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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

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Heft 4 (Januarheft 1923)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0209

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Ich kann mich, wenn ich Freunde'
besuchen will und stalt der vertrautew
SLimme das erzürnte Gekläff ihrer
Hunde höre- eines tief unshmpathischen
Gefühls nicht erwehren. !Auch nicht,
wenn ich am Garten eines reichen Vil--
lenbesitzers vorüber meinen Spazier-
gang mache und mich während der gan-
zen Zeit von einem oder gar einigen
wütenden Kötern begleiten und anbel-
len lassen muß, als wäre ich ein böfer
Absichten verdächtiger Verbrecher. Oder
wenn ich in die Nähe spazierender
Damen gerate, die ihre Freude daran
haben, die Mitspaziergänger eine Vier-
telstunde lang von ihrem geliebten
Schoßköter angeblafft zu hören, indem
sie meinen, der Höflichkeit Genüge ge-
tan zu haben, wenn sie in Abständen
versichern, das liebe Vieh beiße nicht..
(Das wäre ja auch noch schöner!)

Ich kann mich nicht des denkbar böse-
sten Vorurteils gegen die Kultur solcher
Villenbewohner odsr der Beschützerin«
!nen solcher kleiner keifender Satanasse!
erwehren. Was für Kanaillen sind das,
denke ich in meinem unbewachten In-
nern, welche sich herausnehmen, fried-
liche Wanderer dergestalt zu belästigen?

Wozu hat der Mensch den Hund>
gemacht! — Iawohl! denn das Bellen
des Hundes hat durchaus erst der Kul^
turmensch als Ausdruck seiner freund-
lichen Gesinnung gegen seinesgleichen,
als Ausdruck der Achtung, die er gegen
sich selbst hat, dem Hunde angezüchtet.
Als Kolumbus auf der Insel Guana-
hani landete, bemerkte er zu seiner Ver-
wunderung, daß die Hunde der Einge-
borenen nicht bellten.

Der Hund überhaupt als Freund des
Menschen!

Ich weiß natürlich: es sind gerads die
größten Menschen, dis Glitemenschen so-
zusagen, welche ihrs Einsamkeit, ihre
Menschenüberlsgenheit, ihre höchst edle
Enttäuschung, ihr Arteil über die Min- .
derwertigkeit der „übrigen" Menschen in
der Hundeliebs zum Ausdruck bringen:
dieMenschen alls sind falsch, sind un-
treu, der Hund allein dsr letzte Freund.

Wer schwach genug ist, um nur noch
des Hundes rein pflanzlichen und durch
Dressur zu tötenden Eigenwillen neben
sich dulden zu können, der mag sich.
durch solche Schutzvorstellungen über
die erheben, welche die Kameradschaft

der Menschen vorziehen. Dem wirk-
lich Einsamen will ich gewiß den Hund
auch als Freund nicht verargen. Eri
ist dann nicht eigentlich Freund, son-
dern teils Schutz, teils Personifizierung
der Einsamkeit und der einsamen Ge.«
danken selbst. Im übrigen bin ich gegen
den Hund als Freund und gar gegen
die bewegliche Rede vom einzigen echten
Freund höchst mißtrauisch.

Ich bleibe vielmehr dabei, daß der
Hund eben ein hündisches Tier ist. 2Aan
mag ihn halten aus Freude am bunten
Leben, am Animalischen, wie man
Blumen zieht und Vögel einsperrt; man
mag ihn halten aus Lhrfurcht vor der
relativen Vollkommenheit der Natur in
allen ihren Schöpfungen, die darin uns
Menschen überlegen sind, daß sie fertig
sind, während wir Gottseidank noch im
Kampf stehen; wer seine unbeteiligten
Nachbarn ärgern will, der mag ihn auch
kläffen lassen —es ist unglaublich» wis
leicht man einem Hunde das Kläffen ab-
gewöhnen kann: es gehört nicht zu den
natürlichen Ausdrücken seiner Lebens-
lust — aber als Ersatz für Menschen,
wohl gar für Kinder, die allerdings
ihren Eigenwillen nicht so leicht heb-
geben wie Hunde, als Ausdruck gar für
Abermenschheit — das weist auf schlechts
Instinkte._Stolterfoth

Adolf BarteLs

gleichen Iahr und am nämlichen
OTage mit Gerhart Hauptmann
wurde Adolf Bartels geboren.

Noch heute denke ich mit Freuden
daran, wie ich dereinst, nun vor mehr
als einem Menschenalter, an eine Kri-
tik von Adolf Bartels im „Frankfur-
Ler Iournal" geriet. Wie viel echte
Deutschheit ohne jedes Hurrageschrei,
wie viel Sinn fürs Wesentliche, für
die Lebenswerte, die so tausendmal wich-
tiger sind als alle ästhetische Aeuläu-
ferei! Aicht lange, so trat Adolf Bar-
tels an meiner Ssite im Kunstwart
selber in den Kampf für das, was da-
mals uns beiden gemsinsam wichtig
schien, und wenn ich gegen die Mode-
kritik der Zeit für Keller, Mörike und
andre schrieb, deren Größe den Heu-
tigen selbstverständlich geworden ist,
so nahm Adolf Bartels das Wort für
Hebbel und Groth und noch manchen
andern Starken unter den Gestorbenen
 
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