlich hoffen, keiner weiteren Er«
klärung und Entschuldigung bedürfen.

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