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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

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Heft 1 (Oktoberheft 1922)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0082

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Der Zufall ergab es einmal, daß dieses Bild zwis-chen gute Faksinnle-Repro-
dultionen Dnrerscher frühester Wasserfarbenmalereien geriet. Beste Künstler
unserer Tage waren verwundert, daß sie diesen schönen frühen Dürer noch nicht
gesehen hatten. Diese Täuschung ist durchaus verständlich, wenn man bedenkt» daß
Dürer als Iüngling, einem rein malerisch-bildnerischen Trieb folgend, Landschaften
malte, die uns heute durchaus modern erscheinen. Das Malen war !ihm damals
nicht Händwerk und nicht Beruf, sondern nur ein unstillbarer Drang sich auszu-
sprechen, — wie es Kinder mit großer Lust tun, wenn sie einen Farbenkasten
zur Hand nehmen. —

Aus solchem Drang und Spieltrieb ist auch das Bild „Kohlenbergwerk" von
einem Aubekannten entstanden. Das Naturmotiv ist mit gegenständlicher Treue
durch rhythmisch ineinander greifende Farb- und Formengruppen wiedergegeben
worden. Wie kühn ist allein der Schornstein mit der Rauchfahne in die Vild-
fläche gesetzt! Kein Teilchen des Bildes ist ohne Zusammenhang mit dem Ganzen
geblieben. Nichts im Bilde kann man sich hinzu- oder wegdenken, ohne dabei
das Ganze zu zerstören. Da hier reine Äaivität am Werke war, kann nicht
vom Vordrängen einer willentlichen künstlerischen Richtung gesprochen werden.
Der Maler des Bildes war nicht mit Schulweisheiten belastet und das Stück
Erde, welches er malte und das wahrscheinlich zu seinem Alltag gehörte, hat er
mit Freude und Liebe erschaut und farbig nisdergeschrieben. Dadurch ist jener
unmittelbare Ausdruck erreicht worden, der von den besten Künstlern heutiger
„expressionistischer" Kunst angestrebt wird.

Die 'Abbildung des schönen weiblichen Kopfes aus dem Bilde „Heilige Familie"
von Signorelli wird diesem Heft beigefügt, weil es von einem großen
Renaissancekünstler herrührt, der mit derselben Liebe zur gegenständlichen Dreue
gestaltete, wie der unbekannte naive Künstler des Kohlenbergwerkbildes.

In diesem Heft bringen wir des Sokrates große Rede auf den Eros aus
Platons Gastmahl. Als Beilage geben wir die Antike Marmorbüjste
des Sokrates aus der „Weltkunst", die der Kunstwart Herausgegeben hat.
Eines jener vollkommen sachlichen Werke, welche das Arbild weder verschönen
— Sokrates galt bekanntlich für sehr häßlich — noch karrikieren, aber die Leit«
linie seines Wesens ideal herausstellen, hier die lebenzwingende Besonnenheit
eines scharfen und wohlwollenden Denkers.

^Awei Mnze aus Rameaus „Zoroastre" bringen wir, um recht nachdrück-
O^ich auf das Bändchen „Tänze aus Zoroastre" hinzuweisen, das H. Roth in
den SLundenbüchern des Drei Masken-Verlags herausgegeben hat (oergl. un-
sere Besprechung im Septemberheft). Wenn irgend einer von den älteren
Franzosen, dann ist dieser geniale Rameau wert, gekannt zu werden. Welche
männliche, unverhaltene und doch klare und nebensinnfreie Heiterkeit spricht
aus dem G-Dur-Stücklein! Welche felsige Kraft, reife und reine Worte zu
hämmern, aus dem Air majestueux! nvourv^ sckckftrtzstz uv^L — hat von s683
bis (76^ gelebt. Einen lesenswerten Versuch über sein Schaffen bietet Roth in
dem genannten „Stundenbuch".

Das Abendlied der Rotenbeilage gehört zu dem Aufsatz vom rechten volks-
tümlichen Musizieren. Kann man sich eine erhebendere Abendfeier für die
jungen Leute denken, die sich nach durchwandertem Sommertag den Staub vom
Gesicht gewaschen haben und nun auf der Bank vor der Herberge zu dritt den
aufgehenden SLernen entgegenmusizieren? Der Tonsatz der beiden Begleitstim-
men zu dem alten Liede ist gewiß kein Meisterwerk. Ein Meister hätte die Quinten
und Oktaven am Lnde der dritten Verszeile nicht geschrieben. Aber wir haben
sie unbeanstandet gelassen, weil sie das Wesen des Liedes nicht berühren. Es
kam uns darauf an, zu zeigen, wie man in den Kreisen der Iugendbewegung das
Problem der Volksmusik zu lösen versucht. Da wollen die nach den Regeln des
strengen Satzes nicht einwandfreien Fortschreitungen nicht allzuviel besagen, und
wen sie dennoch stören, der wird die unerwünschten Parallelen leicht beseitigen
können. L

Herausgeber:Pros.L>r.k.e.FerdinandAvenarius inDresden»Blasewitz;verantwortl.:derHerausgeber
— Verlag von Georg D. W. Eallwey, Druck von Kastner L Lallwey, Buchdruckerer in München — In
Hsterreich->Ungarn sür Herausgabe u. Schriftleitung verantwortl.: Or.Richard Batka in Wien ll,Taborftr.20
 
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