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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1923)
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Avenarius, Ferdinand: An unsere Leser
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0221

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An unsere Leser

L^euLe, dcr ich dies schreibe, sind die Franzosen in Essen eingerückt . . .
^Meine Leser — ich hoffe von dieser Stelle aus noch manches Mal zu
sprechen, zunächst aber rufen mich die Dinge von ihr weg. Vor Monaten
hoffte ich noch, ich könne meine längst erLannten neuen iAufgaben zugleich
mit den altvertrauten bearbeiten, nach einer langen Krankheit weiß ich aber,
daß ich meine Kraft auf diese neuen Aufgaben sammeln Muß. Gie
„Schriften für echten Frieden" rufen mich schlechterdings gebieterisch nun--
mehr zu internationalem Kampf gegen den Weltwahn von der deutschen
Niederträchtigkeit, ohne welchen Weltwahn die politischen Kriegsgewinner
weder den Einmarsch ins Ruhrgebiet, noch diesen „Frieden" von-Bersailles
durchgesetzr Hätten, der fallen muß.

Die HerausgeberschafL des Kunstwarts darf ich jetzt niederlegen. Haupt-
sache: der Kunstwart bleibt. Sein Berleger, mein lieber alter Freund
Callwey, bleibt ihm auch, er wird ihm dieselbe Sorgfalt, dieselbe
Sachkenntnis und dieselbe Treue bewahren, wie nun schon ein Menschen-
alter lang. Als tzerausgeber der Kunstwart-AnLernehmungen bleibe
auch ich selber, als Borsitzender des Dürerbundes gleichfalls, so lange
man mich haben will. Der Kunstwart aber wird von Wolfgang Schumann
weitergeführt, der mich schon seit meiner Erkrankung, also länger als ein
Iahr, vertreten hat. !Er und ich sind in recht vielem verschiedenen Sinnes
und nicht nur weil mein Aachfolger jung ist, aber in einem sind wir gleich:
wir betrachten beide den Kunstwart als eine Sache, die den besten Lebens-
ernst dessen fordert, der für sie sorgen soll. Wolfgang Schumann ist mit
dem Kunstwart zusammen auf- und sozusagen in ihn hineingewachsen, ^
seine Bildung wurde dadurch mitbestimmt, und er liebt ihn, wie ich.
Ich habe Iahr über Iahr nach meinem Nachfolger Ausschau gehalten,-ich
habe nirgendwo in Deutschland einen gesehen, der mir besser geeignet
erschien, als, trotz aller Vorbehalte, eben Wolsgang Schumann. Freies
Wort in unserm Blatte bleibt mir natürlich vorbehalten.

So grüße ich denn alle mir Bekannten und grüße nicht minder alle die
Freunde und Freundinnen, die mir persönlich Unbekannte geblieben sind.
HLtte mir jemand L837 gesagt: Du wirst bis ins Iahr L923 hinein an der
Spitze des Kunstwarts bleiben, wie hätt' ich das glauben dürfen! Sollte
ich nun „kleben" wollen oder sentimental werden, nun mir das so Anwahr-
scheinliche vergönnt gewesen ist? And ich nicht einmal zum Faulenzen zurück-
zutreten brauche, sondern zu anderer wichtiger Arbeit von hier aus über-

sSs

Februarhest tS2Z (XXXVI,
 
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