Adelsforschung - Wurzeln und Kontexte
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richtung abgeleitet werden, die zu den gemeinschaftlichen Grundlagen der ger-
manischen Volkseigenthümlichkeit gehörte"^. Eichhorn vermutete eine religiöse
Fundierung als Hintergrund dieser Stellung. Abstammung und Herkunft spielten
in dieser Konzeption natürlich eine weit wichtigere Rolle als etwa die materielle
Basis.
Die Annahme eines Adels als Stand führte zum Problem der Kontinuität. Eich-
horn beantwortete diese Frage dezidiert positiv^. Der Gefolgschaftsadel aus taci-
teischer Zeit sei im Dienstgefolge des fränkischen Königs aufgegangen. In den
Leges erscheine er demnach in Form der Antrustionen des Herrschers. Als über
Freie herrschende Schicht habe sich dieser Adel erst in fränkischer Zeit etabliert, in
der späten Karolingerzeit sei es unter schwachen Königen und vor dem Hinter-
grund der Veränderung der fränkischen Heeresverfassung und des Bedeutungs-
verlusts der Fußsoldaten auf Kosten der Reiterkrieger zu Feudalisierung größeren
Ausmaßes gekommen^. Seit dem Ende des 9. Jahrhunderts (888-1056) löste sich
„die Nation" auf; durch das Streben der hohen Geistlichkeit und des Adels nach
größerer Macht seien alle größeren Verbindungen des Volkes unter sich aufgelöst
worden^. Der Adel kam in ein ganz neues Verhältnis zum Volk, der größte Teil
geriet in dessen SchutzpflichtA „Zum Glück für die Erhaltung der alten ange-
stammten Freiheit war die Entstehung der Städte im inneren Deutschland mit
dieser Revolution ganz gleichzeitig"^.
Möser und Eichhorn markieren die beiden Positionen, zwischen denen sich die
Forschung der folgenden Jahrzehnte bewegte. Dabei sollte man die grundlegenden
Gemeinsamkeiten nicht unterschätzen. Beide Ansätze beruhten auf derselben
Grundidee: Ein aus Freien zusammengesetztes Gemeinwesen hatte sich aufgelöst,
war gewissermaßen zersetzt worden. Daß „der Adel" in dieser Perspektive eine
wenig geschätzte Rolle spielte, liegt auf der Hand. Umstritten war allerdings zum
einen das Problem der Kontinuität, für das es - mangels Quellen - zwei plausible,
jedoch nicht weiter belegbare Antworten gab, und zum anderen die Frage, wie
bedeutend die politischen Vorrechte des germanischen Adels gewesen seien.
Mit Savigny schloß sich ein bedeutender Rechtshistoriker der Deutung Eich-
horns an. Auch er entwarf kein anderes Bild der Frühzeit: „Die Nation bestand aus
der Gesamtheit der freyen Männer, von welcher alle Gewalt und alles Recht aus-
gieng"A „Als Grundlage der Verfassung aller Deutschen Stämme betrachte ich
den Stand der Freyen"^. Wie Eichhorn sah auch Savigny in den bei Tacitus ge-
16 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 63.
17 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 282.
18 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 670-673, 739-748.
19 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 7.
20 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 37-39.
21 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 42
22 SAVIGNY, Geschichte, Bd. 1, S. 187.
23 SAVIGNY, Geschichte, Bd. 1, S. 191.
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richtung abgeleitet werden, die zu den gemeinschaftlichen Grundlagen der ger-
manischen Volkseigenthümlichkeit gehörte"^. Eichhorn vermutete eine religiöse
Fundierung als Hintergrund dieser Stellung. Abstammung und Herkunft spielten
in dieser Konzeption natürlich eine weit wichtigere Rolle als etwa die materielle
Basis.
Die Annahme eines Adels als Stand führte zum Problem der Kontinuität. Eich-
horn beantwortete diese Frage dezidiert positiv^. Der Gefolgschaftsadel aus taci-
teischer Zeit sei im Dienstgefolge des fränkischen Königs aufgegangen. In den
Leges erscheine er demnach in Form der Antrustionen des Herrschers. Als über
Freie herrschende Schicht habe sich dieser Adel erst in fränkischer Zeit etabliert, in
der späten Karolingerzeit sei es unter schwachen Königen und vor dem Hinter-
grund der Veränderung der fränkischen Heeresverfassung und des Bedeutungs-
verlusts der Fußsoldaten auf Kosten der Reiterkrieger zu Feudalisierung größeren
Ausmaßes gekommen^. Seit dem Ende des 9. Jahrhunderts (888-1056) löste sich
„die Nation" auf; durch das Streben der hohen Geistlichkeit und des Adels nach
größerer Macht seien alle größeren Verbindungen des Volkes unter sich aufgelöst
worden^. Der Adel kam in ein ganz neues Verhältnis zum Volk, der größte Teil
geriet in dessen SchutzpflichtA „Zum Glück für die Erhaltung der alten ange-
stammten Freiheit war die Entstehung der Städte im inneren Deutschland mit
dieser Revolution ganz gleichzeitig"^.
Möser und Eichhorn markieren die beiden Positionen, zwischen denen sich die
Forschung der folgenden Jahrzehnte bewegte. Dabei sollte man die grundlegenden
Gemeinsamkeiten nicht unterschätzen. Beide Ansätze beruhten auf derselben
Grundidee: Ein aus Freien zusammengesetztes Gemeinwesen hatte sich aufgelöst,
war gewissermaßen zersetzt worden. Daß „der Adel" in dieser Perspektive eine
wenig geschätzte Rolle spielte, liegt auf der Hand. Umstritten war allerdings zum
einen das Problem der Kontinuität, für das es - mangels Quellen - zwei plausible,
jedoch nicht weiter belegbare Antworten gab, und zum anderen die Frage, wie
bedeutend die politischen Vorrechte des germanischen Adels gewesen seien.
Mit Savigny schloß sich ein bedeutender Rechtshistoriker der Deutung Eich-
horns an. Auch er entwarf kein anderes Bild der Frühzeit: „Die Nation bestand aus
der Gesamtheit der freyen Männer, von welcher alle Gewalt und alles Recht aus-
gieng"A „Als Grundlage der Verfassung aller Deutschen Stämme betrachte ich
den Stand der Freyen"^. Wie Eichhorn sah auch Savigny in den bei Tacitus ge-
16 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 63.
17 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 282.
18 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 670-673, 739-748.
19 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 7.
20 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 37-39.
21 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 42
22 SAVIGNY, Geschichte, Bd. 1, S. 187.
23 SAVIGNY, Geschichte, Bd. 1, S. 191.